Deutsches Fahrradmuseum Bad BrückenauLaufmaschinen & Knochenschüttler

Über 230 historische Fahrräder beherbergt das Deutsche Fahrradmuseum.
Foto: Christiane Neubauer
Das Deutsche Fahrradmuseum in Bad Brückenau gilt als eine der umfassendsten Sammlungen historischer Fahrräder in Europa – ein MUSS für Fahrrad-Enthusiasten, Technik-Freaks und Geschichtsinteressierte.

Text: Christiane Neubauer

Laufmaschine, Hochrad und Klapprad, Tandem, Triplett und Quadruplett, Buddy, Bonanza und Cavallo - mehr als 230 historische Fahrräder beherbergt das Deutsche Fahrradmuseum im unterfränkischen Bad Brückenau. Und dazu die Geschichten derer, die einst in die Pedale traten – mutig, elegant oder einfach nur neugierig.

Zusammengetragen hat die Exponate in mehr als 40 jähriger Detektivarbeit Museumsleiter Ivan Sojc – ein Fahrrad-Enthusiast par Excellence. “Manchmal hab' ich Jahre gebraucht, bis ich endlich ein ersehntes Rad gefunden habe und erwerben konnte”, erzählt Sojc. Und nicht selten hat er sich von einem seiner zweirädrigen Oldtimer wieder trennen müssen, um dafür ein anderes Rad ausstellen zu können. “Museumsarbeit bedeutet in meinen Augen nicht, dass man Sachen verwaltet. Ein Museum muss leben.”

Fahrrad-Enthusiast und Museumsleiter Ivan Sojc im historischen Fahrrad-Laden des Museums, der einen einzigartigen Charme versprüht. Die Regale sind bis unter die Decke gefüllt mit Fahrrad-Zubehör wie Sättel, Mäntel, Schläuche, Ventile, Lampen und Klingeln.Foto: Christiane NeubauerFahrrad-Enthusiast und Museumsleiter Ivan Sojc im historischen Fahrrad-Laden des Museums, der einen einzigartigen Charme versprüht. Die Regale sind bis unter die Decke gefüllt mit Fahrrad-Zubehör wie Sättel, Mäntel, Schläuche, Ventile, Lampen und Klingeln.

Meilensteine der Mobilität

Und so weiß Ivan Sojc bei unserem Rundgang durch die Sammlung auch zu jedem Exponat eine Anekdote zu erzählen. Zum Beispiel wie das Velocipede, eine frühe Form des Fahrrads, das in den 1860er Jahren populär wurde, zu seinem Spitznamen “Boneshaker”, also Knochenschüttler kam.

“Das Velocipede ist eine Erfindung des Franzosen Pierre Michaux und seines Sohnes Ernest. Sie entwickelten die Laufmaschine von Drais weiter, indem sie Pedale am Vorderrad anbrachten. Die Räder selbst waren aus Holz mit einer Eisenbereifung und ohne jegliche Federung. Ganz klar, dass die Radlerinnnen und Radler mitunter mächtig durchgerüttelt wurden. Vor allem in den USA und England war der Boneshaker dennoch sehr beliebt. In den 1870er Jahren wurde er dann vom Hochrad abgelöst, das eine schnellere Fahrt mit mehr Federungskomfort versprach”, weiß der Museumsleiter.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Prachtexemplar: Eine originale Laufmaschine aus dem Jahr 1820, vermutlich in Österreich gebaut.Foto: Christiane NeubauerPrachtexemplar: Eine originale Laufmaschine aus dem Jahr 1820, vermutlich in Österreich gebaut.

Auf seine Sammlung originaler Hochräder verschiedener Hersteller und Entwicklungsstufen ist Ivan Sojc besonders stolz. Seine Augen funkeln, als wir bei den Exponaten stehen bleiben, um sie zu bewundern. Er besitzt außerdem den Nachbau eines Hochrads mit einem kippsicheren Ständer, welches die Besucher des Museums besteigen können, um in die Pedale zu treten. Denn das Deutsche Fahrradmuseum versteht sich nicht nur als ein Ort zum Staunen, sondern auch zum Mitmachen. Auf einer Radreise durch die Rhön ist das Deutsche Fahrradmuseum praktisch ein Pflichtstopp für alle Fahrrad-Enthusiasten.

Malereien, historische Fotografien, Zeitungsauschnitte und Werbeplakate ergänzen die Exponate, so dass sich Besucherinnen und Besucher auch ohne Führung einen umfassenden Einblick in die technische Entwicklung und die kulturelle Bedeutung von Fahrrädern verschaffen können.

Dass letztere als Kulturgut von jeher großen Einfluss auf Gesellschaft, Kunst, Lifestyle und Popkultur hatten, verdeutlichen vor allem die ungezählten Exponate aus gut 200 Jahren Fahrradgeschichte, die in Glasvitrinen präsentiert werden: reich verzierte Fahrradklingeln und schmucke Werkzeugsets, Helme und Schutzbrillen aus dem frühen Rennsport, Dokumente aus der Blütezeit der Fahrradclubs sowie Manschettenknöpfe und Briefbeschwerer mit Fahrradmotiven.

Um 1900 entstanden diese Manschettenknöpfe, die mit einer Miniaturmalerei eines Radfahrers verziert sind.Foto: Christiane NeubauerUm 1900 entstanden diese Manschettenknöpfe, die mit einer Miniaturmalerei eines Radfahrers verziert sind.

Radeln wie ein Reiter

Beeindruckend sind auch einige Kuriositäten, die Sojc im Laufe der Jahrzehnte zusammengetragen hat, darunter ein Trethebelrad mit zwei Ketten – jeweils eine pro Pedal. Oder ein sogenanntes Buddybike, eine Art Tandem, bei dem die Radler allerdings nicht hintereinander, sondern nebeneinandersitzen.

Und schon mal was von einem Cavallo gehört? Dabei handelt es sich um ein Rad, das nicht mit den Füßen über Pedale angetrieben wird, sondern durch schaukelnde Körperbewegungen, die an jene eines trabenden Reiters erinnern. Kurios!

In diesem Raum stehen Fahrräder aus den 1920er Jahren, also jener Zeit, in der die Gangschaltung erfunden wurde und Hersteller begannen, Räder aus Leichtmetallen zu produzieren. Dies war besonders für den Rennrad-Sport von Bedeutung.Foto: Christiane NeubauerIn diesem Raum stehen Fahrräder aus den 1920er Jahren, also jener Zeit, in der die Gangschaltung erfunden wurde und Hersteller begannen, Räder aus Leichtmetallen zu produzieren. Dies war besonders für den Rennrad-Sport von Bedeutung.

Nach gut zwei Stunden, die wie im Flug vergehen, endet meine Reise durch drei Jahrhunderte Mobilitätsgeschichte – aber nicht ohne einen Blick nach vorn. Denn eines wird klar: Das Fahrrad war nie nur ein Fortbewegungsmittel. Es war eine Revolution, und ist bis heute ein Symbol für Freiheit, soziale Veränderung und technische Innovation.

Und während die Räder der Vergangenheit hier im Museum stillstehen, drehen sich draußen längst die Räder der Zukunft. Wer nach dem Besuch selbst in die Pedale tritt, spürt den Geist, der dieses Museum erfüllt – den unaufhaltsamen Drang nach Bewegung.

Lohnt einen Besuch: Das Deutsche Fahrradmuseum in Bad BrückenauFoto: Christiane NeubauerLohnt einen Besuch: Das Deutsche Fahrradmuseum in Bad Brückenau

Besucher-Infos Deutsches Fahrradmuseum

  • Das Deutsche Fahrradmuseum residiert in einem schmucken Jugendstilgebäude aus dem Jahre 1908 im Ortsteil Staatsbad Brückenau.
  • Es ist freitags, samstags, sonntags und an Feiertagen geöffnet. Angemeldete Gruppen können die Ausstellung von Dienstag bis Donnerstag besuchen. Im Dezember und Januar ist das Museum geschlossen.
  • Eintrittspreise: Erwachsene: 9 Euro, Schüler: 5 Euro, Familien: 15 Euro, ermäßigt: 7 Euro.
  • Weitere Infos: www.deutsches-fahrradmuseum.de

Meistgelesen in der Rubrik Über Uns