Das Pendel-ExperimentBrauchen Sportler ein E-Bike?

Jan Timmermann

 · 14.04.2025

Mit oder ohne Motor? Unser Redakteur startet ein Experiment und tauscht Race-Mountainbike gegen E-Commuter.
Foto: Georg Grieshaber
Pendeln mit dem Fahrrad ist umweltfreundlich, gut für die Gesundheit und schont den Geldbeutel. In Deutschland haben sich E-Bikes inzwischen durchgesetzt. Unser Redakteur war skeptisch und wagt den Selbstversuch. Wird ihn der zusätzliche Motor schneller, entspannter und schlicht besser von der Arbeit nach Hause bringen?

Den Großteil der Arbeitnehmer bringt in der Bundesrepublik das Auto zu ihrer Wirkungsstätte und zurück. Nur rund jeder zehnte Berufspendler nutzt regelmäßig das Fahrrad. Selbst für Kurzstrecken unter fünf Kilometern steigt lediglich jeder vierte aufs Zweirad. Dass dieses inzwischen immer öfters motorisiert ist, zeigen die Verkaufszahlen eindeutig. Über die Hälfte aller verkauften Fahrräder sind inzwischen E-Bikes. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen: Elektro-Fahrräder versprechen mehr Geschwindigkeit bei weniger Krafteinsatz und somit einen entspannteren (Arbeits-)Weg. Ist die Mobilitätswende also auf dem richtigen Weg?

BIKE-Redakteur Jan Timmermann fährt auch mit dem Rad zur Arbeit. Allerdings liegt für ihn zwischen Haustüre und Büro keine klassische Kurzstrecke. Nur die wenigsten Menschen würden wahrscheinlich auf die Idee kommen die je 31 Kilometer hin und zurück mit dem Fahrrad zurückzulegen. Sein Fall zeigt jedoch beispielhaft ein Dilemma in der Pendel-Infrastruktur. Das schnellste Verkehrsmittel auf der Strecke ist das Auto. Ohne Stau wäre Jan in 25 Minuten im Büro. Im Münchner Süden, wo der 32-Jährige wohnt, müssen sich Pendler ab der Stadtgrenze jedoch auf stockenden Verkehr im Schritttempo einstellen. So dauert die Autofahrt in der Regel doch eher 50 Minuten - ganz abgesehen vom ökologischen Fußabdruck. Der ÖPNV verspricht eine verlockende Alternative. Nur 20 Minuten Fahrzeit liegen zwischen den entsprechenden Haltestellen. Allerdings ist der regionale Bahnverkehr so unzuverlässig, dass aus den 40 Minuten von Tür zu Tür schnell 60 oder gar 80 werden. Ein Glücksspiel, das nur einmal die Stunde gespielt werden kann und pro Einzelfahrt 10,20 Euro kostet. Es bleibt das Fahrrad.

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Ein Rädchen im System

Mein Kollege scheint verdutzt: “Seit wann interessierst du dich denn für E-Bikes?” Trotzdem schiebt er mir ein hellblaues Fahrrad mit unverkennbarem E-Motor vor die Füße. Mein bislang zurückhaltendes Interesse für diese Gattung hat natürlich Gründe. Für die 31 Kilometer einfachen Arbeitsweg benötige ich ganz ohne elektrischen Rückenwind rund eine Stunde und zehn Minuten. Auf meinem hochgezüchteten Marathon-Mountainbike brauche ich somit nur unbedeutend länger als mit Auto oder Bahn. Heute schraube ich erstmals die Titanachsen meiner 300-Euro-Klickpedale in ein E-Bike und rolle vom Hof. Das Rad gefällt mir, ist mit schmalen Reifen sportlich angehaucht und dank Light-Motor und kleinem Akku verhältnismäßig leicht. Mit strammen Tritten steuere ich das Gefährt auf den dezent ansteigenden Radweg. Doch was ist das? Anstatt die anderen Radpendler wie gewohnt zu überholen, muss ich mich zwischen Papas auf riesigen elektrischen Lastenrädern und älteren Damen auf zweckentfremdeten E-Mountainbikes einreihen. In Deutschland werden alle E-Bikes bei 25km/h abgeregelt.

Mein Problem ist natürlich ein sehr spezielles. Das ist mir wohl bewusst. Ich bin topfit, durchtrainiert und fahre jährlich viele tausende Kilometer Fahrrad. 62 Kilometer Radpendeln am Tag sind für mich ein gutes Workout. Was ich aufgrund von Homeoffice-Regelungen bislang etwa zwei mal pro Woche durchziehen musste, kommt in Zukunft jedoch deutlich öfters auf mich zu. Genau, wie aktuell deutschlandweit in vielen anderen Unternehmen, hat mein Arbeitgeber beschlossen, dass ich meine Dienste bald wieder täglich am urbanen Bürostandort erbringen soll. So rutsche ich in eine Zwickmühle, in der ich nicht alleine bin. Die Mietpreise in Kurzdistanz zum Büro gehören zu den höchsten Europas. Die Aussicht auf wöchentlich über 300 Kilometer Fahrrad-Pendeln ist aber auch unbefriedigend. Viel lieber würde ich mein Radfahrpensum auf Trails und in schönen Berglandschaften ausleben.

Das <a href="https://www.awin1.com/cread.php?awinmid=31189&awinaffid=471469&clickref=B+Centurion+Speeddrive+R+800+D+EQ&ued=https%3A%2F%2Fbike-angebot.de%2Fcenturion-speeddrive-r800-d-eq-uniblau-2025-28-400-wh-diamant%2Fba-0047731-003" target="_blank" rel="noopener noreferrer nofollow">Centurion Speeddrive R 800 D EQ</a>* scheint wie gemacht für Pendler. Der Selbstversuch soll zeigen, ob Light-E-Bikes auch Sportler entspannter nach Hause bringen.Foto: Georg GrieshaberDas Centurion Speeddrive R 800 D EQ* scheint wie gemacht für Pendler. Der Selbstversuch soll zeigen, ob Light-E-Bikes auch Sportler entspannter nach Hause bringen.

Auf der Suche nach Entspannung

Jetzt gerade allerdings rolle ich im krassen Kontrast durch die graue Vorstadt, löse mich aus der Perlenkette der Sportskollegen und schalte einen Gang höher. Schneller werde ich dadurch nicht. Verwirrt scrolle ich durch das Display meines Elektromobils und muss feststellen, dass sich der Motor in den Standby verabschiedet hat. 27,2 km/h zeigt der Infobildschirm an. Bewusst versuche ich meine Tretkraft zu reduzieren. Schließlich liegt darin der Sinn meines kleinen Experiments: Wenn ich so oft wie möglich mit dem Bike pendeln möchte ohne mittelfristig auszubrennen, kann auch ich das nicht jedes mal im Vollgas-Modus tun. Vom elektrischen Hilfsmotor verspreche ich mir weniger körperliche Belastung, weniger Stress, weniger Schweiß. Wie selten der Motor auf meiner Route überhaupt Unterstützung leistet, habe ich aber offensichtlich unterschätzt. Immerhin 180 Höhenmeter gilt es zu bewältigen, allerdings geht es fast unterbrechungsfrei geradeaus. Beschleunigungsphasen sind rar.

Arbeitslos: In der Ebene nimmt unser fitter Redakteur dem Bosch Performance Line SX E-Bike Motor den Job weg. Schuld ist die 25km/h-Grenze.Foto: Georg GrieshaberArbeitslos: In der Ebene nimmt unser fitter Redakteur dem Bosch Performance Line SX E-Bike Motor den Job weg. Schuld ist die 25km/h-Grenze.

Ich tue mich schwer meine Körperspannung so abzusenken, dass ich unter der 25km/h-Grenze bleibe. Gefühlt lasse ich meine Beine nur fallen und rolle in der Ebene trotzdem ohne Motorunterstützung dahin. Die einzige Möglichkeit mein Pendel-Tempo zu steigern wäre wohl ein S-Pedelec. Diese starken E-Bikes laufen bis 45km/h und gelten hierzulande als Kleinkrafträder mit Kennzeichen-, Zulassungs- und Versicherungspflicht. In Bayern dürfen S-Pedelecs nicht auf Radwegen, nicht auf Forstwegen, sondern nur auf der Straße verwendet werden. Auf derselben Strecke, auf der ich ohne E-Antrieb auch mal 35 km/h fahre, würde ich mich mit einem S-Pedelec strafbar machen. Weder der Umweg, noch das Konfliktpotential mit Autofahrern, erscheint mir attraktiv. Also radle ich mit gedrosseltem E-Motor entlang der Bahnschienen in Richtung Abendessen. Das Bike-Outfit an meinem Körper hat den Gegenwert eines Jahresabos Deutschlandticket. Ich langweile mich.

Der Power strammer Sportlerwaden hat der E-Bike-Motor kaum etwas hinzuzufügen.Foto: Georg GrieshaberDer Power strammer Sportlerwaden hat der E-Bike-Motor kaum etwas hinzuzufügen.

Langsam, aber sicher

Endlich daheim bestätigen die Daten des Bordcomputers meinen Eindruck. Fahrdauer: 1h 14min; Durchschnittsgeschwindigkeit: 25,4 km/h. Vom kleinen 400-Wh-Akku habe ich trotz durchgehendem Turbo-Modus nur 20 % Kapazität verbraucht. Anders gesagt: Das elektronische System konnte gerade einmal ein Fünftel seines Potentials ausspielen. Der Motor hat mir kaum etwas gebracht. Im besten Fall schafft es das Aggregat die rund neun Kilo Mehrgewicht im Vergleich zu meinem Mountainbike auszugleichen. Als Zugeständnis ans E-Bike muss ich anerkennen, dass dieses Mehrgewicht immerhin Schutzbleche, eine Lichtanlage und einen Gepäckträger beinhaltet. Die entscheidende Frage aber lautet: Hat mich das Pendeln mit dem E-Bike weniger angestrengt? Ja, hat es. Ich fühle mich tatsächlich minimal ausgeruhter und habe weniger geschwitzt. Allerdings habe ich auch etwas länger gebraucht. Denselben Effekt hätte ich wohl auch erreicht, wenn ich mit einem analogen Fahrrad einfach langsamer gefahren wäre. Enttäuscht übertrage ich meine Race-Pedale wieder aufs Bio-Bike und ziehe ein Fazit: Meine persönliche Antwort auf die Mobilitätswende ist das E-Bike nicht.

E-Bikes machen den Arbeitsweg für viele Pendler deutlich bequemer. Geht es um längere aber großenteils flache Distanzen, sind fitte Fahrer mit einem konventionellen Fahrrad aber oft besser beraten. Als sportlicher Bike-Freak bieten mir E-Motoren in der Ebene keinen Vorteil. Da spare ich mir das Geld lieber und stecke es in ein paar schöne Titanschrauben. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
BIKE-Redakteur Jan TimmermannFoto: Georg GrieshaberBIKE-Redakteur Jan Timmermann

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