Wer schon mal ein Bike direkt nach Hause geliefert bekommen hat, weiß es: Ein solcher Karton, in dem das neue Prachtstück kommt, füllt allein eine ganze Papiertonne oder ein halbes Kellerabteil. Vor diesem logistischen Problem stehen Händler noch viel mehr. Um nur einen kleinen Satz solcher Versandkartons vorhalten zu können, bedarf es einer recht großen Lagerfläche, die nichts enthält außer Pappe und Luft. In letzter Instanz entsteht so ein riesiger Berg Papiermüll, der zwar recycelt werden kann, was aber auch Energie, Wasser und Logistik (wiederum Energie) kostet.
Ein kleines Unternehmen aus dem beschaulichen Pöcking am bayerischen Starnberger See will das ändern ganz im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft. Die Firma nennt sich auch so: Circular Logistics. Und die Idee ist nicht neu: Eine Art Bierkasten-System für Fahrradverpackungen. Anstelle einer Pappschachtel, die im schlechtesten Fall nur den Weg vom Hersteller zum Händler überlebt, weil sie reißt, nass wird oder anschließend auf dem Müll landet, wollen die Bayern eine dem Karton sehr ähnlich aussehende Verpackung in der Bike-Branche etablieren, die wie ein Bierkasten zirkuliert und sehr oft wiederverwendet werden kann. Aber die Zero-Wast-Verpackung hat auch weitere Vorteile.
Der größte Unterschied zum üblichen Pappkarton ist das Material, das vor allem deutlich robuster ist als Pappe. Die grauen Schachteln sehen ihren braunen Papier-Brüdern und Schwestern sehr ähnlich, bestehen aber aus Polypropylen (PP), das bereits zu 97 % aus recyceltem Material stammt. Damit vereint der Kunststoff mehrere Vorteile gegenüber den Holzfasern:
Vor allem die Tatsache, dass die Verpackungen von Circular Logistics deutlich mehr aushält und im Falle eines Risses auch wieder repariert werden kann - der PP-Kunststoff wird erhitzt und wieder verschweißt - macht sie schon etwas nachhaltiger und für eine echte Kreislaufwirtschaft bereit.
Darüber hinaus kann man den riesigen Karton durch seinen Aufbau mit Falzen auf ein Drittel seiner Größe zusammenfalten, was die Lagerung und den Versand leerer Verpackungen einfach macht.
Matthias Höfer, einer der Gründer von Circular Logistics, kam die Idee zusammen mit seiner Cousine Christine Collins. Sie lebt in Südafrika und wollte eigentlich einen Transportkoffer für ihre Bikes entwickelt, der einen Flug gut übersteht. Irgendwann stand die Idee im Raum, eine nachhaltige Verpackung herauszubringen.
“Wir senden uns jede Woche ein uraltes Fahrrad quer durchs Land, von Bayern nach Hamburg und retour, um unsere Verpackungen zu testen”, erklärt Matthias. “Auch Riese & Müller testet bereits unsere Kartonage in ihrer Produktion. So arbeiten wir auch schon mit Nicolai zusammen, um das Material Stresstests auszusetzen.” Und die Idee aus Pöcking/Südafrika spricht sich herum. Logistik-Unternehmen nehmen, so Matthias Höfer, Kontakt zu ihm auf, weil diese ebenfalls auf der Suche nach einer Verpackung sind, die einen sicheren Transport ermöglicht. Steht ein Karton im Regen, geht er in die Knie, fällt er von der Laderampe, platzt er auf und muss ausgetauscht werden. Mit der Verpackung von Circular Logistics soll das anders sein.
Schon jetzt bietet das bayerische Unternehmen, das sich vor anderthalb Jahren gegründet hat, einen Logistik-Service für Privatpersonen und kleine Unternehmen an, die Bikes verschicken wollen. Unter sendmybike.de bestellt man eine solche PP-Verpackung, steckt das Bike hinein und gibt einen Termin zur Abholung an. Der Empfänger schickt dann die 11 kg schwere Verpackung zum weiteren Einsatz kostenlos zurück an Circular Logistics. Repeat!
“Das Platten für unserer Verpackung kommen aus der Nähe von Dresden, dort werden die Kartons auch einsatzbereit zusammengebaut. Am Ende muss das ganze Konzept “Made in Europe” sein, damit auch der C02-Fußabdruck stimmt”, erklärt Matthias Höfer. Jetzt kann man fragen, aber ist denn ein Karton aus Pappe nicht günstiger unterm Strich? Die Antwort: “Man muss den gesamten Prozess sehen, denn das Papier-Recycling, Abgaben etc. kosten beim konventionellen Karton auch”. Circular Logistics hat eine eigene Untersuchung gemacht, zum CO2-Verbrauch. Das Ergebnis, so Matthias, zeige, dass bei einer realistischen Wiederverwendung von 25 Mal eine Reduktion des Klimagases um etwa 80 % erreicht werden kann.
Und nicht nur wir finden diese Idee gut. Auch bei der diesjährigen Eurobike in Frankfurt wurde die Zero-Waste-Box mit dem Eurobike Award ausgezeichnet. Stellt euch eine Welt vor, in der keine Quadratmeter von Karton irgendwo im feuchten Lagerraum vergammeln, sondern Fahrräder bei Bedarf ihre Mietbox bekommen und darin reisen dürfen. Das schließt auch den Gebrauchtmarkt für Bikes mit ein.
Wie im vergangenen Jahr hat das BIKE-Team zusammen mit unserem Schwestermagazin TOUR Produktneuheiten der Eurobike, die Events der Messe und alles gezeigt, was drumherum passiert. Lest in unserem Liveblog alles aus den ersten drei Tagen, die für das Fachpublikum reserviert waren. Viel Spaß beim Lesen!