Amtlich gemessenIm Karwendel sind mehr Mountainbiker als Wanderer unterwegs

Gitta Beimfohr

 · 24.09.2025

Von Scharnitz zum Karwendelhaus stapeln sich die Höhenmeter erst ganz am Ende in Serpentinenform.
Foto: Skyshot
Bis zu 800 Radfahrer am Tag - diese per Monitoring gemessenen Besucherzahlen haben die Naturpark-Leitung selbst überrascht. Damit ist klar: Im Karwendel sind mehr als doppelt so viele Mountainbiker unterwegs als Wanderer. Welche Besucherlenkung folgt daraus?

Wer diesen Sommer von Scharnitz ins Karwendel- oder Gleirschtal Richtung Pfeishütte abgebogen ist, hat es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass er dabei gezählt wurde. Wobei die hohen Pfähle mit den Zählgeräten samt Solarpanele, Bildsensoren- und Infrarot-Technik an den Taleingängen nicht klein sind, aber man muss schon den Kopf in den Nacken legen, um die Geräte in 4 bis 5 Metern Höhe zwischen den Ästen der Bäume zu entdecken.

Seit Januar 2023 läuft dieses grenzübergreifende “Euregio”-Projekt zwischen Bayern und Tirol bereits. Das Ziel dieser nach eigenen Angaben 100.000 Euro kostenden Aktion: eine nachhaltige Touristenlenkung im Naturpark Karwendel. Mountainbiker pilgern hier seit den 90er Jahren hinauf, also ziemlich zeitgleich mit dem Erscheinen des Moser-Guides “Karwendel, Wetterstein, Werdenfels”. Ein Ansturm, den die Tiroler Naturpark-Ranger damals gern unterbunden hätten. Doch ein Verbot für Mountainbiker konnten sie auf den Hauptwegen der Karwendeltäler bis heute nicht durchsetzen.

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Tages- und Hütten-Tourer, aber auch Alpenüberquerer starten morgens gern ins Karwendel.Foto: Peter BaumeisterTages- und Hütten-Tourer, aber auch Alpenüberquerer starten morgens gern ins Karwendel.

Dabei sind Zählstationen gar nicht nötig, um zu erkennen: Es sind auch heute noch sehr viele Mountainbiker im Karwendel unterwegs. An einem schönen Wochenende ist sowohl vor dem Karwendelhaus (Akku laden möglich) als auch an der Falkenhütte (Akku laden nicht möglich) fast kein Parkplatz fürs Bike mehr zu bekommen. Aber “sehr viele” ist eben keine belastbare Zahl, daher wollte man es nun genau wissen und hat die Zählstationen installiert. Diese können übrigens dank der eingebauten Bildsensorik unterscheiden zwischen Radfahrer und Fußgänger. Über die zusätzlich montierten Infrarot-Geräte wiederum kann die Richtung erkannt werden, in der sich die gezählten Personen bewegen.

Sommer 2024: 55.000 Biker im Karwendel gezählt

Das Projekt läuft noch bis Ende 2025, doch die Zahlen für das komplette Jahr 2024 wurden jetzt veröffentlicht und sorgten bei der Naturpark-Verwaltung für Erstaunen: Rund 55.000 Radfahrer wurden zwischen Januar und Dezember 2024 gezählt - und 23.000 Fußgänger. Also mehr als doppelt so viele Radfahrer als Wanderer. Und wenn man bedenkt, dass Radfahrer praktisch nur von Ende Mai/Anfang Juni bis Oktober in den Karwendeltälern unterwegs sind, dann kommt man im Durchschnitt auf knapp 370 Biker pro Tag. Wobei die Zähleinrichtungen an einzelnen Spitzentagen sogar 800 Biker gezählt haben sollen.

Um das Karwendelhaus für sich allein zu haben, muss man hier oben schon übernachten. Kostenpunkt für Nicht-Alpenvereinsmitglieder im Zimmer: 45 Euro plus 51 Euro Halbpension.Foto: Jörg ReutherUm das Karwendelhaus für sich allein zu haben, muss man hier oben schon übernachten. Kostenpunkt für Nicht-Alpenvereinsmitglieder im Zimmer: 45 Euro plus 51 Euro Halbpension.

Bei einem solchen Mehrheitsergebnis auf Mountainbiker-Seite darf man gespannt sein, wie die Tourismus-Verbände die künftige, “nachhaltige” Besucherlenkung einrichten werden. Wobei man um ein Weg-Sharing nicht drumherum kommen wird, denn neue Routen werden im Naturpark sicher keine angelegt. Geplant ist bereits vielmehr eine enge Zusammenarbeit mit den Tourenportalen Strava und Outdooractive. Deren Nutzerdaten (GPS-Tracking) sollen mit den vorort gezählten Daten verknüpft werden. So erhofft man sich verlässliche Zahlen über aktuelle und prognostizierte Auslastungen im Karwendel. Ist der Verkehr in den Gebirgstälern bereits besonders groß, können die Tourenportale ihren Nutzern schon im Vorfeld Alternativen vorschlagen.

​Gezählt werden innerhalb dieses Projekts übrigens auch die Bergweg-Nutzer in der Zugspitzregion. Deren Zahlen wurden aber noch nicht veröffentlicht.

Immer mehr Biker reisen mit der Bahn an

Zu Corona-Zeiten war die Anreise mit dem Zug noch kein Problem. Inzwischen registriert die Bahn deutlich mehr Biker Richtung Mittenwald.Foto: SkyshotZu Corona-Zeiten war die Anreise mit dem Zug noch kein Problem. Inzwischen registriert die Bahn deutlich mehr Biker Richtung Mittenwald.

Eine steigende Anzahl von Mountainbikern verbuchen übrigens auch Deutsche Bahn und ÖBB Richtung Karwendel. Was wiederum zu Nutzerkonflikten führt, wenn im Regionalzug Alltagspendler auf frühmorgens startende Bergsportler samt sperriger Bikes treffen. „Wir versuchen natürlich, Platz für Fahrräder zu schaffen”, erklärte ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair bereits dem Münchner Merkur. “Wo es geht, verlängern wir Züge. Nur ist das auf der Karwendelstrecke zwischen Innsbruck und Mittenwald wegen der relativ kurzen Bahnsteige nicht möglich.

Immerhin hat die ÖBB in Sachen Fahrrad-Transport inzwischen aufgestockt: In den neuen Nahverkehrszüge gibt es nun 24 Fahrrad-Stellplätze Richtung Karwendel. Doch auch die sind wohl zu Hauptverkehrszeiten zwischen sieben und acht Uhr morgens schnell besetzt.

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