Peter Nilges
· 24.03.2016
Die Gerüchte über den ersten 12-fach-Antrieb von Sram haben sich bestätigt. Mit den zwei neuen Gruppen Eagle XX1 und Eagle X01 wollen die Amerikaner den Siegeszug des Einfach-Antriebes einläuten.
Srams Trauerrede ließ die Emotionen hochkochen. Das Video ist ein Nachruf auf den Umwerfer. Das Teil am Bike, auf das Sram in Zukunft bei allen MTB-Gruppen verzichten will. Laut Aussage des Komponenten-Giganten soll nie wieder ein neuer Umwerfer für den Offroad-Einsatz entwickelt werden.
Den Grundstein zur Einfach-Philosophie legte Sram bereits 2012 mit der XX1-Schaltgruppe. Vorne ein Kettenblatt in Kombination mit einer 11-fach Kassette am Hinterrad. Durch den Verzicht auf den Umwerfer samt Schalthebel sparte Sram Gewicht und vereinfachte das Schalten. Zudem sorgte das neue Narrow-Wide-Zahnprofil am Kettenblatt für eine deutlich bessere Kettenführung. Während Spezialisten und Rennfahrer im 1x11-Antrieb eine sehr gute Alternative zu zwei- oder dreifach Systemen fanden, kritisierten Generalisten die eingeschränkte Bandbreite an Gängen.
Die neue 12-fach Kassette setzt genau an diesem Kritikpunkt an und erweitert die Bandbreite um 80 Prozent. Mit 10 bis 50 Zähnen schaffen die beiden neuen Sram Eagle-Schaltgruppen (XX1-Eagle und X01-Eagle) eine Bandbreite von 500 Prozent, was einer 2x11-Shimano-Schaltung mit 26/36 Kurbel und 11-40 Kassette entspricht. Wer bislang bereits eine 1x11-Schaltung gefahren ist, wird die gewachsene Bandbreite deutlich spüren. Selbst mit einem um vier Zähne größeren Kettenblatt verfügt man immer noch über einen leichteren Klettergang und kann bergab ebenfalls mehr Druck machen. Wer beispielsweise bislang bei der Sram 1x11-Gruppe ein 32er Kettenblatt gefahren ist, kann jetzt mit 1x12 ein 36er fahren bei gleicher bzw. minimal leichterer Bergübersetzung.
Ein Rechenbeispiel für den Klettergang:
Sram 1x11: 32:42 = 0,762
Sram 1x12: 36:50 = 0,72
Bei einer Trittfrequenz von 60 bis 90 Umdrehungen pro Minute lässt die neue Eagle-Schaltgruppe (36 Zähne und 27,5 Zoll) einen Geschwindigkeitsbereich von 5,8 bis 43,5 km/h zu. Mit der bisherigen 11-fach Kassette fällt der Geschwindigkeitsbereich mit einem 32er Kettenblatt bei gleichen Bedingungen mit 6,2 bis 38,7 km/h deutlich schmaler aus.
Weiterhin 300 Gramm Gewichtsersparnis zu einer 2-fach-Gruppe verspricht Sram bei den neuen Eagle-Schaltgruppen. Im Vergleich zur bisherigen 11-fach Schaltung wird die Gruppe nur minimal schwerer. Vor allem die neue, wesentlich größere Kassette (355 Gramm), treibt das Gewicht in die Höhe. Mit Hilfe der neuen Carbon-Kurbeln (speziell für den entsprechenden Einsatz entwickelt) wird der Nachteil fast wieder neutralisiert. 50 Gramm mehr im Vergleich zur bisherigen XX1 und 80 Gramm mehr zum X01-Pendant beziffert Sram. Damit sollen die Komplettgruppen bei 1596 Gramm (XX1-Eagle) und 1645 Gramm (X01-Eagle) liegen.
Die neue Eagle basiert auf einer 12-fach-Kassette, deren kleinste elf Ritzel aus einem Stahlteil gefräst werden. Die Abstufung ist ebenfalls gleich zur bisherigen 11-fach-Kassette. Zusätzlich kommt ein 50er Ritzel aus Aluminium hinzu. Doch ein weiteres Ritzel ist nur kleiner Teil der neuen Gruppe. Nahezu alle Details wurden grundlegend überarbeitet. Um den bestehenden 11-fach-XD-Freilaufkörper nutzen zu können, rücken die Ritzel minimal dichter zusammen und die Kette wird marginal (2,5/10 mm) schmaler. Durch ein neues Nietverfahren stehen die Bolzen der Kette nicht mehr über die Außenlaschen heraus, was ebenfalls Platz spart. Für weniger Verschleiß wurden die Innenlaschen abgerundet. Auffallend ist auch das neue Profil der Kettenblattzähne. Sram setzt weiterhin auf dick/dünn, optimierte aber die Zahnform, wodurch die Kette leiser und dennoch optimal geführt über die Zähne wandern soll. Bei diversen Tests im Sram-Labor kam eine bis zu achtfach längere Haltbarkeit heraus. Um die größere Kapazität der Schaltung zu bewältigen wurde das untere Schaltröllchen des Eagle-Schaltwerks von 12 auf 14 Zähne vergrößert und der Käfig minimal verlängert. Auch das Problem der sich lösenden Schaltwerkbefestigungsschraube soll Dank eines Gleitlagers der Vergangenheit angehören. Beide neuen Carbon-Kurbeln wurden ebenfalls auf Diät gesetzt und entsprechend des Einsatzzweckes optimiert.
Trotz einer Fülle an technischen Verbesserungen werden die Eagle Gruppen nur etwa fünf Prozent teurer als die bisherigen 11-fach Top-Gruppen. 1524 bzw. 1306 Euro ruft Sram für die Komplettgruppen auf.
BIKE: Zwölf Gänge bedeuten eine schmalere Kette und einen größeren Schräglauf. Wirkt sich das auf die Haltbarkeit aus?
Frank Schmidt: Die Kette ist nur marginal schmaler geworden und wird komplett anders gefertigt. Bei der Zugfestigkeit gibt es keinen Unterschied zu Elffach. Durch das neue Zahnprofil und die präzisere Abstimmung der Komponenten aufeinander konnten wir im Labor sogar eine achtmal längere Lebensdauer feststellen, als bei den Vorgänger-Parts.
Gibt es Einschränkungen, oder lassen sich die neuen Eagle-Gruppen an alle Elffach-kompatiblen Schnittstellen nachrüsten?
Die Kassette passt auf unsere bisherigen XD-Freilaufkörper, und auch an der Kettenlinie hat sich nichts verändert. Der Freigang zur Kettenstrebe kann bei manchen Bikes der limitierende Faktor sein, wenn man ein größeres Kettenblatt fahren möchte.
Womit ist das Plus an Bandbreite vergleichbar? Und muss man dafür nicht größere Gangsprünge in Kauf nehmen?
Unser neues System bietet die gleiche Bandbreite wie ein bestehendes 2x11-System der Konkurrenz, lässt sich über die Kettenblattgrößen aber feiner abstufen. Im Bereich von 10 bis 42 sind die Gangsprünge identisch zu unserer bisherigen Kassette.
Werden die neuen Gruppen teurer und wird 12fach auch bei den unteren Gruppen Einzug erhalten?
Die Preise für die neuen Gruppen werden nur etwa fünf Prozent über den bisherigen Gruppen liegen. Günstigere Gruppen sind denkbar.