Test teuer vs. günstigWas kann der Specialized S-Works Fahrradsattel für 450 Euro?

Marc Strucken

 · 12.09.2025

Specialized hat seinen Sattel S-Works Power Evo Mirror verbessert.
Foto: Marc Strucken
Specialized hat zuletzt den S-Works Power Evo Mirror vorgestellt. Einen Fahrradsattel in Serie aus dem 3D-Drucker für 450 Euro. Aber was kann er besser als das günstigere Modell für 100 Euro? Wir haben es ausprobiert.

Specialized bringt mit dem S-Works Power Evo Mirror eine Weiterentwicklung seines Power-Sattels auf den Markt. Das neue Modell nutzt die firmeneigene Mirror-Technologie und soll nach Herstellerangaben deutlich weniger Druckbelastung erzeugen als herkömmliche Schaumstoff-Sättel. Die 3D-gedruckte Struktur besteht aus 47.000 Streben und 21.000 Knotenpunkten, die aus einem zu 40 % biobasierten Polymer gefertigt werden.

So weit, so beeindruckend. Diese Mirror-Technologie - klärt Specialized auf - verwendet eine patentierte Wabenmatrix, die aus flüssigem Polymer 3D-gedruckt wird. Diese Konstruktion soll präzise Komfort- und Stützzonenabstimmung ermöglichen, die mit herkömmlichem Schaum nicht erreichbar ist. Auch soll der Cutout neu konzipiert worden sein. Diese Konstruktion eliminiere druckerzeugende Kanten des vorherigen Designs. Das war unser Hauptkritikpunkt am Phenom: Nach mehr als 2 Stunden drückten die Kanten des Cutouts immens in den Damm.

Erste und fast wichtigste Neuerung: Die harte Kante vom Cutout ist eingeebnet worden!Foto: Marc StruckenErste und fast wichtigste Neuerung: Die harte Kante vom Cutout ist eingeebnet worden!


Weiterentwickelte Sattelform für mehr Bewegungsfreiheit

Der S-Works Power Evo von Specialized behält die 24 cm Länge, die Nase wird um 1 cm breiter.Foto: Marc StruckenDer S-Works Power Evo von Specialized behält die 24 cm Länge, die Nase wird um 1 cm breiter.

Der S-Works Power Evo von Specialized behält die 24 cm Länge des original Power Sattels bei, erhält jedoch eine veränderte Form. Die Nase wird um 1 cm breiter und bietet 19,7 % mehr Mirror-Material für bessere Unterstützung in nach vorne orientierter Fahrposition. Die Wing-Flare-Gestaltung wurde überarbeitet, um Oberschenkel-Beeinträchtigungen zu reduzieren.

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Die Schienen wurden um 2 cm verlängert und bieten jetzt 70 mm Klemmbereich für größere Anpassungsflexibilität. Diese Konstruktion richtet sich an Fahrer/innen, die eine sportliche, nach vorn gerichtete Position bevorzugen. Der Sattel wird in 4 Breiten angeboten: 130 mm, 143 mm, 155 mm und 168 mm.

Laut Hersteller: Die Verbesserungen des S-Works Power Evo Mirror in ZahlenFoto: SpecializedLaut Hersteller: Die Verbesserungen des S-Works Power Evo Mirror in Zahlen

Konstruktion und Materialien

Der Sattel kombiniert eine flex-abgestimmte Carbonschale mit 7x9 mm Carbon-Schienen. Das Mirror-System nutzt das erwähnte 40 % biobasierte Material, das haltbarer und weniger feuchtigkeitsabsorbierend sein soll. Die 143-mm-Variante erreicht ein Gewicht von 221 g. Wir haben den 155er-Sattel getestet, der 227 g auf unserer Waage wiegt. Preis: 449 Euro.

Der Günstige: Specialized Power Comp

Der Günstige(re): Specialized Power Comp Fahrradsattel. Kann er im Vergleich mithalten?Foto: Marc StruckenDer Günstige(re): Specialized Power Comp Fahrradsattel. Kann er im Vergleich mithalten?

​Der Specialized Power Comp Fahrradsattel - ebenfalls im Body-Geometry-Design - wurde sowohl für Frauen wie auch für Männer entwickelt, die maximal effiziente Kraftübertragung und optimale Druckentlastung, selbst in aggressiven Sitzpositionen suchen. Vom Expert Modell unterscheidet er sich nur durch seine Sattelstreben aus Cr-Mo-Stahl. Der Cutout hier ist ebenfalls lang und breit und der Sattel mit mittelhartem PU-Schaum (Level 2) ausgestattet.

Auch hier haben wir den Sattel in Größe 155 mm mit einem Gewicht von 253 Gramm getestet. Zu einem Preis von 99 Euro. Also satten 350 Euro günstiger als der 3D-Druck-Sattel, aber nur rund 25 g schwerer.

​Testduell der Fahrradsättel: S-Works Power Evo Mirror versus Specialized Power Comp

Wie gut ist ein Fahrradsattel für 450 Euro? Sehr gut. Wie viel besser ist er als sein 350 Euro günstiger Kollege aus dem gleichen Haus? Das wollten wir wissen und haben beide Sättel für einige Touren jeweils auf ein Gravelbike (Rocky Mountain Solo), ein XC-MTB (Trek Supercaliber) und sogar ein Touren-E-MTB (Trek Fuel EXe) geklemmt.

Beide Sättel wollen aggressiver gefahren werden, das heißt in einer sportlichen Sitzposition. Das fällt vor allem beim Tourenbike schnell auf, und besonders beim teuren Power Evo Mirror. Hier hat man das Gefühl, “zu viel” Sattel an den Oberschenkelrückseiten zu haben. Es ist nicht unangenehm, aber das können andere Sättel sicher besser. Steigen wir also um auf das Gravelbike.

Hier passt die Sitzposition bei beiden. Nach der ersten Ausfahrt mit mehr als 50 km ist auch bei beiden Fahrradsätteln klar, dass die drückende Kante vom S-Works Phenom passé ist. Es kommt sogar ein wenig Luft durch die Waben des S-Works-Sattel, das große Loch im günstigeren Power Comp lässt aber mehr Luft zirkulieren.

Hier gibt es noch ein richtiges Cutout, aber auch dessen Ränder sind rund und weich.Foto: Marc StruckenHier gibt es noch ein richtiges Cutout, aber auch dessen Ränder sind rund und weich.

Die zentrale Frage: Nutzt die Wabenstruktur gegen Druckspitzen?

Auf dem Gravelbike fahre ich meist in einer eher konstanten Sitzposition, trete ruhig und bewältige eher längere, dafür moderate Steigungen. Hier kann der teure Power Evo-Sattel seine Stärken für meine Begriffe ausspielen. Der Druck verteilt sich gut, die Sitzknochen werden entlastet, ich muss selten mal aus dem Sattel aufstehen und lockern. Der Sattel baut dennoch schnell breit, sodass einige vielleicht dennoch an den Oberschenkelrückseiten das Gefühl haben, dass dort zu viel Sattel dort ist. Dafür ist die Sattelnase breit und gepolstert genug, um dort eine Zeit Platz nehmen zu können und zu treten.

Auf dem XC-Mountainbike sieht die Nutzung anders aus. Hier kommt mir die Polsterung des teuren S-Works weicher vor als beim günstigen Comp-Sattel. Auch bietet Letzterer an steilen, im Sitzen gefahrenen Passagen mehr Abstützung nach hinten. Das Heck des Power Comp ist leicht hoch gebogen - der S-Works-Sattel ist gerader. Auch die gerade Nase des S-Works beim Tragen weniger angenehm auf der Schulter. Beim Sitzen ist sie allerdings durch die flache Oberseite klar im Vorteil.

Besser fürs MTB: Der günstigere Sattel fühlt sich etwas straffer an, auf dem teuren sitzt man bei konstantem Kontakt besser.Foto: Marc StruckenBesser fürs MTB: Der günstigere Sattel fühlt sich etwas straffer an, auf dem teuren sitzt man bei konstantem Kontakt besser.

BIKE-Fazit

Der teure Specialized S-Works Power Evo Mirror Sattel ist ein Spitzensattel, wenn man nicht zu gerade auf dem Bike sitzt. Er ist für den Einsatz auf dem Rennrad, Gravelbike bis zum Cross-Country-MTB geeignet. Die Wabenstruktur im Cutout hemmt die Lüftung, aber schützt einigermaßen vor Dreck und Wasser.

Aber: Für den immens hohen Preis von 450 Euro bekomme ich nur ein adäquates Sitzerlebnis, wenn ich auch konstant darauf sitze. Wenn die Fahrweise - wie auf dem MTB üblicher - viele Positionswechsel und Gewichtsverlagerungen beinhaltet, lohnen sich die 350 Euro mehr nicht wirklich.

Hier überzeugt im direkten Vergleich der ursprünglich mal 100 Euro teure, heute zu Straßenpreisen von rund 70 Euro gehandelte Specialized Power Comp als sportlicher Sattel mit viel Gegenhalt bei steilen Anstiegen und guter Dämpfung bei genügend Gefühl für den Untergrund.

Was am Specialized S-Works Power Evo Mirror allerdings unbezahlbar ist, ist die Aufmerksamkeit, die er auf sich zieht. Ob im Biergarten, im Freundeskreis oder unter anderen Mitradelnden: Viele wollen wissen, was das für ein Sattel ist - und ob der nur für meinen Popo gestrickt wurde.

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