Adrian Kaether
· 10.02.2023
Ein Sattelstützenkopf mit Schnellverstellung für den Sattelwinkel? Für 200 Euro? Unsere anfängliche Skepsis gegenüber dem Aenomaly Switchgrade löste sich schnell in Wohlgefallen auf. Gerade in steilen Rampen bringt das kleine Bauteil echte Vorteile, entlastet den Rücken und bringt Druck auf das Vorderrad. Ein Gewinn, nicht nur für E-Bikes.
Nicht auf jede Innovation hat die Bike-Welt gerade gewartet. Selbst Scheibenbremsen oder Federgabel – damals schon längst bewährt im Motorrad-Bereich – wurde zunächst Skepsis entgegengebracht. Kein Wunder also, dass auch die Aenomaly Switchgrade sich erst einmal schwer tut. 200 Euro für ein zugegebenermaßen gut verarbeitetes Frästeil, das oben auf die Sattelstütze aufgesetzt wird und mit dem sich der Sattelwinkel schnellverstellen lässt? Wer braucht sowas?
Die Idee dahinter: Die ideale Satteleinstellung hängt auch vom Gelände ab. Bergab dürfte der Sattel wie bei Downhill- und Dirtbikes ruhig etwas nach hinten gekippt sein. Dann rutscht es sich für steile Abfahrten leichter nach hinten vom Sattel und man knallt bergab auch nicht so leicht in die oft scharfe hintere Sattelkante. Im Flachen sitzt man dagegen am besten auf einem völlig waagerechten Sattel und bergauf könnte die Sattelnase für mehr Sitzkomfort auf steilsten Rampen etwas geneigt sein. Interessant ist die Schnellverstellung also gerade für Mountainbikes im alpinen Gelände oder für’s E-MTB. Schließlich sind hier fiese Rampen dank Motorpower eigentlich kein Problem. Doch hat der Switchgrade wirklich das Zeug zu einer Innovation? Oder ist es eher ein Gimmick?
Wer den Aenomaly Switchgrade ausprobieren will, muss zunächst einmal das passende Modell wählen. Fünf Versionen gibt es mittlerweile, damit der Switchgrade auch an jede Sattelstütze passt. Leider ist Bauteil mit 198 oder 206 Euro je nach Version nicht gerade günstig. Mit 192 Gramm fällt der Switchgrade etwas schwerer aus, als ein konventioneller Stützenkopf (ca. 100 Gramm). Außerhalb des Rennsports dürfte das aber vernachlässigbar sein. Der Switchgrade baut kaum auf, die Montage klappt schnell und einfach. Nur könnte der Kopf des Switchgrade etwas schmaler sein, die Sattelrails des Specialized-Modells an unserem Testbike passen nur knapp vorbei. Verstellt wird der Sattelwinkel über den hebelförmigen Fortsatz an der Spitze des Switchgrade. Er entriegelt den Stützenkopf, der dann nach der Verstellung und dem Lösen des Hebels wieder in einer der drei Verstell-Positionen einrastet.
Zumindest bergab kann man geteilter Meinung sein. Klar, der Sattel in Downhill-Position ist ein ganz nettes Feature, bei einer Dropper-Post mit viel Hub kommt man aber auch mit waagrechter Sattelposition nur selten in Bedrängnis. Bergauf dagegen kann der Aenomly Switchgrade klar überzeugen. Selbst an unserem Testbike mit einer modernen Geometrie und relativ steilem Sitzwinkel fällt es mit abgesenkter Sattelnase spürbar leichter, auf fiesen Rampen das Vorderrad im Zaum zu halten. Man sitzt dabei außerdem recht normal auf dem Bike, statt sich wie sonst mit gekrümmtem Rücken über den Lenker zu beugen. Ergonomisch eine klare Verbesserung, vor allem auf besonders steilen Anstiegen. Gerade wer lange Passagen in steilem Terrain erklettert, dürfte auch in puncto Ermüdung deutlich profitieren.
Positiver Nebeneffekt des Switchgrade: Anders als sonst sticht dabei die Sattelnase auch nicht mehr in den Genitalbereich. Allerdings muss es schon richtig steil werden, damit es sich an einem modernen Bike lohnt, die Sattelnase abzusenken. Bewegt man sich bei mittleren Steigungen ist manchmal weder die Standard- noch die Kletter-Einstellung ideal. Hier würde vielleicht eine zweite Uphill- statt der Downhill-Position Sinn ergeben. Auch das Verstellen des Sattelwinkels könnte während der Fahrt könnte noch etwas einfacher sein. Wer den Sattel nicht bewusst entlastet, landet versehentlich immer in der hinteren, der Downhill-Einstellung.
Der Aenomaly Switchgrade ist eine clevere Idee und bringt Vorteile bei der Sitzposition im Uphill, selbst auf Bikes mit moderner Geometrie. Bei älteren Modellen mit zu flachen Sitzwinkeln dürfte der Effekt noch wesentlich angenehmer und auffälliger sein. Die Verstellung während der Fahrt braucht etwas Eingewöhnung. Ansonsten eine klare Empfehlung für alle, die auf steilen Rampen mit einem steigenden Vorderrad oder Rückenproblemen kämpfen. Schick gefertigt, leider aber nicht ganz günstig.