Eigentlich stehe ich ja gar nicht auf den ganzen Elektro-Klimbim am Bike. Meine dezente Abneigung dagegen stammt noch aus den Jahren, als GPS-Computer am Lenker Einzug hielten. Durch meine ausgeprägte Fehlsichtigkeit kann ich solche Gadgets nur mit Brille nutzen. Und meine Brillengläser sind so dick wie Einmachgläser. Zum Biken in rumpeligem Gelände also so gut geeignet wie mundgeblasene Art Deco Gläser zum Marmeladeeinmachen. Daher fahre ich entweder Strecken, die ich kenne, die ausgeschildert sind oder die ich mir durch intensives Kartenstudium einprägen kann. Oder ich klemme mich an Mitfahrer, oder besser Vorfahrer, die ortskundig sind.
Ich hab mir also von früh an angewöhnt, beim Biken ohne elektronische Hilfsmittel auszukommen. E-Fahrwerke jedweder Art halte ich für Technik-Overkill, elektronische Schaltungen für ebenso überflüssig wie elektrische Reifendrucksensoren. Ich verlasse mich auf meinen Popomat, und wenn der Reifen platt ist, dann merke ich das auch ohne Sensor-Schickschnack irgendwann.
Das hat sich grundlegend erst mit dem Einzug des E-Mountainbikes geändert. Mich weiterhin als E-Verweigerer zu bezeichnen, wäre irgendwie absurd, seitdem ich fast ausschließlich E-MTBs fahre. Aber auch beim E-Biken nutze ich eigentlich nur, was unbedingt notwendig ist: den E-Antrieb eben. Ich bin aber niemand, der sich stundenlang durch Apps wühlt, die Motorleistung individualisiert, Leistungsdaten analysiert, die wahrscheinliche Reichweite berechnet oder sonstige Funktionen nutzt.
Kurzum: Selbst am E-Bike ist mir Elektronik meist zu kompliziert, als dass ich mir von ihr helfen lassen wollte. Ich mag es einfach lieber simpel. Und genau das ist der Punkt, wo wir über die Rockshox Reverb AXS sprechen müssen.
Dass eine Teleskopstütze grundsätzlich eine sinnvolle Erfindung ist – ich glaube, darüber muss man sich nicht streiten. Zwar kenne ich immer noch nicht professionell Cross-Country-fahrende Mountainbiker, die sich vollster Überzeugung in Cross-Country-Pose in steilste Abfahrten trauen. Aber ehrlich: Außer bei professionellen Cross-Country-Fahrern frage ich mich jedes Mal: warum eigentlich?
Vielleicht liegt es bei manchen an der kognitiv-motorischen Überforderung, die das Bedienen von Schalt- und Sattelstützen-Panelen mit sich bringen kann. Insbesondere, wenn dann beim E-Mountainbiken noch die Bedienung des U-Stufen-Hebels dazwischen funkt. Beispiel: das ständige Auf- und Ab auf meiner Hausstrecke, den Isartrails. Vor lauter Kurven, Kehren, Anstiegen, Absätzen, Abfahrten und wieder Anstiegen kann man sich da auf den Bedienpanelen für Schaltung, U-Stufe und Telestütze schon mal verirren. Und bremsen muss man ja auch hin und wieder.
Aber Übung macht den Meister. Auch Beethoven spielt man nicht nach der ersten Klavierstunde. Hat man’s erstmal drin, setzt man die Telestütze ganz intuitiv ein, ohne nachzudenken. Auf der anderen Seite habe ich mich über herkömmliche Telestützen auch schon herzhaft geärgert. Knick in der Leitung, Luft im System – lauter so Sachen können einem echt den Nerv rauben. Ganz zu schweigen von der fiddeligen Aufgabe, die auf einen wartet, wenn die Stütze – zum Beispiel für den Transport im Kleinwagen – dann doch mal das Sattelrohr verlassen soll.
Für alle diese Fälle gibt es aber eben: genau, die kabellose Rockshox Reverb AXS. Die Installation ist spielend einfach. Bedienhebel am Lenker befestigen, am besten mit der Matchmaker-Klemme, Sattelstütze ins Sattelrohr stecken, Akku laden, koppeln, fertig. Den Akku-Stand kann man per App checken, oder aber über die Diode am Stützenkopf selbst: grün voll, rot halbvoll, rot blinkend – schleunigst nachladen. Das dauert nur eine Stunde, und dann hält der Akku wieder – je nach Nutzung - rund 40 Stunden. Im Remotehebel sitzt übrigens eine Knopfzelle, die Jahre halten soll. Für alle Fälle gehört ein Ersatz aber für AXS-Besitzer zur Standard-Rucksack-Beladung. Bei mir war bisher nie ein Wechsel nötig. Auch hier kann der Ladestand über eine LED gecheckt werden.
Einschalten muss man die Stütze übrigens nicht – das übernimmt ein Sensor, der merkt, wenn das Bike bewegt wird. So ist ein schonender Umgang mit dem Akku garantiert. Und wenn der Akku doch mal zu Ende ist, bevor der Ausflug abgeschlossen ist? Dann hat man’s verbaselt. Dann muss man gezwungenermaßen das machen, was Unbelehrbare freiwillig machen: steile Abfahrten in Cross-Country-Pose runterzittern. Außer man hat das große AXS-Menü am Bike, mit AXS-Elektroschaltung oder E-Fahrwerk also. Dann kann man die Akkus von Schaltung, Dämpfer und Stütze nach Belieben tauschen.
Ebenfalls praktisch übrigens: Das Sattelgestell wird mit nur einer Schraube festgekrallt. Und wenn die Stütze mal nicht mehr so knackig aus- und einfährt, wie man sich das wünscht, kann man sie ganz einfach über das Ventil am Fuß der Stütze entlüften. Ein Prozedere, dass mich bei Telestützen mit Seilzugmechanik schon an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hat.
Und wie läuft’s mit der AXS auf dem Trail? Prima. Sie funktioniert wie eine analoge Reverb. Stufenlos, geschmeidig. Im Gegensatz zu vielen anderen Telestützen-Modellen funktioniert sie auch bei kalten Temperaturen einwandfrei. An die Haptik des Paddels hat man sich schnell gewöhnt: Das fühlt sich eher an wie eine Spielkonsole. Kein Hebelweg also, bei dem der Daumen immer länger wird und man nie so recht weiß, wann der Auslösepunkt kommt. Man drückt kurz auf das Remote-Paddel, und im Sekundenbruchteil wird der Befehl per Funk an die Stütze übermittelt. Völlig ohne Kraftaufwand, das habe ich bei mechanischen Stützen schon ganz anders erlebt.
Klar, ein paar Nachteile hat die Rockshox Reverb AXS auch: Der Kopf der Sattelstütze fällt wegen der Akku-Aufnahme wuchtig aus, dadurch ist die Überhöhung bei voll eingefahrener Stütze größer als bei herkömmlichen Telestützen. Und Bikepark-Shredder seien gewarnt: Im Schlepplift den Bügel hinter den Sattel klemmen – hei, das kann teuer werden! Außerdem ist die Reverb AXS rund 150 Gramm schwerer als eine analoge Reverb. Hm, und dann wäre eben noch der Preis von fast 900 Euro … Aber mein Auftrag war ja, etwas über mein Lieblings-Fahrradteil zu schreiben. Und nicht über mein Lieblings-Fahrradteil, das ich mir auch leisten würde, wenn ich’s wirklich selber kaufen müsste. Würde ich das?
Für knapp 900 Euro kaufen sich manche Leute ein ganzes Fahrrad. Ich eine Sattelstütze? Um ehrlich zu sein: Ich hab mir noch nie eine Rockshox Reverb AXS gekauft, weil ich die von Berufswegen fahren darf. Wäre das nicht der Fall, wäre die AXS aber das Teil, das ich mir vom Mund absparen würde. Für mich ist das die einzige E-Technik am Bike, auf die ich nur ungern verzichten würde. Na ja, vom Motor natürlich mal abgesehen. – Josh Welz, Chefredakteur EMTB