Peter Nilges
· 14.01.2013
Wenn ein MTB-Reifen wie Kaugummi am Boden klebt und die Kraft aus den Beinen saugt, liegt’s am hohen Rollwiderstand. BIKE-Redakteur Peter Nilges erklärt das Phänomen.
Wer jemals einen weichen, stark dämpfenden Downhill-Mountainbike-Reifen bewegt hat, kann bestätigen, dass der Rollwiderstand ein mächtiger Gegner sein kann, sobald das Gefälle nachlässt. Jeder Tritt verpufft, als würde man über Knete fahren.
Wenn ein Fahrer auf dem Mountainbike sitzt, werden die Reifen am Kontaktpunkt mit dem Boden (Bodenaufstandsfläche) durch die Gewichtskraft eingedrückt. Mit jedem Abrollen eines Reifens geht Energie verloren. Der Verlust entsteht durch die permanente Verformung des Reifens beim Durchlaufen dieser Bodenaufstandsfläche. Dabei wird mechanische Energie in thermische umgewandelt. Wie hoch der Rollwiderstand eines Reifens tatsächlich ist, hängt dabei von mehreren Faktoren ab. Einen MTB-Reifen zu konstruieren, der nur leicht rollt, ist für die meisten Hersteller wie Schwalbe, Continental, Maxxis oder Michelin keine unlösbare Aufgabe. Aber ein niedriger Rollwiderstand ist leider nicht die einzige Anforderung an einen Reifen. Dadurch, dass Brems-, Kurven- und Lenkkräfte übertragen werden müssen, entsteht ein Zielkonflikt. Durch die Reduzierung der Rollreibung um zehn Prozent würde sich auch der Bremsweg unter bestimmten Bedingungen um den gleichen Betrag erhöhen. Ein schlechter Tausch. Der Reifenaufbau entscheidet, ob er leicht und geschmeidig abrollt oder am Boden klebt.
Die Gummimischung von MTB-Reifen macht den Löwenanteil am Rollwiderstand aus. Ein Schwalbe Hans Dampf mit Pace-Star-Gummimischung rollt beispielsweise mit 29,7 Watt. Der gleiche Reifen mit griffigerer Trail-Star-Mischung kommt dagegen auf 41,8 Watt. Satte 29 Prozent Unterschied. Ein Schwalbe Rocket Ron Evolution Addix Speed hat einen Rollwiderstand von 17,2 Watt, derselbe Reifen in der Addix Performance-Variante erreicht 19,6 Watt.
Der Aufbau der Reifen-Karkasse kann den Rollwiderstand um circa zehn Prozent beeinflussen. Eine feine Karkasse mit 127 Ends per Inch (EPI) bzw. Threads per Inch (TPI) ist flexibler als eine grobe 30-EPI-Karkasse. Karkassen mit niedrigen EPI-Werten, d.h. weniger Fäden pro Zoll, kommen eher bei günstigen MTB-Reifen zum Einsatz, da die Herstellung einfacher ist, da weniger Energie zum Verformen benötigt wird.
Je größer das Laufrad, desto leichter rollt es, wie die BIKE-Tests auf dem Rollenprüfstand belegen. D.h. 29er-Reifen grundsätzlich besser als Reifen in 26 Zoll. Bei kleineren MTB-Reifen wirkt sich die Reifenverformung im Verhältnis stärker aus. Der Reifen wird also beim Abrollen unrunder. Nur auf der Rolle oder auf Asphalt sorgt ein hoher Luftdruck im Reifen für weniger Widerstand. Im Gelände ist es umgekehrt. Mit weniger Luftdruck rollt ein Reifen deutlich besser!
Breitere MTB-Reifen rollen besser als schmale. Die Bodenaufstandsfläche ist bei gleichem Luftdruck und Gewichtsbelastung zwar gleich groß, besitzt aber eine andere Form. Beim breiten Reifen (links) ist die Fläche kürzer und damit auch der bremsende Hebelarm. Außerdem federt der schmale Reifen tiefer ein, wodurch mehr Material verformt werden muss.
Das Reifenprofil hat den geringsten Einfluss auf den Rollwiderstand. Vor allem auf glatten Böden rollen grobe Profile mit viel Platz zwischen den Stollen etwas schlechter als Profile mit hohem Positiv-Anteil. D.h. dass man den höheren Rollwiderstand von grobstolligen Reifen beim Pedalieren auf Asphalt deutlicher spürt als er im Gelände ist.
Unten finden Sie ein PDF mit einer Tabelle über verschiedene MTB-Reifenmodelle und deren Rollwiderstand.
Wer tiefer ins Thema Rollwiderstand bei MTB-Reifen einsteigen will, der sollte die Diplomarbeit von BIKE-Testleiter Peter Nilges lesen. Einen Auszug mit dem Titel „Die Wahrheit über den Rollwiderstand“ gibt's hier.