Gravel-ReifenWelche Reifen sind die richtigen fürs Gravelbike?

Robert Kühnen

 · 22.11.2024

Fragen und Antworten zum Thema Gravelreifen
Foto: Markus Greber
Gravelbikes sind sehr vielseitig - ihre Reifen sollten es auch sein. Dabei stellen sich einige Fragen. Welches Profil? Welcher Luftdruck? Welche Breite? Wir haben die wichtigsten Antworten zu Gravel-Reifen.

Wie breit muss ein Gravel-Reifen sein?

Das hängt davon ab, wie der Strecken-Mix aussieht. Bei überwiegender Straßennutzung und Abstechern auf feinen Schotter sind 35 bis 40 mm optimal. Für diese relativ schmalen Gravelreifen sprechen die passable Aerodynamik, das geringe Gewicht und das agile Fahrverhalten, dicht am Rennrad. Sobald es ins ­Gelände geht, gilt: Der breiteste Reifen, der ins Rad passt, ist der beste. Alle Gravelbikes nehmen 40 mm breite Reifen auf, viele auch 45 mm; 50-mm-Pneus passen nur in ausgesuchte Rahmen und Gabeln. Noch breiter bereift rollen manche Adventure-Räder. Die sind zum Teil sogar für richtige Mountainbike-Reifen bis 60 mm Breite ausgelegt (im kleineren Durchmesser-Format 650 B).

Welche Gravel-Reifen sind die schnellsten auf welchem Untergrund?

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Auf Asphalt rollen Reifen am besten, die eine schnelle Gummimischung und wenig bis kein Profil haben. Die schnellsten Gravelreifen sind sehr flott und auf dem Niveau ordentlicher Rennradreifen. Die Breite ist kein bedeutender Faktor, was den Rollwiderstand betrifft. Mit den richtigen Zutaten – schneller Gummi, kurze Stollen – sind auch voluminöse Reifen sehr schnell auf Asphalt, sie fühlen sich aufgrund des höheren Gewichts aber träger an als schmalere Pneus. Auf ruppigem Untergrund rollen die Reifen am besten, die sich am breitbandigsten im Druck anpassen lassen – vor ­allem in Richtung geringen Reifendrucks. Das sind im Zweifel breitere Exemplare, die mit entsprechend niedrigerem Druck gefahren werden können. Weiche Stollen bringen Grip, treiben aber auch im Gelände den Rollwiderstand in die Höhe. Den höchsten Rollwiderstand verursachen aber weiche Böden, da hierbei der Untergrund verformt wird statt des Reifens – der Widerstand steigt dann um das Zehnfache! Die Gummimischung spielt dann kaum mehr eine Rolle. Schmalere Reifen mit offenem Profil sind Spezialisten für Schlamm – der gute alte Cross-Reifen in 33 mm Breite beißt sich durch, ohne aufzuschwimmen.

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Soll ich Gravel-Reifen tubeless oder mit Schlauch fahren?

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Die meisten Gravelreifen sind tubeless-ready, das heißt, dass sie ohne Schlauch und mit Dichtmilch gefahren werden können, sofern die Felge luftdicht verkleidet ist (Tubeless-Felgenband oder geschlossener Felgen­boden). Dann wird ein Tubeless-Ventil mit der Felge verschraubt und los geht’s. Tubeless ist beim Graveln sinnvoll. Zwar wiegt ein TPU-Schlauch auch nicht mehr als die Dichtmilch im Inneren, aber bei großem Reifenvolumen und niedrigem Druck funktioniert Tubeless sehr gut. Weniger Druck, Selbstheilung und geringster Rollwiderstand sprechen für Tubeless. Einziger Nachteil: Die Milch trocknet mit der Zeit ein, man muss sich halbjährlich darum kümmern. Je nach Abdichtung des Reifens kann es auch notwendig sein, zwischen den Fahrten etwas nachzupumpen.

Welchen Reifendruck soll ich bei Gravel-Reifen fahren?

Raues Geläuf: Auf holperigen Pfaden kann der Reifen nicht breit genug zu seinFoto: Robert KühnenRaues Geläuf: Auf holperigen Pfaden kann der Reifen nicht breit genug zu sein

In Gravelreifen gehört weniger Luft, als viele denken. Zwei Bar sind ein guter Richtwert für 45-mm-Pneus in gemischtem Gelände. Nur auf glatter Straße ist mehr Druck besser. Ziel ist immer, den Reifen so einzustellen, dass er so gut wie möglich federt, um sich dem Untergrund anzupassen und Rumpler zu absorbieren – dann rollt er leicht, greift gut und vermittelt den optimalen Komfort. Die untere Druckgrenze wird durch zwei Faktoren bestimmt: die Führungsqualität insbesondere des Vorderrades und die Sicherheit gegen Durchschläge.

Beides hängt von Fahrstil und Fahrergewicht ab – und von der Breite der Felge. Je größer das Felgen­innenmaß, desto weniger Druck benötigt der Reifen, um Lenkbefehle sicher umzusetzen. Wegen der vielen Faktoren empfiehlt sich eine individuelle Abstimmung durch Fahrversuche auf Asphalt. Der Druck wird so lange gesenkt – in Zehntel-Bar-Schritten –, bis der Reifen bei aggressivem Einlenken teigig reagiert. Dann stellt man den Druck ein bis zwei Zehntel-Bar höher ein. Eine innovative Methode, immer den richtigen Luftdruck zu fahren, war bei der Gravel-WM zu beobachten: Marianne Vos, Siegerin bei den Frauen, fuhr das Gravaa-System, bei dem der Reifendruck während der Fahrt anpassbar ist. Vos konnte damit vor ­ihrem Antritt per Knopfdruck ihre Reifen straffen.

Welches Reifenprofil braucht ein Gravel-Reifen?

Schlammbad: In flachem Terrain ist Matsch kein Problem, bergauf ist grobes Profil gefordertFoto: Robert KühnenSchlammbad: In flachem Terrain ist Matsch kein Problem, bergauf ist grobes Profil gefordert

Das Reifenprofil gewinnt an Bedeutung, wenn der Boden lose oder weich ist. Kommt überwiegend Asphalt und feiner Schotter unter die Gummis, reichen Slicks im Prinzip aus. Ein besserer Kompromiss sind aber niedrig bzw. fein profilierte Reifen oder Schulterstollen-Slicks, die zumindest in Schräglage zubeißen können. Diese Reifen sind der Immer-drauf-Kompromiss für alle, die gemischtes Terrain fahren und möglichst schnell unterwegs sein wollen.

Wird der Boden tiefer, kommen diese Reifen aber ans Limit und bieten keinen Halt. Wer nur ab und zu solche Passagen vor dem Lenker hat, läuft dann einfach ein paar Meter. Wer alles fahrend meistern will, auch Schlamm, braucht vor allem bergauf ein gröberes und tieferes Profil, das aber auf harten Böden stets mehr Rollwiderstand verursacht. In welche Richtung man den Stollenkompromiss dreht, ist also eine Geschmacksfrage. Einen Reifen, der alles optimal kann, gibt es nicht.

Neben dem Reifendruck und dem Profil entscheidet vor allem die Beschaffenheit des Untergrunds darüber, wie leicht das Gravelbike rollt; der Wechsel von Asphalt auf feinen Schotter verlangt bei gleichem Tempo überschaubare rund 13 Watt mehr; eine weiche Wiese hingegen fordert die rund zehnfache Leistung!Foto: TOURNeben dem Reifendruck und dem Profil entscheidet vor allem die Beschaffenheit des Untergrunds darüber, wie leicht das Gravelbike rollt; der Wechsel von Asphalt auf feinen Schotter verlangt bei gleichem Tempo überschaubare rund 13 Watt mehr; eine weiche Wiese hingegen fordert die rund zehnfache Leistung!

Welche Rolle spielt Aerodynamik bei Gravel-Reifen?

In Rennen auf jeden Fall. Die Gravel-WM der Elite-­Männer wurde mit einem 39er-Schnitt gefahren – auf überwiegend ziemlich glattem Untergrund. Das ist ein Tempo, bei dem die Aerodynamik den Fahrwiderstand mit großem Abstand dominiert. Auch bei langsameren Rennen ist die Aerodynamik ein Faktor. Die Stirnfläche des Reifens und auch sein Profil sind aerodynamisch wirksam. Bis zu einer Breite von 38 mm lässt sich das nach unseren Messungen im Windkanal gut kaschieren, die Werte sind nicht weit weg von Rennradbereifung. Deshalb ist dieses Format im Renneinsatz die bevorzugte Breite.

Bei dickeren Schlappen zieht der Luft­widerstand an. Stollen sind aerodynamisch auch von Nachteil. Jüngste Bemühungen der Industrie zielen darauf ab, mit extrabreiten Felgen auch dicken Reifen eine gute Aero-­Performance anzuerziehen, die Entwicklung ist hier sichtbar noch nicht am Ende. Wer nur zum Spaß rast, ist vom Luftwiderstand auch betroffen, aber so heiß wie im Rennsport ist das Thema natürlich nicht, wenn es keinen Gegner gibt.



Wie pannensicher sind Reifen fürs Gravelbike?

Gravelreifen im Tubeless-Setup vertragen einiges. Im Vergleich zu Mountainbikes ist das Tempo auf rauen Pisten stärker limitiert, da meist keine Federung an Bord ist. Das senkt zugleich auch den Stress für Reifen. Selbst auf grenz­wertig grobem Schotter überleben zarte Gravelreifen bei entsprechend angepasstem Tempo. Kleinere Defekte dichtet die Milch ab. Dass Steine durch die Lauffläche Löcher schlagen, ist ein kinetisches Phänomen und hängt von der Schärfe des Gesteins und dem Tempo ab. Zunehmende Lecks, die an der austretenden Dichtmilch gut zu erkennen sind, mahnen zu langsamerer Fahrt oder empfehlen einen stärker gepanzerten Reifen – das gleiche Spiel wie beim Mountainbiken. Auch die zarten Reifenwände bekommen bei gemäßigter Fahrweise nach unserer Erfahrung wenig Beschädigungen ab.

Welche Felgeninnenweite ist gut beim Graveln?

Als neuer Standard für Gravelreifen bzw. ­-felgen gilt derzeit eine Innenweite von 25 mm, aber zu Ende ist die Entwicklung in diesem Punkt nicht. Je größer das Innenmaß der ­Felge, desto besser wird der Reifen abgestützt. Zipp baut bereits Felgen mit bis zu 32 mm ­Innenweite, um Gravelreifen aerodynamisch optimal in das Laufrad einzubinden. Am anderen Ende des Spektrums liegen traditionelle Felgen mit nur 19 mm Innenweite. Die tatsächliche Breite des Reifens hängt daher davon ab, auf welchem Laufrad der Reifen montiert ist. Die Nennbreite, die auf dem Reifen steht, kann auf breiten Felgen um mehrere Millimeter überschritten werden.

Welchen Einfluss hat ein neuer Reifen auf das Fahrverhalten meines Gravelbikes?

Das Einlenkverhalten hängt von Aufbau und Formgebung des Reifens ab und kann sehr verschieden ausfallen. Das Reifenformat hat auch Einfluss auf die Lenkgeometrie. Besonders spürbar ist das, wenn im Gravelrad auch schlankere Straßenbereifung gefahren wird. Beim Wechsel von 45 mm auf 32 mm breite Reifen schrumpft der Nachlauf um 6 mm, das Rad fährt sich entsprechend agiler – was eher dem Einsatz auf der Straße entgegenkommt.

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