Schon gefahren! Der neue Bosch-Motor

Markus Greber

 · 17.06.2019

Schon gefahren! Der neue Bosch-MotorFoto: Markus Greber
Schon gefahren! Der neue Bosch-Motor

Der Performance CX Gen4 ist da – das Warten hat ein Ende! Bosch hat die vierte Generation seines E-Bike-Antriebs vorgestellt. Wir konnten den neuen Bosch-Motor ausgiebig begutachten und testen.

Der Performance CX ist tot, es lebe der Performance CX. Mit einem Paukenschlag lüftet Bosch das Geheimnis, dass gerüchteweise schon seit einigen Wochen durchs Internet geisterte. Um es besonders spannend zu machen, ließen die Reutlinger sogar einen Countdown bis zum Ende des Embargos auf Facebook laufen. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die Generation 4 ist da, der neue E-Bike-Motor von Bosch. Fünf Jahre lang wurde die erfolgreiche „Generation 2“-Version des Performance CX in technisch unveränderter Form tausendfach verbaut und ebnete sportlichen E-MTBs überhaupt erst den Weg. Die neue „Generation 4”-Variante soll an die Erfolgsgeschichte anknüpfen und neue Maßstäbe in Sachen Performance setzen.

  Drei Jahre Entwicklungszeit: Bosch ebike Systems CEO Claus Fleischer und Cheftester Stefan Schlie präsentieren stolz ihr neues Baby.Foto: Markus Greber
Drei Jahre Entwicklungszeit: Bosch ebike Systems CEO Claus Fleischer und Cheftester Stefan Schlie präsentieren stolz ihr neues Baby.
Foto: Markus Greber

Wir konnten den neuen E-Antrieb im Rahmen einer exklusiven Präsentation mit Bosch Ebike Systems-Chef Claus Fleischer und Cheftester Stefan Schlie bereits ausgiebig begutachten und testen.

Kleiner und leichter – der Bosch Performance CX in 2020er-Bikes

Schon auf den ersten Blick fällt die deutlich schlankere und kompaktere Bauform des neuen Bosch CX-Antriebs auf. 50 Prozent weniger Volumen soll er im Vergleich zum Vorgänger aufweisen, die Fläche der seitlichen Silhouette schrumpft um satte 25 Prozent. Hinter dem Tretlager, und das ist die erste bahnbrechende Neuerung, hat Bosch eine Menge Material eingespart. So bleibt für die Bike-Konstrukteure endlich genug Spielraum, um kompakte Geometrien mit kurzen Kettenstreben zu verwirklichen. Noch eindrucksvoller als die Abmessungen ist die Gewichtsersparnis, die Bosch mit der Generation 4 hinbekommt: 2,9 Kilo wiegt das Aggregat, damit ist es ein ganzes Kilo leichter als der Vorgänger. Mit diesen Werten, Gewicht wie Größe, liegt der neue Bosch nun ziemlich genau auf Niveau des Shimano Steps E8000. Unterm Strich dürfen wir uns bei der kommenden E-MTB-Generation für 2020 auf deutlich leichtere Bosch-Bikes mit kurzen, sportlichen Geometrien freuen.

  Coole Optik: Der kompakte Motor glänzt mit schicken, seitlichen Kühlrippen. Leider wird er von den meisten Herstellern verkleidet.Foto: Markus Greber
Coole Optik: Der kompakte Motor glänzt mit schicken, seitlichen Kühlrippen. Leider wird er von den meisten Herstellern verkleidet.

Kein vorgeschaltetes Getriebe, kein innerer Widerstand

Ein kleiner Teil der satten Gewichtsersparnis der vierten CX-Generation kommt durch den Einsatz von verschiedenen Leichtbaumaterialien im Inneren des Motors. Der Löwenanteil kommt jedoch durch den Wegfall des internen 2,5-fach-Getriebes zwischen Kurbel und Kettenblatt zu Stande, den man brauchte, um das kleine Ritzel mit 2,5facher Geschwindigkeit anzutreiben. In dieses Getriebe hatte Bosch die Steuerungssensoren des CX integriert – bei damaligem Stand der Technik Mittel der Wahl. Jetzt nehmen sogenannte „hochauflösende“ Sensoren für Drehmoment, Kadenz und Beschleunigung die Informationen berührungslos an der Tretlagerachse ab und machen die Übersetzung überflüssig.
Vorteil dieser 1:1-Übersetzung ist allerdings nicht nur das eingesparte Gewicht, sondern vor allem der minimierte innere Widerstand. Während man bei der vorigen Generation über 25 km/h oder bei ausgeschaltetem Motor die fünf vorgeschalteten Ritzel mittreten musste, bewegt man bei Generation 4 nur noch – wie beim klassischen Bike – die Tretlagerachse. Zudem entfallen Verluste durch den ungünstigen, engen Umschlingungswinkel des kleinen Antriebsritzels mit meist 16 Zähnen. Und auch der übermäßige Verschleiß des kleinen Ritzels ist Geschichte.

  Generationswechsel: Drei E-Bike-Antriebsgenerationen im direkten Vergleich. Unten: der Performance CX Gen2 ist ein Kilo schwerer und deutlich größer als sein Nachfolger (Mitte). Foto: Markus Greber
Generationswechsel: Drei E-Bike-Antriebsgenerationen im direkten Vergleich. Unten: der Performance CX Gen2 ist ein Kilo schwerer und deutlich größer als sein Nachfolger (Mitte). 

Die Fakten zum Bosch Performance CX Gen4

  • Gewicht: 2,9 Kilo, rund ein Kilo weniger als der Vorgänger
  • Deutlich kompakter als der Vorgänger
  • Neuer Powertube-Akku mit 625 Wattstunden
  • Das interne 2,5fach-Getriebe entfällt, dadurch kein kleines Antriebsritzel mehr
  • Keine neuen Displays und Bedieneinheiten (Kiox und Purion stehen zur Wahl)

„Hochauflösende“ Sensorik bringt bessere Dosierbarkeit

Das geringe Gewicht, die kompakte Baugröße, die direkte Übersetzung: all diese technischen Fortschritte waren bei einem Modellwechsel nach fünf Jahren zu erwarten. Damit liegt Bosch nun etwa gleichauf mit der Konkurrenz von Shimano, dessen Steps 8000-Motor diese Werte vor zwei Jahren vorgelegt hatte. Doch noch wichtiger für die Performance eines Motors sind die inneren Werte wie Ansprechverhalten, Dosierbarkeit und Dynamik. Kurz: Wie reagiert der Motor auf den Pedaldruck des Piloten? Hier haben sich Ingenieure, Testfahrer und vor allem der Chef selbst über Jahre den Kopf zerbrochen. Und so steckt im Inneren des Bosch-Aggregats geballte Messtechnik: Hochauflösende Sensoren für Drehzahl, Drehmoment, und Beschleunigung messen 1000 Mal pro Sekunde die über das Pedal eingebrachten Momente, und lesen die Wünsche des Piloten sozusagen aus dem Pedaldruck ab. Zusätzlich registriert ein Neigungssensor, wie steil das Bike zum Hang steht. All diese Informationen verarbeitet der Prozessor in der Blackbox des E-Motors und stellt die jeweils passende Charakteristik zur Verfügung.

  Kompakt und leicht: Mit 2,9 Kilo ist der neue Bosch Performance CX Gen4 konkurrenzfähig.Foto: Markus Greber
Kompakt und leicht: Mit 2,9 Kilo ist der neue Bosch Performance CX Gen4 konkurrenzfähig.

Maximale Power über dem Vorgängermodell

Auch an der Power haben die Bosch-Ingenieure gefeilt. So soll der neue Performance CX-Antrieb mit 340 statt 300 Prozent unterstützen. Das bedeutet: Bei einer Tretleistung von 100 Watt gibt der Motor im Turbomodus 340 Watt hinzu. Auch die maximale Power soll sich jetzt im Bereich von etwa 600 Watt bewegen. Das wären 20 bis 40 Watt mehr als beim Vorgänger. Den Drehmoment gibt Bosch mit 75 Newtonmetern an, also genauso wie beim vorherigen Modell.

  Je steiler, desto geiler: Stefan Schlie und Claus Fleischer in ihrem Element.Foto: Markus Greber
Je steiler, desto geiler: Stefan Schlie und Claus Fleischer in ihrem Element.

Mehr Reichhöhe durch neuen Bosch-Akku

Auch bei der Stromversorgung gibt es von Bosch Neues zu vermelden. Flaggschiff ist eine neu entwickelte Powertube-Batterie mit 625 Wattstunden. Der Akku ist für die integrierte Nutzung entwickelt. Er besitzt die gleiche bewährte Form wie die 500-Wattstunden-Powertube-Version, mit der Bosch den Bike-Herstellern bereits seit zwei Jahren eine recht schlanke Integration ermöglicht. Allerdings fällt die neue 625er-Version etwas länger und natürlich schwerer aus. Insgesamt bietet Bosch für den sportlichen Bereich drei Akkuversionen an: Die beiden integrierten Powertube-Akkus mit 625 bzw. 500 Wattstunden sowie den bewährten Aufsatzakku mit 500 Wattstunden. Die Möglichkeit der Stromversorgung von Fremdherstellern ist nach wie vor ausgeschlossen. Die Gewichte der Akkus im Überblick: Powertube 625: 3525 Gramm, Powertube 500: 2880 Gramm, Aufsatzakku 500: 2580 Gramm.

Schlechte Nachrichten für E-Bike-Tuner

Traditionell war Bosch immer federführend, wenn es um den Kampf gegen E-Bike-Tuning ging – zu viel steht für den gesamten Sport auf dem Spiel, wenn es ein Leichtes ist, die Systeme nach oben zu öffnen. „Ich bin gerne Spielverderber, damit das Spiel noch lange weitergeht“, so das Motto von CEO Claus Fleischer. Jetzt lässt Fleischer Taten folgen. Eine spezielle Software erkennt nach einer gewissen Zeit, wenn das System getuned ist und regelt die Leistung dann in einen Notfallmodus zurück. Der Biker kann das System in den Normalzustand zurückversetzen, indem er weitere 90 Minuten im reduzierten Modus fährt. Diagnostiziert die Software dann allerdings erneut eine Manipulation am E-Motor, hilft nur noch das Diagnosetool beim Händler. Nach drei „Tuning“-Versuchen ist jedoch auch hier Schluß und der Motor ist irreparabel. Die goldenen Zeiten von Bad Ass Kit & Co. dürften damit vorbei sein.

  Bei Bosch testet der Chef selbst: CEO Claus Fleischer mit Cheftester Stefan Schlie.Foto: Markus Greber
Bei Bosch testet der Chef selbst: CEO Claus Fleischer mit Cheftester Stefan Schlie.

Bosch mit Fox: Das elektronische Fahrwerk für E-MTBs kommt

Es liegt auf der Hand, die ohnehin vorhandene Batterie über den eigentlichen Zweck hinaus für weitere Integrationen wie beispielsweise die Beleuchtung zu nutzen. Mit der neuen Performance CX-Generation ebnet Bosch zusammen mit Fahrwerkshersteller Fox den Weg für die Integration des Fox Live Valve an E-Mountainbikes. Die Sensorik des automatischen, elektronischen Fahrwerks sitzt im rechten Gabelholm, ermittelt 1000 Mal pro Sekunde die Bodenbeschaffenheit und passt die Dämpfung von Federgabel und Dämpfer entsprechend an. Über das Bosch Kiox-Display und den Unterstützungsstufenschalter lässt sich das System steuern. Fünf Einstellungen von soft bis hart sind möglich, ein Automatikmodus erkennt bestimmte Fahrzustände und regelt die Druckstufendämpfung der Gabel selbstständig. Die Extra-Akkus entfallen, denn die Energie kommt vom Bosch-System.

  Kooperation mit Fox: Das E-Live-Valve lässt sich über das Bosch-Display steuern.Foto: Markus Greber
Kooperation mit Fox: Das E-Live-Valve lässt sich über das Bosch-Display steuern.

Erster Test: So fährt sich der Bosch Performance CX Gen 4

Steile Stufen, rutschige Schotterreisen, Haarnadelkurven – besser kann ein Testparcour nicht sein. Ein anspruchsvoller, technischer Singletrail in der Zugspitzarena diente uns zwei Tage lang als Parcours, um Boschs neue Motoren-Generation ausgiebig zu testen. Verbaut war der Motor in einem ungelabelten All-Mountain-Bike mit integrierter 625er-Powertube-Batterie, sowie in einem Bosch-eigenen Testbike mit externem 500 Wattstunden-Akku.

  Schick und leistungsstark: Ein noch ungelabeltes E-MTB stand uns zum Testen zur Verfügung.Foto: Markus Greber
Schick und leistungsstark: Ein noch ungelabeltes E-MTB stand uns zum Testen zur Verfügung.

Den Einstieg markiert ein verschlungener Waldpfad: nicht allzu steil, aber mit ein paar engen Kurven und einigen kurzen, wurzeldurchsetzten Rampen. Ich schalte gleich in den Turbo-Modus, dem kritischsten aller Modi. Der ist beim aktuellen CX-Antrieb eher etwas rau, ungestüm und ruckelig. Jetzt spüre ich von diesem ruppigen Charakter nichts mehr. Der Motor schiebt zwar mit gewohntem Druck an, setzt aber viel sanfter ein und reagiert sofort wieder auf nachlassenden Pedaldruck. Ich schalte in einen dicken Gang und simuliere Schaltfaulheit. Kurve für Kurve kriecht das E-Bike den Trail hoch. Absichtlich versuche ich das Nachdosieren mit der Bremse zu vermeiden. Alleine die Beine dosieren jetzt den Schub. Ich zirkle extrem untertourig durch die engen Kehren. Das hätte früher so nicht funktioniert. Jetzt eine wurzeldurchsetzte Stufe. Ich hebe den Hintern aus dem Sattel, beuge mich tief über den Lenker und trete rein was das Zeug hält. Der satte Boost hebt mich ohne Traktionsverlust ein Stockwerk höher, Chapeau!

Der Trail zweigt auf einen flachen Schotterweg ab. Ich gehe aus dem Sattel und beschleunige, immer noch im Turbo-Modus. Das hat der Bosch-Motor früher nie gemocht. Er hätte das quittiert mit einem unangenehmen, fast eiernden Fahrverhalten. Jetzt fühlt es sich so an, als würde ich mit einem unmotorisierten Bike, aber mit zehn Mal so viel Kraft in den Beinen sprinten. Dieser Motor setzt eins zu eins um, was ich ihm abfordere. Ohne Ruckeln, ohne Verzögerungen und ohne das Gefühl, eine Maschine zu bedienen. Es ist, als würde das Bike von sich auch auf den Felsklotz, die Schotterpassage, die rutschige Wurzel vor mir reagieren und ich frage mich nicht nur einmal: Woher weiß es das?

  Praxistest in der Zugspitzarena: Rutschige Schotterreisen meistert die neue Bosch-Generation spielend.Foto: Markus Greber
Praxistest in der Zugspitzarena: Rutschige Schotterreisen meistert die neue Bosch-Generation spielend.
  Setzt eine neue Benchmark in Sachen Dosierung und Kraftübertragung: der Bosch Performance CX im EMTB-Praxistest. Foto: Markus Greber
Setzt eine neue Benchmark in Sachen Dosierung und Kraftübertragung: der Bosch Performance CX im EMTB-Praxistest. 

In der Ebene teste ich das Ausfaden. Das Gefühl von früher, gegen eine Wand zu fahren, ist komplett passé. Dass die Motorleistung ab 25 km/h aussetzt, fällt kaum auf. Ich trete frei wie mit anderen, in dieser Disziplin führenden Motoren. Und allen, die behauptet haben – der innere Widerstand beim Performance CX sei nur Einbildung – sei an dieser Stelle geraten, sich mit der Generation 4 eines Besseren belehren zu lassen. Und zu guter Letzt: Der neue Bosch ist nach unserem ersten Eindruck etwas leiser geworden. An den Flüsterton eines Brose kommt er deutlich nicht heran - aber im Vergleich zum Vorgänger, so meinen wir, ohne beide Modelle im 1:1-Vergleich gefahren zu sein, eine Verbesserung erkannt zu haben.

Fazit: Der neue Bosch Perfomance CX Gen4 setzt in Sachen Fahrperformance, Dosierbarkeit und Fahrradfeeling eine neue Benchmark. Bleibt abzuwarten, wie sich der leichte E-Bike-Motor in Sachen Standfestigkeit und Reichweite schlägt. Die Ergebnisse hierzu werden die EMTB-Prüfstände liefern, auf denen sich der neue E-Antrieb in diesen Tagen beweisen muss. Alle Testergebnisse lesen Sie in der EMTB-Ausgabe 3/19, ab 6. August am Kiosk!

Unbekanntes Element