Jan Timmermann
· 22.01.2024
Seitdem Mountainbikes für den Enduro- oder Traileinsatz immer besser werden, sind auch für weniger Geübte immer radikalere Abfahrten drin. Das Problem: Die Technik mag besser geworden sein, der menschliche Körper ist aber noch derselbe. So klagen viele Hobby-Biker schon nach einer langen Trailabfahrt über schmerzende Hände.
Doch auch die Profis des Enduro-Worldcups bleiben nicht verschont. Selbst, wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht und sich einen starken Oberkörper herantrainiert haben, so werden sie trotzdem von Armpump heimgesucht. Es scheint, als seien Hände und Unterarme nicht für diese Art der Belastung gemacht.
Rev Grips aus den USA wollen den Konflikt auflösen und verbauen ein einzigartiges Federungssystem in ihre Griffe. Bei konventionellen Griffen dämpfen die oberflächlichen Kunststoffstrukturen kleinere Dämpfungsaufgaben, wie etwa Form und Mischung der Gummilamellen. Die Amerikaner von Rev Grips setzen tatsächlich auf zusätzlich bewegliche Griffe. Ob sie den stolzen Preis von 99 Euro wert sind? Wir haben es herausgefunden.
Details zu den Rev Grips Pro-Series Griffen
Beim Biken bewegen sich die Hände auf den Griffen kontinuierlich. Auch mit dem festesten Griff, der nebenbei die Unterarme sehr schnell ermüden lässt, kommt es zu Bewegung im Zusammenspiel von Handfläche und Griff. Wer viel MTB fährt, entwickelt deshalb trotz guter Handschuhe nicht selten Hornhaut im Griffbereich. Die Bewegung der Hand auf dem Griff ist zudem einer der Gründe, warum diese auf langen Abfahrten früher oder später müde wird. Überbeanspruchte Hände und Arme führen nicht nur zu Schmerzen, auch die muskuläre Leistung lässt nach. Revolution Suspension Grips hat sich deshalb ein System ausgedacht, bei dem sich die Grifffläche zusammen mit der Hand bewegen kann. Von den Vorteilen ist das kleine Unternehmen sogar so überzeugt, dass sie eine 30-tägige Geld-Zurück-Garantie auf ihre gefederten Griffe anbieten.
Übrigens: Die Rev Grips kommen auch in der Formel Eins zum Einsatz. In der Boxengasse sitzen sie zum Beispiel auf den Griffen von Wagenhebern, um den Stoß abzudämpfen und Techniker zu schützen, wenn das Rennauto hinauf fährt. Doch zurück zum Mountainbike. Tatsächlich hat die Grifffläche der Rev Grips gar keinen direkten Kontakt zum Lenker. Zwischen der Innenseite des Griffs und dem Lenker befindet sich ein rund drei Millimeter großer Luftspalt. Anders als bei normalen MTB-Griffen beherbergen die Revolution Suspension Grips also keinen durchgehenden Kern, sondern sind nur an ihren Enden “gelagert”. Dort sitzt der Griff in einer Elastomer-Aufhängung, welche in die Schraubklemmung der Griffe integriert ist. Der Gummiring, in dem der Griff schwimmend sitzt, besitzt Begrenzungen, welche die Rotationsgröße limitieren. Um das Griffgefühl und die Dämpfungsfunktion in fünf Stufen feintunen zu können, werden zwischen Elastomer und Grifffläche dünne Spacer verbaut werden.
Fast alle Teile werden bei Rev Grips inhouse produziert. Die Griffe sind “made in the USA”, können über das Dresdner Label Sour Bikes aber auch in Deutschland bezogen werden. Damit die gefederten Griffe perfekt zu Bike und Händen passen, bietet Rev Grips sie in vier verschiedenen Größen und mit sieben Farboptionen beim Griffgummi sowie neun Farben bei den Klemmringen an. Im Lieferumfang enthalten sind Barends aus Aluminium. Alle Einzelteile lassen sich separat austauschen.
Bevor es auf den Trail geht, heißt es bei den Rev Grips erst einmal basteln, denn in der Schachtel liegen keine fertig montierten Schraubgriffe, sondern ein kleiner Bausatz. Wie bei den anderen von uns getesteten Flex-Produkten fürs Cockpit auch, tut man bei den Rev Grips gut daran, sich erst einmal die Bedienungsanleitung durchzulesen. Mithilfe dünner Kunststoff-Ringe kann die Rotationswirkung in fünf Schritten von “Firm” bis “Soft” eingestellt werden. Wurden alle Bauteile zusammengesetzt, können die Griffe auf den Lenker geschoben werden. Vor dem Festziehen erfolgt die Montage der mitgelieferten Alu-Barends.
Die im Lieferumfang enthaltenen Barends der Rev Grips wirken optisch wertig, setzen jedoch auf eine fragwürdige Klemm-Technik: Durch Hineindrehen der Schraube weitet sich ein Gummi-Puffer, dessen Ausdehnung für den Halt im Lenkerende sorgen soll. Leider muss die Schraube extrem weit gedreht werden, bis die Klemmkraft ausreicht. Das erfordert starke Hände und etwas Geschick für die richtige Positionierung.
Auch bei der Montage des eigentlichen Griffs stießen wir auf Detailschwächen. Die Schrauben sind extrem filigran und das Alu-Gewinde des Klemmrings ist sehr weich. Während des häufigen Hin-und-Her-Bauens im Testbetrieb gingen gleich zwei Gewinde in die Knie. Leider scheint das kein Einzelfall zu sein und an Gefühl sowie Drehmomentschlüssel führt bei der Montage kein Weg vorbei.
Wir probierten die Montage der Rev Grips Griffe an verschiedenen Standard-Lenkern aus und mussten feststellen, dass das empfohlene Anzugsdrehmoment von umgerechnet 1,7 Newtonmetern kaum ausreicht, um die Griffe sicher an Ort und Stelle zu halten. Dabei verbleibt im Klemmring nur noch ein winziger Spalt, der gerade so sicherstellt, dass dieser den Lenker und nicht nur sich selbst klemmt. Laut Rev Grips sollen Standard-MTB-Lenker im Klemmbereich einen Außendurchmesser von 0,875 Zoll haben. Die Rev Grips sind angeblich zur Klemmung von 0,865 bis 0,880 Zoll freigegeben. Eine robustere Hardware, sprich stabilere Klemmringe und Schrauben, könnte vermutlich Klemm- und Haltbarkeitsprobleme gleichzeitig lösen.
Wir testeten die Rev Grips Feder-Griffe in Größe RG6-Large. In dieser Ausführung fielen die Griffe baulich bedingt bereits sehr dick aus - selbst für unseren Testredakteur mit Handschuhgröße XL-XXL. Fahrer mit kleineren Händen sollten sicherheitshalber eine Größe dünner wählen als gewohnt. Gleichzeitig baut die Länge der Grifffläche eher schmal. Das sehr weiche und klebrige Gummi liegt gut in der Hand und hat - nebenbei und ganz abgesehen von der zusätzlichen Rotations-Funktion - bereits eine bessere Eigendämpfung als die Vielzahl der auf dem Markt verfügbaren Griffe.
Wir testeten die Rev Grips in allen fünf verschiedenen Härte-Einstellungen, kamen jedoch zum Schluss, dass das mittlere Setup in den meisten Situationen am besten passt. Mit normaler Handkraft ist in dieser Einstellung eine Rotation von je 7,5 Grad in beide Richtungen möglich. Insgesamt rotiert der Griff also um 15 Grad um den Lenker - nicht gerade viel.
In den zwei härteren Einstellungen ist von der Wirkung der Griffe kaum noch etwas zu spüren, wenn es auf dem Trail zur Sache geht. In den beiden weicheren Einstellungen gingen uns die Griffe etwas zu schnell durch die Rotation, was für ein etwas entkoppeltes Gefühl am Cockpit sorgte. Auf den ersten Metern mit den Rev Grips ist von dessen Funktion wenig zu spüren. Die Griffe lassen sich durch die bewusste Rotation der Hand in die Bewegung zwingen, auf dem Weg zum Trail zeigt sich der Mehrwert der teuren Gummis erst mal noch nicht.
Wird man auf dem Trail dann ordentlich durchgeschüttelt, ist schnell vergessen, dass die Hände gerade rotierende Griffe greifen. Unten angekommen fühlen sie sich aber merklich entspannter an, denn das System funktioniert! Zusammen mit dem gut gedämpften Gummi sorgt die Rotations-Funktion auf lange Sicht für weniger müde Arme.
Ihre Stärken spielen die Rev Grips vor allem auf ruppigen Trails aus, bei denen es gilt, das Bike fest auf einer Linie zu halten. In Rumpelsektionen kann man dann Fahrwerk und Griffe ihren Job machen lassen, während der eigene Körper weniger Belastungen abbekommt.
Die Kehrseite der Medaille: Vor allem bei aktiver Fahrweise braucht die leichte Bewegung der Griffe Eingewöhnung.. Bei Manuals, Bunnyhops und kräftigen Bremsungen wird der Initial-Impuls durch die federnden Griffe abgedämpft. Zum Glück geschieht dies nur in einem sehr begrenzten Bereich, Unsicherheitsgefühle kommen keine auf. Spätestens nach einem Fahrtag hat sich die Umgewöhnung von konventionellen Griffen voll eingestellt.
Für Biker, die es auf Rumpel-Trails regelmäßig scheppern lassen, kann sich die Anschaffung der Rev Grips lohnen. Hat man sich einmal an die Rotationswirkung der Griffe gewöhnt, schonen sie Hände und Arme vor ermüdenden Stößen. Vor allem an Bikes mit straffen Fahrwerken, die regelmäßig auf ruppigen Pisten unterwegs sind, bringen die weichen Griffe dem Körper etwas Entspannung. Auf Touren in gemäßigtem Gelände ist der Effekt zu schwach. Auch für Jib-Biker sind die Rev Grips nicht die richtigen Griffe. Die weichen Gewinde der Klemmen sind an Griffen für knapp 100 Euro ein No-Go! - Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur
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