Wer hätte es gedacht? Bis auf die zugegebenermaßen zähe Beschleunigung führt kein Weg an Alu vorbei. Die Notizen unserer drei Testfahrer sprechen zumindest beim Fahrgefühl bergab eine eindeutige Sprache zugunsten des wesentlich günstigeren, aber auch deutlich schwereren Referenz-Laufradsatzes mit Alu-Felgen. Gutmütig, fehlerverzeihend und gedämpft lauten die Attribute, die das schwerere Alu-Laufrad im Vergleich zur Carbon-Konkurrenz einheimste. Tatsache allerdings ist, dass die Rennen im Cross-Country nun mal bergauf gewonnen werden. Und hier kommt es auf andere Tugenden an: geringes Gewicht, Steifigkeit, Beschleunigung. Um uns nicht nur auf die umfangreichen Labordaten zu verlassen, sondern auch Fahreindrücke im Gelände zu sammeln, ging es mit sechs Laufradsätzen und drei Testfahrern auf eine aussagekräftige Testrunde.
Ohne die Labordaten in Bezug auf Steifigkeit und Trägheit zu kennen, musste jeder Fahrer seine persönlichen Fahreindrücke notieren und eine Reihenfolge von weich über komfortabel bis steif erstellen. Die Überraschung: Die gewonnenen Praxiseindrücke decken sich nicht zu 100 Prozent mit den ermittelten Seitensteifigkeitswerten. Zwar wurden die steifsten Laufräder recht gut eingegrenzt, bei den weicheren Modellen gab es jedoch Überraschungen. So sind die als sehr gutmütig empfundenen Alu-Räder tatsächlich sehr seitensteif und die im Labor als weich gemessenen Newmen-Laufräder mit Carbon-Speichen wurden auf dem Trail von keinem Fahrer als schwammig oder unpräzise empfunden. Die gemessene Seitensteifigkeit spiegelt also nur einen Teil des Fahrgefühls wider. Und auch die vertikale Nachgiebigkeit scheidet als Kerngröße aus.
Selbst bei einer Last von 200 Kilo gibt ein Laufrad gerade mal im Ein-Millimeter-Bereich nach. Die Unterschiede untereinander sind vernachlässigbar. Und doch gibt es spürbare Eigenheiten im Fahrgefühl. Im Gelände scheinen also weitere Faktoren maßgeblichen Einfluss zu haben. So können sich Felgen- und Speichenmaterial auf die Dämpfung und das Schwingungsverhalten auswirken und im Gesamtaufbau ein zum Beispiel gutmütiges oder sogar steifes, unnachgiebiges Verhalten bewirken. Um diesen Effekt abzubilden, fließt auch das Fahrgefühl zu 20 Prozent in die Endnote mit ein. Dennoch bleibt die Seitensteifigkeit ein wichtiges Indiz, das je nach Fahrergewicht nicht zu vernachlässigen ist. Denn was für einen 65-Kilo-Fahrer passt, muss nicht auch für den 95-Kilo-Biker gelten.
Neue Materialien wie der Einsatz von Carbon- oder Textilspeichen sorgen selbst in Verbindung mit breiten Felgen für Rekordgewichte von deutlich unter 1200 Gramm. Das sorgt für eine Top-Beschleunigung. Den größten Einfluss beim Antritt hat aber immer noch der Reifen. - Peter Nilges, BIKE-Testleiter
Um der Qualität eines Laufrades auf den Grund zu gehen, setzt BIKE auf umfangreiche Labortests. Ob das Zusammenspiel der gewonnenen Daten passt und damit das Fahrgefühl, zeigt unser Popometer im Praxistest.
Ohne die Laborwerte (Steifigkeit, Gewicht, Trägheit) zu kennen, fuhren drei erfahrene Tester alle Laufräder mit Einheitsreifen und identischen Luftdrücken auf einem selektiven Rundkurs. Die gewonnenen Fahreindrücke zum Fahrkomfort, zur Präzision und zum allgemeinen Handling flossen zu 20 Prozent in die Endnote ein. Überraschend: Die Seitensteifigkeit allein schlägt sich nicht immer im Fahreindruck nieder
Bei dem von BIKE im Newmen-Testlabor durchgeführten Schlagtest trifft ein 7,5 Kilo schwerer, runder Kunststoffzylinder einseitig im 20-Grad-Winkel auf ein Felgenhorn. Es wird jeweils das hintere Laufrad getestet, das an der Nabe fixiert wird. Jeder neue Schlag trifft auf eine intakte Stelle auf der Felge. Die Schlagenergie/-höhe wird ausgehend von 3,09 Joule bis zum Defekt gesteigert. Welchen extremen Einfluss der Einsatz von wenigen Gramm Carbon mehr hat, zeigt unsere Referenz-Carbon-Felge (Newmen Phase Base), die 93 Gramm mehr als die Light-Version wiegt. Sie hält, genau wie die extrem stabile DT-Felge, fast die fünffache Schlagintensität der Newmen-Light-Felge bis zum Bruch aus. Das Bild unten zeigt das Schadensbild bei Fallhöhe sieben bei unserer Referenz-Alu-Felge und der Bike Ahead-Carbon-Felge.
Für einen explosiven Antritt und effizientes Klettern ist nicht nur ein geringes Gewicht, sondern auch die Verteilung der Masse von entscheidender Bedeutung. Je weiter das Gewicht von der Nabe entfernt ist, desto größer ist der Einfluss auf das Beschleunigungsverhalten. Auf unserem Prüfstand (Bild 1) können wir die tatsächliche Trägheit eines Laufradsatzes exakt bestimmen. Die beiden leichtesten Laufradsätze von Newmen und Pi Rope bleiben unter 1200 Gramm und kommen mühelos in Schwung. Die Bike Ahead-Laufräder mit breiter Felge lassen sich rund 20 Prozent schlechter beschleunigen. Beim Alu-Referenzsatz sind es 35 Prozent Differenz. In Kombination mit einem aufgezogenen Reifen relativiert sich der Unterschied zwischen den Laufradsätzen wieder. Durch die weit außen liegende Masse des Reifens (z. B. 715 Gramm XC-Reifen) schmilzt der Abstand zwischen Pi Rope und Bike Ahead auf sieben Prozent.
Um zu überprüfen, wie sich ein Alu-Laufrad und eine schwerere Carbon-Felge schlagen, haben wir zwei Referenz-Laufräder mit in den Test gepackt. Der Newmen-Beskar-Light-Laufradsatz wiegt 1680 Gramm und verfügt über Alu-Felgen, die ebenfalls eine Maulweite von 30 Millimetern besitzen. Im Vergleich zum leichtesten Laufradsatz in diesem Test bringen die Alu-Räder damit mehr als 500 Gramm zusätzlich auf die Waage, kosten dafür aber auch nur 680 Euro.
Im Antritt macht sich die um bis zu 35 Prozent höhere Trägheit deutlich bemerkbar. Bei der Seitensteifigkeit erzielen die Alu-Laufräder den zweithöchsten Wert hinter den Roval-Control-SL-Laufrädern. Das Fahrgefühl zwischen diesen beiden Laufrädern unterscheidet sich dennoch grundlegend. Beim Crashtest schlagen sich die Alu-Laufräder bestens. Bei Fallhöhe acht, wo bereits vier Carbon-Felgen brechen, gibt es eine gut sichtbare Beule. Bei größeren Fallhöhen nehmen die Größe der Beule und die Verformung des gesamten Felgenbetts zu. Die um 93 Gramm schwerere Carbon-Felge sorgt für eine im Vergleich zur Newmen-Phase-Light-Felge um 20 Prozent höhere Trägheit. Die Seitensteifigkeit des Laufrades nimmt aufgrund der schweren Felge um 15 Prozent zu. Die größte Überraschung zeigt jedoch der Schlagtest: Die schwerere Felge hält die fünffache Schlagenergie aus.