Henri Lesewitz
· 21.10.2023
Als Sram im Frühjahr diesen Jahres den neuen Transmission-Antrieb präsentierte, war das ein kleines Beben. Irgendwie alles wie bei der Vorgänger-Schaltung Eagle AXS. Funkübertragung, 1x12, Bandbreite. Und trotzdem war es die radikale Neuerfindung der Schaltung. Das Transmission-Schaltwerk wird nicht mehr über ein extra Schaltauge, sondern über einen UDH-Link direkt mit dem Rahmen verschraubt. Die Abstufung des Ritzels ist feiner. Zudem versprach Sram eine Schalt-Performance auf völlig neuem Niveau sowie eine maximale Langlebigkeit der Komponenten. Gerade der letztgenannte Punkt ist für Biker, die mit der Edelvariante XX SL liebäugeln, von größtem Interesse. Schließlich kostet alleine das Ritzelpaket unglaubliche 720 Euro. Die Kette schlägt mit 180 Euro zu Buche. Beträge, die keiner aller paar Monate investieren will. Hält die Transmission SL XX einem Hardcore-Einsatz über viele Monate stand? Um das herauszufinden, haben wir den Antrieb eine Saison lang auf das Äußerste gefordert.
Die erste große Bewährungsprobe musste die Sram XX SL Transmission noch vor der offiziellen Markteinführung bestehen. Ich, der BIKE-Reporter, hatte eine Testgruppe ergattet. Um herauszufinden, ob der Marketingtext der Presse-Info der Realität standhält, meldete ich mich für das härteste Rennen an, was zu dieser Zeit stattfand. Zum berühmt-berüchtigten 24 h in the Old Pueblo in Tucson/Arizona. Das Rennen zählt zu den ältesten 24-Stunden-Rennen der Welt und bot beste Bedingungen für einen geballten Hardcore-Test: Einen staubigen Wüstenkurs, der mit einem endlosen Ensemble an Kurzanstiegen höchste Anforderungen an die Schaltungen stellt.
Knapp 300 Kilometer kamen in den 24 Stunden zusammen. Mein Fazit: Der Funktionsunterschied zur klassischen Eagle AXS war nicht allzu groß. Bei harten Schaltvorgängen aber, wie sie in stressigen Rennsituationen oder bei plötzlichen Hindernissen vorkommen, wechselte die Kette spürbar softer die Gänge. Kein Krachen, wie man es sonst gewohnt ist. Und damit auch keine Angst, die Kette könnte reißen. Bis auf ein vorübergehendes Kettenspringen, dessen Ursache offenbar der feine, in die Kettenglieder gekrochene Wüstenstaub war, funktionierte alles souverän. Nach Reinigung der Kette lief alles wieder perfekt. Auch die Verschleißspuren an der filigran gearbeitete, gefräste Kassette aus gehärtetem Stahl (Gang 4 bis 12) und spezialbeschichtetem Alu (Gang 1 bis 3) hielten sich in Grenzen. Bis auf winzige, oberflächliche Kerben hatte der Renneinsatz keine Spuren hinterlassen. Erstaunlich.
Auch im anschließenden Alltags-Betrieb zeigte sich der Antrieb unauffällig. Kurze, schnelle Feierabend-Runden wechselten sich mit Tagestouren ab. Dazwischen ging es hin und wieder in den Bikepark. Die neuen Schalt-Pods erwiesen sich dabei als angenehm. Sie sehen etwas klobig aus, sind aber intuitiver zu bedienen als die älteren Schaltwippen. Positiv war auch die Akku-Leistung des Schaltwerks. Einmal aufgeladen war Biken über Wochen möglich. Gelegentliches Reinigen und Ölen, das war alles, was ich neben dem Laden des Akkus tun musste. Die XX SL Transmission-Komponenten erwiesen sich in dieser Testphase als widerstandsfähig und zuverlässig. Aber würde das so bleiben? Denn nun stand die ultimative Härteprobe an. Für die Transmission. Aber auch für mich.
Die Maxxis BIKE Transalp zählt zu den härtesten Mountainbike-Rennen der Welt. Das Rennen, das 1998 Premiere feierte, hatte einen gigantischen Marathon-Boom ausgelöst und gilt als Mutter der Etappenrennen. Nun also die 25. Austragung, die ich zusammen mit meinem Kumpel Tino fahren wollte, der schon bei der Erstaustragung 1998 mein Team-Partner gewesen ist. Schon die nüchternen Streckendaten ließen erahnen, dass es eine Härteprobe nach allen Regeln der Kunst werden würde. 500 Kilometer und 17500 Höhenmeter von Nauders am Reschenpass nach Riva am Gardasee, portioniert auf sieben höllisch schwere Etappen.
Das Scott Spark mit der Sram XX Eagle Transmission war das perfekte Bike für diese Ausdauerprüfung. Leicht, aber stabil genug. Mit einer versenkbaren Sattelstütze, griffigen Reifen und zwei Flaschenhalter-Positionen. Mit voll ausgeladenen Akkus für das Schaltwerk und die funkgesteuerte Rockshox-Telestütze ging es an den Start. An dem Bike war noch alles original. Die Kette, die Kassette, das Kettenblatt. Mal sehen, ob das am Ende des Rennens auch noch so sein würde.
Tino und ich hatten uns vorgenommen, die Etappen im entspannten Modus anzugehen. Das kann man aber vergessen, wenn der eigene Körper aus Rennsport-Atomen besteht und man eine Startnummer am Lenker hat. Forschen Tempos ging es in den ersten Anstieg, der mal gemäßigt, dann mal wieder steil in Richtung Himmel führte. Beim permanenten Hoch- und Runterschalten spielten die neuen, ergonomisch perfekten Pods ihre Stärke aus. Ohne Gesuche trafen die Daumen in jeder Situation den Impulsgeber. Links wie rechts. Denn in dem bergab technischen Gelände gab es für die mit dem linken Shifter angesteuerte Telestütze einiges zu tun. Wegducken, ausfahren, wieder wegducken. So viel musste die Stütze noch nie arbeiten.
Die Schaltung funktionierte ohne Rasseln und Krachen. Beim Dahinrasen in den Flachpassagen fiel aber ein Mahlgeräusch auf, das ich vorher noch nie gehört hatte. Es musste irgendwas mit der Position des Schaltkäfigs zu tun haben. Es war kein lautes, zur Besorgnis mahnendes Störgeräusch. Nur ein permanentes, sonores Mahlen. Sobald ich einen Gang raufschaltete, war es weg.
Also nach der zweiten Etappe ab in die Expo-Area, die einem VIP-Bereich glich. Jeder Teilnehmer bekam bei Bedarf technischen Support. Geradezu paradiesisch hatten es Teilnehmer, die mit einem Scott-Bike fuhren und die am Scott-Stand das Komplettprogramm bekamen. Man musste sein von der Etappe versifftes Bike nur bei der Service-Crew abgeben und bekam es eine Stunde später wieder. Gewienert und gecheckt. Mit frisch geölter Kette. Und allem Pipapo. Der Mechaniker erkannte sofort, woher das Mahlen stammte. Der Schaltungskäfig stand im größten Gang zu nah an den Kettenstreben, so dass die Kette schliff. Das lag, so der Fachmann, aber nicht an der Belastung der BIKE Transalp, sondern an einer nicht ganz korrekten Grundeinstellung bei der Erstmontage. Mit wenigen Handgriffen war das Problem gelöst. Kein Geräusch mehr. Nur herrliche Stille beim Treten. Perfekt.
Das Rennen forderte das Material aufs Äußerste. Die Strecke war ein Mix aus allem, was Mountainbiken ausmacht. Lange Anstiege. Verwinkelte Trails. Highspeed-Abfahrten. Schotter, Wurzen. Waldboden, auch ein bisschen Asphalt. Die Bremsbeläge waren nach der vierten Etappe runtergeschmirgelt. Der Antrieb aber blieb von den Bedingungen unbeeindruckt. Auch die Kontroll-LED des Schaltungs-Akkus leuchtete bis zum Ende des Rennens grün. Ein Nachladen war nicht nötig.
Nach einer technisch äußerst anspruchsvollen siebenten Etappe mit ruppigsten Trails und tückischen Downhill-Passagen erreichen Tino und das Ziel in Riva. Zermürbt und glücklich, so wie 1998 schon. Ein vollkommener Moment. Für das Erinnerungsfoto recken wir die Bikes, die uns treu über die 500 Kilometer getragen haben, in die Höhe. Wieder daheim, schaue ich mir die einzelnen Komponenten der XX SL Eagle Transmission genauer an.
Das Schaltwerk sieht mitgenommen aus, was aber in erster Linie am noch ungewaschenen Zustand liegt. Technisch ist noch alles einwandfrei. Nichts ist ausgeschlagen. Nichts klappert. Nichts geht schwergängig. Nichts ist verbogen. Einzig ein paar oberflächliche Kratzer im Aluminium erzählen vom harten Einsatz der vergangen Monate. Praktisch: Sram bietet Teile wie das äußere Parallelogramm zum Austausch an. Wer Wert auf eine tadellose Optik legt, kann zerkratzte Teile einfach wechseln.
Das Magic Wheel des Schaltwerks ist eine exklusive Besonderheit der XX SL-Version. Der äußere Kunststoffring ist schwimmend auf dem eigentlichen Alu-Röllchen gelagert. Verklemmt sich ein Stock oder Ast im Röllchen, dreht sich der äußere Zahnring auf der blockierten Rolle weiter. Das schützt den teuren Carbon-Käfig vor Beschädigung.
Auch nach 3000 Kilometern und mit dem Dreck der BIKE Transalp funktioniert das Magic Wheel noch, wie ein Test beweist. Staub und Matsch haben den äußeren Zahnring nicht verklebt oder schwergängig gemacht.
Die Schaltungsrollen verfügen über gut gedichtete, leicht laufende Lager. Der Check zeigt, dass sie noch immer butterweich laufen. Auch Korrosion ist kein Thema. Korrodierte, rau laufende Lager sind bei Schaltrollen oft ein Problem. Der Austausch kann ins Geld gehen. Knapp 90 Euro kostet ein Austausch-Set für die Eagle-Topgruppen. Gut, wenn die Rollen langlebig sind.
Verblüffend! Die filigrane XX SL-Kassette hat bei dem Hardcore-Einsatz nur geringe Spuren davongetragen. Den unteren neun Ritzeln aus gehärteten Stahl hat der Dauereinsatz so gut wie nichts ausgemacht. Und auch die großen Ritzel aus Alu geben kaum Hinweise auf die 3000 gefahrenen Kilometer. Das hätten wir so nicht erwartet. Besonders bei den Alu-Ritzeln hätten wir mit starken Gebrauchsspuren bis hin zu Schaltkerben gerechnet. Die Kassette mit der gleichmäßigen Abstufung überzeugt auf ganzer Linie. 720 Euro bleiben dennoch ein Preis jenseits von Gut und Böse.
Die UDH-Aufnahme macht den Transmission-Antrieb für Besitzer älterer Bikes mit konventionellem Schaltauge uninteressant. Hat das Bike aber einen UDH-Link, empfiehlt sich Transmission. Das Schaltwerk sitzt bombenfest und der Abstand von Käfig zur Kassette ist immer optimal. Auch der Akku überzeugte. Er hielt lange durch. Mehrere Wochen ohne Nachladen sind kein Problem. Einmal war der Akku leer, da ich das Laden vertrödelt hatte. Zum Glück hat die Rockshox-Stütze den gleichen Akku, so dass ich den ans Schaltwerk klippen konnte.
Kein Schmodder, keine Feuchtigkeit: Die Kontakte blieben trotz zahlreicher Fahrten bei Regen und im Schlamm sauber. Gut so. Wenn die Kontakte korrodieren würden, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die Schaltung zickt.
Die Flattop-Kette mit den ausgefrästen Laschen ist voll auf Leichtbau getrimmt. Sie bekam regelmäßige, aber keine übertriebene Pflege. Nach der BIKE Transalp saß sie noch straff auf dem Antrieb. Ein Austausch ist trotz 3000 absolvierten Kilometern noch nicht nötig. Das ist gut, denn die Kette schlägt mit irrwitzigen 180 Euro zu Buche. Auch das Kettenblatt mit den speziellen T-Type-Zähnen, die nur der Transmission-Linie vorbehalten ist, zeigt noch keinen echten Verschleiß.
Die hohlen Carbon-Kurbeln der XX SL-Linie repräsentieren das technisch Machbare. Sie sind leicht und steif. Kratzfest sind sie nicht, weswegen sie mit Gummischutz-Kappen ausgeliefert werden. Diese sollte man drauf lassen und nicht, wie unser Tester, der cleaneren Optik wegen entfernen. Macken sind in dem Fall vorprogrammiert.
Die klassische XX AXS-Gruppe verfügt über Schaltwippen, die nicht Jedermanns Sache sind. Die neuen Pods sehen deutlich klobiger aus, sind aber von der Haptik her nahe an klassischen Schalthebeln. Bei unserem Test überzeugten die Shifter rundum. Die Knopfzellen halten lange und mussten nicht gewechselt werden. Man kann die Pods in jeder gewünschten Position am Lenker justierten. Und die Belegung der Tasten lässt sich per AXS-APP nach den eigenen Vorlieben gestalten.
Die zwölf Ritzel sitzen nah beieinander. Dreck setzte sich dennoch nicht so fest, dass die Funktion beeinträchtigt wurde. Das Foto zeigt, wie gleichmäßig die Ritzel abgestuft sind. Bei den klassischen Eagle-Kassetten ist der Sprung von vorletzten in den letzten Gang enorm. Was ein Schwachpunkt der älteren Kassetten ist.
Nach vielen weiteren Touren und einigen Bikepark-Besuchen, neigt sich die Saison nun dem Ende zu. Als Tester bin ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht, dass die SL XX Eagle Transmission so unbeeindruckt von meinen Dauertest blieb, der mich Hektoliter an Schweiß gekostet hat. Als Biker jedoch bin ich begeistert von der Qualität der Komponenten. Das hätte ich so nicht erwartet.
Dass die Eagle-Antriebe enorm haltbar sind, weiß ich aus jahrelanger, eigener Erfahrung. Ich bin mit ihnen schon viele tausend Kilometer gefahren, fast immer ohne Probleme. Bei XX SL Eagle Transmission aber war ich skeptisch. Wegen der filigran gearbeiteten Kassette und der ausgefrästen Kette. Und auch wegen Gimmicks wie dem schwimmend gelagerten Magic Wheel. Besonders bei der Kassette hätte ich bei dem Hardcore-Einsatz deutliche Gebrauchs- und Verschleißspuren erwartet. Dass der Antrieb nach knapp 3000 Kilometern noch wie am ersten Tag funktioniert, beeindruckt mich.