Shimano GRX Di2Das 12. Ritzel ist da - die Gravel-Schaltgruppe im Fahrtest

Viel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegt
Foto: Jens Klötzer
Shimano legt nach und beschert den GRX-Komponenten ein 12. Ritzel - wie Sram dies schon eine Weile hat. Die elektronische Shimano GRX Di2 Schaltgruppe soll vor allem anspruchsvolle Fahrer/innen von Gravelbikes ansprechen. Ob es sich lohnt umzusteigen, haben wir herausgefunden.

Das neue GRX Di2 Modell von Shimano macht technisch und funktional viele Sachen richtig. Jedoch bringt es keine neuen Innovationen für das Gravelbike mit, die von einem High-End-Produkt erwartet werden könnten. Das begrenzte Sortiment an Übersetzungen ist auf den Massenmarkt ausgerichtet und passt somit nicht zu der wachsenden Vielfalt der Gravelfahrrad-Welt. Insbesondere dass keine Option für nur ein Kettenblatt vorhanden ist, könnte potentielle Käufer abschrecken.


Hintergrundinformationen zur Shimano GRX Di2

Im Jahr 2019 hatte Shimano mit der 11-fachen GRX-Gruppe einen sofortigen Erfolg. Die erste speziell für Gravelbikes hergestellte Schaltgruppe war eine sichere Wahl für alle, die ein neues Geländefahrrad ausrüsten wollten. Kunden und Hersteller vertrauten darauf, dass das Unternehmen, mit seiner langjährigen Expertise in Mountainbike- und Rennradschaltungen, das Beste aus beiden Bereich kombinieren und die gewohnte Shimano-Qualität liefern würde. So fand sich die Gruppe in verschiedensten Qualitätsstufen an Serienrädern. Egal ob als Einsteiger-Version mit nur zehn mechanisch betätigten Gängen oder mit Oberklasse-Flair als 2x11-Elektroschaltung: Die passenden Shimano-Komponenten für das Gravelbike waren dabei besonders gefragt.

Obwohl die meisten Käufer zufrieden waren, stellte Shimano sein Angebot hauptsächlich auf günstige und mittlere Preisklassen aus. Anspruchsvollere Gravelfahrer/innen, die nach etwas Besonderem suchten, könnten daher enttäuscht gewesen sein. Sram nutzte bei seiner fast zeitgleich vorgestellten AXS direkt 12 statt 11 Ritzel und ließ Shimano damit schon nach der Vorstellung hinter sich zurück. Die "XPLR"-Modelle der Rennrad-Gruppen bieten interessante Optionen mit einem einzelnen Kettenblatt und Kassetten, die Ritzelgrößen wie bei Mountainbikes haben.

Meistgelesene Artikel

1

2

3



Die Konkurrenz: Sram und Campagnolo

Mit Antrieben ohne Umwerfer wurde Sram besonders populär und erreichte mit hochpreisigen Fahrrädern eine beachtliche Marktpräsenz. Campagnolo präsentierte 2020 die Ekar Schaltgruppe, die mit 13 Ritzeln das derzeit umfassendste Einfach-Getriebe für das Gelände bietet. Hinsichtlich der 1x11-Gruppe war die GRX von Shimano ein eher schlechter Kompromiss; und nahezu unbrauchbar ist die preiswerte 1x10 Schaltung im Gelände, da die Übersetzungsbandbreite zu schmal war. Mit Campagnolo und Sram können deutlich leichtere (wenn auch teurere) Räder gebaut werden. Ein kompetitives High-End-Produkt für hochwertige Gravelbikes fehlt den Japanern bisher in ihrem Portfolio.

Und jetzt: Shimano GRX Di2 - hohe Erwartungen

Ritzel mit maximal 36 Zähnen schafft das GRX- Di2-Schaltwerk. Der Betrieb mit nur einem Kettenblatt ist damit keine OptionFoto: Jens KlötzerRitzel mit maximal 36 Zähnen schafft das GRX- Di2-Schaltwerk. Der Betrieb mit nur einem Kettenblatt ist damit keine Option

Niemand hätte erwartet, dass eine Neuauflage der Shimano GRX Schaltung die bestehende Ordnung komplett umstürzen würde, da die Japaner meist eher konservative Strategien verfolgen. Trotzdem waren die Erwartungen an eine Aktualisierung der GRX Di2 recht hoch - nicht zuletzt, weil das Update der mechanischen GRX im vergangenen Sommer eher zurückhaltend und wenig atemberaubend ausgefallen war. Parallel zur mechanischen 105-Straßengruppe erhielt sie zwar ein zusätzliches zwölftes Ritzel, ein neues Schaltwerk und leicht modifizierte Schaltgriffe, aber sie blieb insgesamt weitgehend unverändert. Sie kann theoretisch als 1x12-Antrieb mit Komponenten aus dem Mountainbike-Bereich konfiguriert werden, aber es gibt in der entsprechenden XT-Gruppe nur zwei Ritzeloptionen (10 ‐45 und 10 ‐51), die aufgrund des kleineren Anfangsritzels einen Microspline-Freilauf benötigen. Dieser ist jedoch nur für wenige Rennrad- bzw. Gravelbike-Laufräder verfügbar, was die Konfiguration ziemlich komplex macht.

Die Gravelschaltung Shimano GRX Di2 im Test

Kraftvoll und feinfühlig: Die unveränderten Bremsen sind nach wie vor top, mit dem passenden Rad sind auch 180‑Millimeter-Scheiben möglichFoto: Jens KlötzerKraftvoll und feinfühlig: Die unveränderten Bremsen sind nach wie vor top, mit dem passenden Rad sind auch 180‑Millimeter-Scheiben möglich

Bereits ein erster Blick auf das neue Gravel-Topmodell des Branchenführers offenbart, dass das Update der Elektronikgruppe GRX Di2 lediglich ein behutsames Facelift von Shimano darstellt. Es übernimmt die Brems- und Antriebssysteme der mechanischen Version, wobei nur die Schaltbremshebel, der Umwerfer und das Schaltwerk wirklich neu sind. Die Änderungen an diesen Elementen sind jedoch eher gering, aber dazu später mehr.

In der Praxis lässt die Funktionalität der Gruppe kaum Raum für Kritik. Die Griffe sind nun, wie bei den neueren Rennradgruppen, drahtlos mit den Schaltkomponenten verbunden, wobei Shimano eine Batterielebensdauer von bis zu vier Jahren verspricht. Form und Befestigung wurden leicht angepasst, um besser zu den typischen, ausgestellten Lenkerenden von Gravelbikes zu passen. Dies sorgt für einen ergonomischeren Übergang zum Lenker und lässt die Bremshebel weniger zur Seite stehen. Ansonsten sind die Kontaktpunkte größtenteils unverändert geblieben.

Haptik an den Kontaktpunkten

Viel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegtFoto: Jens KlötzerViel Auflagefläche, guter Halt: Shimanos GRX-Hebel sind aufs Geländeradeln ausgelegt

Das ansprechende Design der Schaltgriffe ist nach wie vor unübertroffen, insbesondere wenn die Hände auf den Griffkörpern liegen. Die Handauflage ist groß und rutschfest; der kleine, steil aufstehende Griff am vorderen Ende bietet guten Halt. Die Griffe sind zudem sehr schlank, damit auch kleinere Hände sie gut greifen können, besonders bei ruppiger Fahrt. Die Finger finden auch auf den Bremshebeln eine breite Auflagefläche. Durch den hohen Ansatzpunkt des Bremshebels und die "Servo Wave" genannte Bremskraftunterstützung ist auch in steilen Abfahrten kein Wechsel zum Unterlenker nötig, da genügend Bremskraft bereitsteht. Ein frei konfigurierbarer Zusatzknopf, der bisher unter dem Griffgummi versteckt war, wurde nun in Daumennähe auf der Innenseite des Hebels platziert. Dieser ist allerdings etwas schwergängig etwa für eine Schaltfunktion.

Das Schaltenverhalten

Wie erwartet, ist das Schaltverhalten der neuen Shimano GRX Di2 sowohl vorne als auch hinten hervorragend, allerdings arbeitet der Umwerfer ziemlich laut. Das heulende Motorgeräusch erinnert an die frühen Di2-Generationen, während die aktuellen Rennrad-Umwerfer deutlich leiser und optisch unauffälliger sind. Das neue Schaltwerk am Hinterrad arbeitet schnell und präzise. Der bewährte Dämpfer verhindert zuverlässig, dass die Kette bei Erschütterungen klappert. Die Übersetzung mit zwei Kettenblättern vorne und einer 11-36-Kassette – technisch auf dem Niveau von 105 – dürfte für die meisten Anwendungen gut passen. Es sind sowohl Untersetzungsoptionen für Bergfahrten als auch schnelle Gänge vorhanden, und die zwölfstufige Getriebeauslegung ist angenehm fein abgestuft. Wer aber Bikepacking mit Gepäck im alpinen Gelände machen will, wird die ganz leichten Gänge schnell vermissen bei der GRX Di2.

Nur für 2-fach-Kurbeln gemacht

Ohne geht’s nicht: Für die Verwendung mit nur einem Kettenblatt ist die GRX Di2 nicht vorgesehenFoto: Jens KlötzerOhne geht’s nicht: Für die Verwendung mit nur einem Kettenblatt ist die GRX Di2 nicht vorgesehen

Im Gegensatz zur mechanischen Version ist das Schaltwerk nicht dafür ausgelegt, Ritzel mit mehr als 36 Zähnen zu bewältigen. Auch eine Alternative zum Zweifach-Kurbelsatz mit 48/31 Zähnen ist nicht verfügbar. Daher ist der Betrieb mit einem Einfach-Kurbelsatz ohne Umwerfer schlicht bei der neuen GRX Di2 nicht möglich. Es besteht zwar die Option, die etwas sportlicher abgestufte 11-34-Variante aus den Rennradgruppen zu verwenden, aber weitere Alternativen sieht Shimano nicht vor.

Fazit zur neuen Shimano GRX Di2 Gravelbike-Schaltung

Das Fehlen einer Antriebsoption mit einem Kettenblatt könnte Shimano Kunden kosten, denn die einfache Bedienung dieser Antriebe ist für viele Fahrer inzwischen ein wichtiges Kaufkriterium. Auch die Möglichkeiten für breitere Reifen sind dadurch eingeschränkt: Obwohl die maximalen 47 Millimeter für die meisten Schotterfahrer ausreichend sein dürften, könnten diejenigen, die schwereres Gelände und breitere Reifen bevorzugen, gezwungen sein, zur Konkurrenz zu wechseln. Trotzdem ist klar: Die Shimano GRX Di2 wird wieder viele Käufer/innen finden. Insbesondere attraktive Komplettrad-Angebote, die je nach Marke bei etwa 5000 Euro liegen und damit mit Rädern mit Sram Force vergleichbar sind, werden zur Verbreitung der GRX Gravel-Schaltung beitragen. Wer keinen Umwerfer möchten, geht eben zu Sram.

On top: Laufräder und Pedale

Zur Abrundung der Schaltgruppe führt Shimano mit der Zwölffach-Generation der GRX passende Laufräder...Foto: ShimanoZur Abrundung der Schaltgruppe führt Shimano mit der Zwölffach-Generation der GRX passende Laufräder...

Um die GRX-Schaltgruppe zu vervollständigen, fügt Shimano entsprechende Laufräder und SPD-Pedale in sein Sortiment ein. Der RX880-Laufradsatz wird mit 32 Millimeter tiefen Carbonfelgen bei einer Innenbreite von 25 Millimetern geliefert. Reifen von 32 bis 50 Millimetern Breite werden von Shimano empfohlen. Der Hersteller gibt das Gewicht mit etwas unter 1400 Gramm an. Eine Besonderheit ist der schnell austauschbare Freilaufkörper; es gibt sowohl den klassischen HG-Standard als auch einen Microspline-Freilauf, der die Montage von XT-Mountainbike-Kassetten ermöglicht. Der Verkaufspreis beträgt 1649 Euro. Das dazu passende GRX-SPD-Pedal ist keine Neuerung, sondern das Mountainbike-Pedal aus Shimanos XT-Gruppe im passenden Design. Die Pedale wiegen 342 Gramm und kosten 135 Euro.

... und SPD-Pedale ins ProgrammFoto: Shimano... und SPD-Pedale ins Programm

Meistgelesen in der Rubrik Komponenten