Es war schon lange kein Geheimnis mehr, dass der Komponentenhersteller aus Chicago an einer neuen, erstklassigen Schaltgruppe für den Geländeeinsatz arbeitet. Rund um das Unbound-Event, das als inoffizielle Weltmeisterschaft für Gravelbiker gilt, tauchten erste Bilder der Red XPLR AXS auf. Zwei Monate später bestätigt Sram nun offiziell den neuen Antrieb, der als die "fortschrittlichste Gravel-Gruppe" des US-Unternehmens bezeichnet wird. Dies ist möglich durch eine Kombination von Straßen- und MTB-Antriebssystemen.
Durch eine Mischung aus Straßen- und MTB-Antriebssystemen bietet die neue Schaltgruppe verschiedene Vorteile. Die aktualisierte Version der nahezu gleichnamigen Spitzen-Schaltung Red trägt zur verbesserten Schalt-Performance und beeindruckenden Bremskraft bei, während das robuste Schaltwerk von der Eagle Transmission übernommen wird. Darüber hinaus verwendet die Kassette erstmals 13 Ritzel, was bislang ein einzigartiges Merkmal von Campagnolos Ekar war.
Das neue Modell bietet im Vergleich zum bisherigen Zwölffach-Getriebe einige Änderungen. Ein zusätzliches Ritzel mit 12 Zähnen ist hinzugekommen, und das größte Ritzel verfügt nun über 46 statt 44 Zähne. Dies führt zu einer um 20 Prozent erweiterten Übersetzungsbandbreite, die größer ist als bei Zweifach-Straßengruppen. Dies gilt trotz des Mono-Kettenblatts, auf das Sram seit der Einführung der XPLR vor drei Jahren setzt. Derzeit bietet Shimano lediglich eine Zweifach-Variante der elektronischen Zwölffach-GRX an, während Campagnolo ihre beiden 1X13-Gruppen ausschließlich in mechanischen Versionen anbietet. Außerdem sind bei der neuen 13-fach-Kassette die drei größten Ritzel aus Aluminium und zur Geräuschminderung werden diese mit Schaumstoff gedämpft.
Insgesamt stehen bei der Red XPLR fünf verschiedene Kettenblätter zur Verfügung, die bei Abnutzung mit einem Spezialwerkzeug abgenommen werden können. Der optional verfügbare Powermeter (560 Euro) muss somit, anders als bei der Red AXS, nicht mit ausgetauscht werden. Allerdings bleiben die Kettenblätter (170 Euro) weiterhin sehr kostspielig. Die Kurbelarme aus Carbon werden von der Straßen-Gruppe übernommen, wobei eine neue, kurze Variante mit 160 Millimetern hinzugekommen ist.
Neben der neuen 13-fach-Kassette stellt das Full-Mount-Schaltwerk das Highlight der neuen Gravel-Gruppe dar. Ähnlich wie bei den neuen MTB-Antrieben hängt dieses nicht mehr an einem Schaltauge, sondern wird stattdessen mit zwei Aluminium-Bügeln direkt an der Steckachse befestigt.
Wie schon von der Sram Eagle Transmission bekannt hat das zwei Vorteile: Die neue Konstruktion macht einerseits die Aufhängung robuster, und ein sogenanntes "Magic Wheel" am unteren Schalträdchen sorgt dafür, dass die Kette in Bewegung bleibt, selbst wenn sich ein kleiner Ast darin verfängt. Andererseits lässt sich das Schaltwerk einfacher und präziser einstellen, ohne dass auf Endanschläge oder den optimalen Abstand zum Ritzelpaket geachtet werden muss. Laut Sram bleibt die Schalt-Performance nach einmaliger Einstellung konstant. Mit etwas Übung sollte das Einstellen etwa zehn Minuten dauern, wobei die hauseigene App den Benutzer durch den Prozess führt.
Sollte bei einem Sturz ein Schaden auftreten, sind Ersatzteile einzeln erhältlich. Das Schaltwerk ist jedoch nur mit Rahmen kompatibel, die über eine UDH-Schnittstelle verfügen. Sram führte diesen Standard 2019 ein, und er findet zunehmend Verbreitung bei Gravelbikes und auch bei Rennrädern.
Die Red XPLR konnte uns in einem ersten Praxistest beim Sram-Entwicklungszentrum in Schweinfurt voll und ganz überzeugen. Die Gänge wechseln schnell und präzise, selbst unter Volllast, auch wenn der Geräuschpegel etwas höher ist als beim Straßenantrieb. Der kleinste Berggang (40-46) war kaum erforderlich, jedoch hätten wir uns bei Abfahrten eine etwas größere Übersetzung gewünscht, was sich jedoch leicht durch ein größeres Kettenblatt anpassen lässt. Die Bremsleistung ist beeindruckend und wirkt auf unebenen Wegen sogar noch besser als auf Asphalt: Die ergonomisch geformten Bremshebel sind leicht erreichbar und ermöglichen es, mit leichtem Fingerdruck eine kräftige Bremsaktion auszulösen.
Die neue Sram Red wiegt 2471 Gramm (gewogenes Gewicht) und ist vorerst nur in der hochpreisigen Spitzenversion erhältlich. Ohne Powermeter kostet sie bereits 3960 Euro. Die Einzelteile sind ebenfalls sehr teuer; die Kassette allein kostet 657 Euro (>> hier erhältlich). Es wird jedoch erwartet, dass die US-Amerikaner die Technologie bald in erschwinglichere Modelle integrieren werden. Nach Informationen unseres Schwester-Magazins TOUR sollen im kommenden Jahr neue XPLR-Varianten von Force und Rival folgen. Sram wollte sich auf Nachfrage hierzu jedoch nicht äußern.
Und das noch dazu: Neben der neuen Schaltung Red XPLR stellt Sram gemeinsam mit seiner Tochtergesellschaft Zipp weitere exklusive Komponenten für das Gavelbike vor. Ein Highlight sind die neuen Carbonlaufräder 303 XPLR. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Hookless-Felge im XXL-Format: Durch die Kombination einer großen Maulweite von 32 Millimetern und einer Felgenhöhe von 54 Millimetern verspricht Zipp "das schnellste Gravel-Laufrad aller Zeiten". Es gibt zwei Versionen zur Auswahl: Die leichtere SW-Variante kostet 1800 Euro und wiegt 1607 Gramm laut unserer Waage; die S-Version kostet 1200 Euro und ist etwa 150 Gramm schwerer.
Das extreme Felgenprofil soll die aerodynamische Leistung bei durchschnittlicher Renngeschwindigkeit um fünf Watt verbessern. Bei höheren Geschwindigkeiten, die im Gelände jedoch seltener vorkommen, profitiert das Laufrad exponentiell und kann bei großen Anströmwinkeln bis zu zehn Watt schneller sein. Voraussetzung dafür ist ein 40 Millimeter breiter Reifen, den Zipp – keine Überraschung – auch ins Sortiment aufgenommen hat.
In Zusammenarbeit mit Goodyear wurde der XPLR Slick (455 Gramm, 90 Euro) entwickelt, der die Felgenform nahezu nahtlos weiterführt und sich aufgrund seiner glatten Lauffläche hauptsächlich für gut gewalzte Schotterwege eignet. Wir testeten den etwas profilierteren und breiteren XPLR Inter (525 Gramm, 90 Euro). Der 45-Millimeter-Reifen rollt gut und sorgt auch auf Asphalt für zügiges Vorankommen. Schnelle Richtungswechsel auf losem Untergrund quittiert der Goodyear jedoch mit geringem Seitenhalt. Da die Laufräder mit verstärktem Felgenhorn einen niedrigen Reifendruck ermöglichen, ist der Federungskomfort sehr gut. Als Faustregel empfiehlt Zipp 0,5 bar weniger im Vergleich zu ähnlichen Kombinationen. Neben den eigenen Reifen sollen zum Marktstart etwa 25 Reifenmodelle mit den neuen Hookless-Felgen kompatibel sein. Eine aktuelle Liste steht auf der Hersteller-Website und in der firmeneigenen App zur Verfügung.