Adrian Kaether
· 17.01.2025
Shimano und Sram legten vor, jetzt zieht Bosch nach. Seit der Eurobike 2024 kann Boschs E-Bike-System auch an sportlichen Bikes mit Kettenschaltung automatisch die Gänge wechseln. Abhängig von Fahrsituation und einer vorher eingestellten Trittfrequenz würde so immer der ideale Gang vorgewählt, so die Entwickler.
Ein System, das klares Potential hat. Wer sich nicht mehr aufs Schalten konzentrieren muss, hat den Kopf frei für andere Sachen. Diese Erfahrung haben wir etwa mit Srams Eagle Powertrain und der Automatik von Shimano im EMTB-Lesertest gemacht.
Weiteres Versprechen: Beim Anhalten plötzlich in einem zu dicken Gang da zu stehen soll mit Automatik-Schaltungen ebenfalls der Vergangenheit angehören. Wir testen, wie gut das Bosch-System funktioniert und geben auch einen Ausblick auf den Vergleich mit Sram und Shimano.
Wie jede Automatik-Schaltung arbeitet auch das Bosch-System mit zwei Komponenten. Auf der Hardware-Seite steht aktuell die gemeinsam mit Bosch neu vorgestellte E.A.S.I.-Schaltung von TRP. Sie arbeitet nach dem Prinzip einer herkömmlichen Kettenschaltung und sortiert zwölf Gänge.
Die Bandbreite liegt - typisch Mountainbike - um 500 %. So stehen sowohl kleine Berggänge als auch große Gänge für schnelle Abfahrten bereit. Damit hebt sich das neue eShift-System von bisherigen Automatik-Schaltungen mit Bosch ab. Die Automatik-Nabenschaltung von Enviolo aus dem Trekking-Bereich bietet beispielsweise eine deutlich geringere Bandbreite.
Der zweite und vielleicht noch wichtigere Teil des Systems ist der Automatik-Algorithmus. Er sitzt in den Steuereinheiten von Bosch und bestimmt, wann welcher Schaltvorgang durchgeführt werden soll. Das klingt erstmal trivial. Tritt man zu schwer, braucht man einen leichteren Gang. Tritt man zu leicht, braucht man einen schwereren.
Was als zu leicht und zu schwer empfunden wird, kann aber je nach Fahrsituation unterschiedlich sein. Wer im Eco-Modus eine steile Rampe in Angriff nimmt, tritt in der Regel schneller als mit hoher Unterstützung und bei gleichmäßiger Fahrt in der Ebene.
Auch sollte das System zwar schnell auf Änderungen in Gefälle und Geschwindigkeit reagieren, aber nicht ständig hin- und herschalten. Sonst nervt’s am Ende mehr, als dass es einen Mehrwert bringt. Wie genau der Algorithmus funktioniert, ist bei Bosch wie bei allen Konkurrenten Firmengeheimnis.
Kompatibel sind prinzipiell alle Bikes mit Boschs Smart System, die Schaltung selbst wird aber aktuell nicht als Nachrüst-Teil verkauft. Theoretisch könnte der Bosch-Algorithmus auch mit Schaltungen anderer Hersteller zusammenarbeiten, aktuell ist dazu jedoch noch nichts bekannt.
Im Rahmen unserer Tests mit dem neuen Bosch Performance CX (hier im Test) konnten wir uns mit einem Prototypen-Bike von Boschs neuer Schaltautomatik und auch dem neuen E-Bike ABS Pro (hier im Test) einen genauen Eindruck verschaffen.
Das Setup der Schaltautomatik ist denkbar einfach. Trittfrequenz einstellen, aufsteigen und losfahren! Ein- und Ausschalten sowie Einstellen lässt sich die Automatik über den zusätzlichen Knopf am Shifter, das E-Bike Menü (Kiox, Purion 200, Purion 400) oder über die Bosch-App eBike Flow.
In der Praxis arbeitet eShift meist unkompliziert und stellt im gleichmäßigen Betrieb zuverlässig sinnvolle Trittfrequenzen ein. So zum Beispiel beim Pendeln oder auf dem Weg zum Trail. Allerdings: Schon hier fällt auf, dass die Gangwechsel der TRP unter Last manchmal etwas hakelig sind. Bei Automatik-Schaltungen ein besonderes Problem, schließlich kann der Fahrer den Schaltvorgang nicht mehr antizipieren und dafür etwas Last aus dem Pedal nehmen.
Leider ist das System selbst mit moderatem Anbremsen für Stopps wie an einer roten Ampel überfordert. Der Schaltvorgang in einen kleinen Gang zum Anfahren wird dann zwar eingeleitet aber nicht abgeschlossen. Fährt man wieder an, quittiert die Schaltung das oftmals mit einem lauten metallischen Klonk, wenn die Kassette durch mehrere Gangwechsel auf einmal malträtiert wird.
Hier dürfte es auch eine Rolle spielen, dass die TRP-Schaltung aktuell noch mit einer klassischen Hyperglide-Kassette zusammenarbeitet. Anders als Shimanos Linkglide oder Srams Transmission-Kassetten ist diese nicht für das Schalten unter Last konzipiert.
Die wenig geschmeidigen Schaltvorgänge mit hoher Motorpower werden Boschs eShift-Schaltung in Kombination mit TRP auch auf dem Trail zum Verhängnis. Hier scheint der Bosch-Algorithmus zwar grundsätzlich gut zu arbeiten.
Das metallische Geräusch, wenn die Kassette mitten im steilen Anstieg mit einem Gangwechsel malträtiert wird, bringt einen aber leicht aus dem Tritt. Von zusätzlichem Komfort durch die Schalt-Automatik kann man hier kaum sprechen. Auch beim Materialverschleiß dürfte sich die Hyperglide bemerkbar machen.
Wie alle Automatik-Schaltungen hat Boschs eShift System außerdem das Problem, dass sie nur reagieren, aber nicht vorausschauen kann. Nimmt man zum Beispiel im Uphill vor einer Geländestufe Tempo auf, schaltet das System viel zu schnell in einen für die Stufe unpassenden, schweren Gang.
Ändert sich das Gefälle plötzlich, reagiert die Automatik oft zu langsam. Für anspruchsvolle Uphills oder stark wechselndes Gefälle würden wir daher in jedem Fall in den manuellen Modus wechseln. Kein exklusives Bosch-Problem, denn auch die Systeme von Sram und Shimano haben in diesem Einsatzszenario systembedingt klare Schwächen.
Lob gibt’s dafür für die Bedienung des eShift-Systems. Die Einstellung der Trittfrequenz ist simpel aufgebaut und in wenigen Sekunden erledigt. Der elektronische Shifter von TRP kommt ohne Kabel aus und überzeugt mit definiertem Feedback und wenig Verwechslungsgefahr bei den Schalthebeln - das war bei anderen Elektro-Shiftern schon deutlich schlechter. Nur der zusätzliche Knopf zum Ein- oder Ausschalten der Automatik könnte noch etwas klareres Feedback geben.
Mit Ergonomie und Interface kann Boschs Automatik punkten, auch der Shifter von TRP ist gelungen. Die aktuell verwendete Hyperglide-Kassette von Shimano verträgt das Schalten unter Last aber nicht gut. Das empfanden wir nicht nur auf dem Trail als störend, sondern die harschen Gangwechsel nervten auch beim Pendeln an jedem Ampelstopp. Hier sollte TRP unbedingt nachbessern, bevor das System auf breiter Front verfügbar ist. - Adrian Kaether, Redaktion Test & Technik