Adrian Kaether
· 18.06.2024
Ob Luft- oder Stahlfeder ist unter Bikern durchaus eine Glaubensfrage. Nüchtern betrachtet: Dämpfer mit Luftfeder sind deutlich leichter und über den Luftdruck und Spacer in Federhärte und Progression besser einstellbar. Stahlfedern sollen noch etwas mehr Sensibilität und konstantere Leistung bringen. Kein Wunder also, dass die meisten Bikes auf Luftdämpfer setzen. Gibt es in der Welt moderner Mountainbikes trotzdem noch einen Platz für die schwere und nur mit hohem Aufwand einstellbare Stahlfeder? Die Antwort hat uns nach den ersten Testkilometern auf dem neuen Vivid Coil selbst überrascht.
Hinter dem Namen Vivid verstecken sich bei Rockshox traditionell die gröbsten und abfahrtsorientiertesten Dämpfer im Line-Up. Erst letztes Jahr präsentierten die Amerikaner nach langer Atempause den neuen Vivid-Dämpfer mit Luftfederung. Jetzt stellt Rockshox dem Gravity-Dämpfer auch noch ein Pendant mit Stahlfeder zur Seite. Der neue Vivid-Coil erbt das Gros der Technik vom bereits bekannten Vivid-Dämpfer. Die Druckstufe, getrennt in High- und Lowspeed wird analog zum Charger-3-Dämpfer von der Mittelposition aus in je zwei Klicks härter oder weicher eingestellt. Die Zugstufe (15 Klicks) trennt nicht nach High- und Lowspeed. Der Zugstufenversteller dient gleichzeitig auch als 3er-Inbus um die nur per Werkzeug verstellbare High-Speed-Druckstufe und den Hydrolic-Bottom-Out (s. u.) zu justieren.
Wie bei jedem Stahlfederdämpfer ist die Progression der Feder selbst nicht einstellbar, die Federhärte kann mithilfe anderer Federn aus dem Zubehör (44 Euro) verstellt werden. Ist die richtige Feder einmal gefunden kann die Federvorspannung über die Rändelschrauben feineingestellt werden. Besonderheit von Rockshox’ Downhill-Dämpfern: Die Endprogression ist über die sogenannte Hydrolic-Bottom-Out-Einstellung ebenfalls verstellbar. Dreht man hier den Versteller in Richtung des Plus-Zeichens, wirkt eine starke Dämpfung in den letzten 20 Prozent des Federwegs, die harte Durchschläge verhindert aber eventuell die Ausnutzung des Federwegs beeinträchtigen kann. Außerdem kommt der Vivid Coil wie der Vivid-Luft-Dämpfer mit der Touch-Down-Technologie. Dabei wird die Dämpfung des Hauptkolbens in den ersten zehn Prozent des Hubs für ein maximal feinfühliges Ansprechverhalten vollständig umgangen.
Zugegeben: Wir waren etwas skeptisch, wie sich das neue Stahlfederwunder von Rockshox in der Praxis schlagen würde. Der Preis fällt mit rund 700 Euro für einen Dämpfer hoch aus, das Gewicht mit über einem Kilogramm ebenso. Das Teil wirkt so martialisch, dass man es sich auch gut im Heck einer Erzberg-Enduro vorstellen könnte. Dazu kommt: Moderne Luftdämpfer sind einfach richtig gut geworden. Kann die klassische Stahlfeder, trotz moderner Technik da überhaupt noch einen draufsetzen?
Die kurze Antwort: Ja, sie kann! In einem Canyon Strive:On CFR konnten wir bereits einige Trails mit dem neuen Vivid Coil unter die Stollen nehmen. Trotz eher straffem Setup begeistert der Vivid Coil im Canyon Heck mit einem supersensiblen Ansprechverhalten und tastet gerade rund um den SAG-Bereich den Untergrund extrem feinfühlig ab. Das bringt dem Canyon eine superstarke Traktion. Die Erfolgsgeschichte setzt sich auch bergab und bei gröberen Schlägen fort - der Dämpfer lässt nie Kontrolle vermissen und bringt dem Bike doch viel Komfort und Fahrsicherheit. Dabei arbeitet die Dämpfung insgesamt recht plüschig - wer die Druckstufenregler deutlich schließt bekommt aber auch einen guten Gegendruck, ohne dass sich der Dämpfer dadurch harsch anfühlt. Kritikpunkte bislang: Fehlanzeige.
Der Vivid Coil Ultimate Dämpfer ist teuer und schwer, gleicht das aber mit fantastischer Performance aus. Starkes Tuning-Teil für Baller-Boliden, bei denen es aufs Gewicht nicht ankommt und die gut mit linear arbeitenden Stahlfeder-Dämpfern harmonieren. - Adrian Kaether, BIKE-Redakteur