Zeitsprung Rockshox SIDVon den ersten Federgabeln zum Technik-Wunder

Jan Timmermann

 · 04.06.2024

Zeitsprung: Rockshox SID
Foto: Rockshox
Ohne Federgabeln wäre der Mountainbike-Sport heute ein ganz anderer. Die erste Rockshox SID kam 1998 auf den Markt. 26 Jahre später steuert das neue Flight-Attendant-System die Einstellungen der SID-Gabel vollautomatisch. Wir haben uns die Historie des legendären Cross-Country-Fahrwerks von Rockshox genauer angesehen.

Als Rockshox kurz vor der Jahrtausendwende die allererste SID Federgabel präsentierte, steckte das Konzept eines gefederten Mountainbikes noch in den Kinderschuhen. Gerade einmal zehn Jahre zuvor, nämlich 1988, hatte Paul Turner gemeinsam mit Keith Bontrager mit der Rockshox ONE die erste Federgabel der Welt in Serie gebracht. Seitdem aber war der Siegeszug von Federung und Dämpfung nicht mehr aufzuhalten.

Die anfängliche Skepsis der Starrgabel-Fans verflog angesichts der gesteigerten Kontrolle und einem Komfort-Plus im Gelände schnell. In den kunterbunten 90ern erreichte die Cross-Country-Disziplin im Aufschwung des Mountainbike-Hypes eine gänzlich neue Ära, welche mit den ersten MTB-Wettkämpfen bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta gipfelte. Rockshox erkannte den Bedarf nach einer leistungsstarken XC-Federgabel und investierte viele Ressourcen, um 1998 die erste SID vorstellen zu können.

Was anschließend geschah, ließt sich wie ein modernes Technologie-Märchen, denn in 26 Jahren wurde unter dem Modellnamen SID eine Innovation nach der nächsten ausgerufen. Die Cross-Country-Federgabeln der Amerikaner begleiteten die rasante Entwicklung der Mountainbike-Technik mit allen Trends bis in die heutige Gegenwart. Unlängst stellte Rockshox der SID das neuste elektronische Flight-Attendant-System zur Seite. Grund genug in die Vergangenheit zu blicken und alt mit neu zu vergleichen.

Die erste Rockshox SID erblickte 1998 das Licht der Welt und bot imposante 63 Millimeter Federweg.Foto: RockshoxDie erste Rockshox SID erblickte 1998 das Licht der Welt und bot imposante 63 Millimeter Federweg.

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Fakten zur Rockshox SID Federgabel 1998 & 2024

Rockshox SID von 1998

  • Federweg: 63 mm
  • Gewicht: ab 118o g
  • Preis: ab 700 US-Dollar
  • Für Laufradgröße: 26”
  • Standrohr-Durchmesser: 28 mm
  • Achs-Standard: 9 x 100 mm Schnellspanner
  • Bremsaufnahme: V-Brake Felgenbremse
  • Gabelschaft: 1 1/8” durchgängig

Rockshox SID Flight Attendant von 2024

  • Federweg: 100 / 110 / 120 mm
  • Gewicht: ab 1480 g
  • Preis: ab 1.499 Euro >> hier erhältlich
  • Für Laufradgröße: 29”
  • Standrohr-Durchmesser: 32 / 35 mm
  • Achs-Standard: 15 x 110 mm Boost-Steckachse
  • Bremsaufnahme: Postmount Scheibenbremse
  • Gabelschaft: 1 1/8 - 1 1/2” tapered
Die neueste Rockshox SID trägt wieder Blau. In sonst allen Belangen unterscheidet sich die 2024er-Version von der Ur-SID und kommt mit dem elektronischen Flight Attendant System.Foto: RockshoxDie neueste Rockshox SID trägt wieder Blau. In sonst allen Belangen unterscheidet sich die 2024er-Version von der Ur-SID und kommt mit dem elektronischen Flight Attendant System.

Geschichtsstunde: Die Anfänge der Rockshox SID

Eines war die Rockshox SID Gabel schon immer: leicht. Daher auch das Namenskürzel: Superlight Integrated Design. Bereits die allererste Version von 1998 wog nur knapp 1,2 Kilo und war damit sogar fast 300 Gramm leichter, als die neueste Flight-Attendant-Version. Möglich machten das neben filigranen Standrohren mit 28 Millimetern Durchmesser auch die kreuzgebohrten Felgenbremsaufnahmen aus Titan.

Nur etwas mehr als 60 Millimeter Federweg und eine hohle, polierte Krone drückten kaum auf die Waage. Auch Retro-Standards, wie Schnellspann-Aufnahme, 26-Zoll-Kompatibilität und ein durchgängig dünner Gabelschaft machten die Ur-SID leicht. In den Bikes von Cross-Country-Legenden wie Miguel Martinez und Paola Pezzo fuhr sie Weltmeistertitel und Worldcup-Siege ein.

V-Brake-Aufnahmen aus Titan: Die Rockshox SID von 1998 war mit unter 1200 Gramm ein echtes Leichtgewicht.Foto: RockshoxV-Brake-Aufnahmen aus Titan: Die Rockshox SID von 1998 war mit unter 1200 Gramm ein echtes Leichtgewicht.

Eines war die erste Rockshox SID allerdings nicht: praktisch. Um die Luftkammer zu befüllen, brauchte es ein Nadelventil, mit dem heute zum Beispiel noch Fußbälle aufgepumpt werden. Aus diesem Grund reisten manche Profis mit entsprechenden Nadeln im Handgepäck - immer auf der Hut vor Sicherheitskontrollen. Im Innern der 1998er SID arbeitete eine luftbasierte Positivfeder zusammen mit einer coil-basierten Negativfeder. Via dreier Dämpfungskartuschen konnte das Verhalten der Gabel individualisiert werden. Und noch etwas war die Ur-SID nicht: steif. Deshalb kam nur ein Jahr später die erste und einzige Doppelbrücken-Gabel der Modellreihe auf den Markt.

Ernsthaft, eine Doppelbrücken-SID? Ja, die Rockshox SID XL wog unter 1,8 Kilo und bot bis zu 100 Millimeter Federweg. Sie war jedoch nur eine Variante in der nun stärker ausdifferenzierten SID-Baureihe. 1999 war dahingehend ein entscheidendes Jahr, denn noch vor der Jahrtausendwende setzte Rockshox erstmals auf zwei Luftkammern und leicht zu bedienende Schrader-Ventile. Die neue C3-Dämpfung bot über einen einzigen Hebel eine Einstellbarkeit von Druck- und Zugstufe. Revolutionär!

Das gibt es heute so nicht mehr: Die Rockshox SID XL von 1999 war eine Cross-Country-Doppelbrückengabel mit wahlweise 80 oder 100 Millimetern Federweg.Foto: RockshoxDas gibt es heute so nicht mehr: Die Rockshox SID XL von 1999 war eine Cross-Country-Doppelbrückengabel mit wahlweise 80 oder 100 Millimetern Federweg.

Pünktlich zum zweiten MTB-Auftritt bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000 und passend zum damaligen Austragungsort stellte Rockshox eine neue Sonderversion namens SIDney vor. Diese trug neben der neuen Pure-Dämpfung eine weitere Weltneuheit in sich. Über eine Lowspeed-Druckstufenverstellung konnte die Gabel blockiert werden, besaß aber eine Blow-Off-Funktion, um den Hub im Fall der Fälle freizugeben. Auf der großen Olympia-Bühne war die SID auch Teil der ersten Cross-Country-Fullys unter dem Regiment von Athleten, wie Travis Brown. Zum Start des neuen Millenniums gründete Rockshox das Blackbox-Programm für Profi-Rennfahrer, welches bis heute Bestand hat.

Die erste Blackbox-SID kam 2002 zum Einsatz und verfügte über eine steife Gabelkrone aus Carbon. Die Standard-SID desselben Jahrgangs hatte dank reibungsarmer Titan-Nitrid-Beschichtung goldene Standrohre. Von dieser Beschichtung nahm man aufgrund von Problemen mit der Haltbarkeit jedoch schnell wieder Abstand. Erst 2008 erfolgte die Umstellung auf Standrohre mit 32 Millimetern Durchmesser, bereits damals als Reaktion auf den immer anspruchsvoller werdenden Cross-Country-Sport. Steifigkeit und Komfort der Federgabel erreichten ein neues Niveau. Gleichzeitig blieb sie dank nach unten hin offen konstruierter Tauchrohre konkurrenzfähig leicht.

Moment mal: Güldene Standrohre an einer Rockshox Gabel? Ja, 2002 gab’s das auch mal bei der Rockshox SID.Foto: RockshoxMoment mal: Güldene Standrohre an einer Rockshox Gabel? Ja, 2002 gab’s das auch mal bei der Rockshox SID.

In der neuen Dekade ab 2010 nahm die progressive Entwicklung der XC-Technik immer mehr Fahrt auf. Zunächst wurde das Modell SID XX eingeführt, die mit den neuen Zehnfach-Antrieben von Sram harmonierte. Dann kam 2012 die erste Rockshox SID für große 29-Zoll-Laufräder auf den Markt.

2017 verdrängte der Name SID die zwischenzeitlich erschienene Upsidedown-Gabel RS-1 (hier im Test 2015) und war fortan wieder das unumstrittene Topprodukt im Portfolio der Amerikaner. 2021 kam es zur Differenzierung zwischen SID und SID SL mit XC-spezifischer DebonAir-Feder. Während die weiterhin superleichte SL-Version weiterhin auf 32-Millimeter Standrohre setzte, gab es die SID Ultimate erstmals mit 35 Millimeter dicken Rohren und 120 Millimetern Federweg.

2024 bietet die aktuelle Baureihe der Rockshox SID-Familie mit Race-Day2-Dämpfung, 2P- oder 3P-Druckstufenverstellung und DebonAir+-Feder mehr effizient nutzbare Optionen als jemals zuvor. Eine um 50 Prozent größere Negativkammer verspricht mehr Sensibilität. Beim Design der Krone, der Überarbeitung der Buchsen und der Optimierung des Chassis ist die Entwicklung natürlich ebenso wenig stehen geblieben. Auch in der Gegenwart ist die Rockshox SID eine Race-Gabel mit höchsten Ansprüchen. Für die Zukunft hat sie allerdings ein ganz besonderes Ass im Ärmel.

Von den 90ern bis zu den aktuellen Cross-Country-Bikes hat sich einiges getan. Immer mit dabei: die Rockshox SID.Foto: RockshoxVon den 90ern bis zu den aktuellen Cross-Country-Bikes hat sich einiges getan. Immer mit dabei: die Rockshox SID.

Rockshox SID Ultimate Flight Attendant: Technologieträger der Zukunft

Die Geschichte der Rockshox SID ist das beste Beispiel dafür, dass die technische Weiterentwicklung des Mountainbike-Sports niemals stehen bleibt. Nachdem Komponentenriese Sram 2019 mit der AXS-Technologie per Funk bedienbare, elektronische Schaltungen auf den Markt brachte, war es nur eine Frage der Zeit, bis die kabellose Ansteuerung von Rockshox-Federelementen anstand.

Wie ausgeklügelt die Elektronik jedoch sein sollte, konnte niemand ahnen. 2021 kam Rockshox mit dem ersten Flight-Attendant-System um die Ecke. Zunächst vor allem für den Enduro- und Trail-Einsatz konzipiert, konnten Rockshox-Fahrwerke nun von selbst auf Untergrund, Fahrerinput und Bike-Lage mit entsprechend angepassten Einstellungen reagieren.

Es wäre nicht das 21. Jahrhundert, wenn Rockshox zur Weiterentwicklung seiner SID-Plattform nicht auf Elektronik setzen würde.Foto: RockshoxEs wäre nicht das 21. Jahrhundert, wenn Rockshox zur Weiterentwicklung seiner SID-Plattform nicht auf Elektronik setzen würde.

Der neueste Clou erfolgte Mitte März 2024, als die Fahrwerks-Spezialisten die ersten SID Cross-Country-Gabeln mit dem Flight Attendant System vorstellten. Fortan kann die Speerspitze der elektronischen Fahrwerkstechnologie auch XC-Racebikes schneller machen. Ein spezieller Algorithmus sammelt dank Verknüpfung zu AXS-Powermeter-Sensoren allerlei Daten über den Fahrer und lernt diesen über die Zeit immer besser kennen. Damit kann das elektrifizierte SID-Fahrwerk ein individuell angepasstes Setup zur Verfügung stellen.

Während eines 90-minütigen Rennens nimmt der elektronische Stellmotor über 1300 Anpassungen vor und agiert dabei rund 80 Mal schneller als ein Mensch blinzeln kann. Inzwischen nutzen fast alle Rockshox-Athleten Flight Attendant Federgabeln und Dämpfer im Cross-Country-Worldcup. Dieses Jahr werden sie mit ihren SID-Gabeln bei den Olympischen Spielen in Paris um Gold kämpfen.

Auch die neueste Generation der Rockshox SID mit Flight-Attendant-Automatik ist ein Dauergast in den High-End-Bikes der Cross-Country-Elite.Foto: Max FuchsAuch die neueste Generation der Rockshox SID mit Flight-Attendant-Automatik ist ein Dauergast in den High-End-Bikes der Cross-Country-Elite.

Der Vergleich zwischen der ersten SID von 1998 und der neuen Flight-Attendant-Variante zeigt eindrucksvoll: Von Nadel-betriebenen Luftkammern bis zum vollautomatischen Fahrwerk mit Roboter-Technologie ist die Rockshox SID einen langen Weg gegangen. Dabei ist die Weiterentwicklung des Cross-Country-Sports noch lange an kein Ende geraten und das elektronische Ecosystem steht trotz bereits jetzt ausgebuffter Technik erst am Anfang. Die Bike-Welt darf sicher noch gespannt sein, was die Rockshox-Ingenieure in ihren Entwicklungsbüros für die SID bereithalten.


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Rockshox SID: Der Name ist Programm, seit 1998: Superlight Integrated Design.Foto: RockshoxRockshox SID: Der Name ist Programm, seit 1998: Superlight Integrated Design.

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