Interview mit FahrradsachverständigenWie sicher sind Gravelbikes, Dirk Zedler?

Kristian Bauer

 · 13.08.2025

Interview mit Fahrradsachverständigen: Wie sicher sind Gravelbikes, Dirk Zedler?Foto: Zedler-Institut
Dirk Zedler
Ein Bruch der Fahrradgabel ist der Albtraum für jede/n Radfahrer/in. Unser Schwestermagazin TOUR hat einen aktuellen Fall aus Großbritannien aufgegriffen, um den Fahrradsachverständigen Dirk Zedler zu befragen: Wie sicher sind Gravelbikes?

Der Fall: Ein Radfahrer in England hat sich nach einem schweren Unfall mit einem Gravelbike von Planet X auf einen Vergleich über 5,3 Millionen Euro geeinigt. Die Versicherung des Herstellers zahlt ihm eine Entschädigung. Der Unfall führte aufgrund dieses Gabelbruchs zur Querschnittslähmung des Unfallopfers. Grund genug, dass wir den Fahrradsachverständigen Dirk Zedler zum Interview bitten.

Rennräder werden nach IS0 4210 geprüft – gibt es eigene Vorgaben für Gravelbikes?

Dirk Zedler: In der ISO 4210 wird zwischen ­Jugend-, City- und Trekking-, Geländefahrrädern – also Mountainbikes – und Rennrädern unterschieden. Eine eigene Kategorie für Gravelbikes gibt es nicht.

Woher weiß ich als Käufer, ob mein Gravelbike auch schwieriges Terrain mit Gepäck aushält?

Ob es das Gravelbike aushält, das ist durch bloßes Anschauen oder eine ­Probefahrt nicht zu erkennen. Eine ­Gewissheit können nur Prüfprotokolle aller Bauteile aus einem europäischen Prüfhaus sicherstellen.

Im aktuellen Fall wies die Carbongabel geringere Wandstärken auf als baugleiche Exemplare. Davor kann auch eine harte Norm nicht schützen?

Serienstreuungen sind gerade bei Bauteilen aus Carbon ein großes Thema. Der europäische Gesetzgeber fordert daher schon seit mehr als 25 Jahren, Stichproben durchzuführen, um Ausreißer in der Serie aufzudecken. Auf ­asiatische Vorlieferanten sollte sich ein Hersteller dabei nicht verlassen, ein „QC passed“-Aufkleber (Qualitätskon­trolle bestanden, Anm. d. Red.) ist schnell geklebt. Daher muss ein seriöser Hersteller eine eigene Qualitätssicherung installieren, die den Warenfluss kontrolliert. Ohne Detailkenntnis und ohne die Gabel selbst gesehen zu haben, wage ich die These: Wenn die wirklich dünner war als die typgleichen, dann war sie sehr wahrscheinlich auch leichter. Einfaches Wiegen hätte möglicherweise genügt, um den schweren ­Unfall zu vermeiden.

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Wie erkenne ich als Verbraucher, ob mein Gravelbike oder Rennrad sicher ist?

Normen definieren grundsätzlich nur Mindestanforderungen. Die ISO endet beispielsweise bei 100 Kilogramm ­Gesamtgewicht, was bei einem Gravel­bike mit Fahrer und Taschen schnell überschritten wird. Normen eilen zudem der tatsächlichen Nutzung und der Technik oft Jahrzehnte hinterher. TOUR hat erstmals im Februar-Heft 2000 auf brechende Gabelschäfte aus Carbon ­aufmerksam gemacht und in der Folge immer wieder, aber erst im Mai 2023 trat die aktualisierte ISO 4210 in Kraft.

Der darin festgeschriebene Test für diesen neuralgischen Punkt prüft keine ausreichende Sicherheit heraus, wie wir im Rahmen unserer Sachverständigen­tätigkeit aus zahlreichen begleiteten Schadensfällen und Rückrufen wissen. Das heißt, ein Hersteller muss im Ergebnis ohnehin ­ergänzend und deutlich über die Norm hinaus prüfen. Um es klarzustellen: Viele Hersteller arbeiten sehr seriös, prüfen weit oberhalb der Norm und bieten ­dadurch sichere Fahrräder an.

Der Fall aus Großbritannien: 5,3 Millionen Euro Schadensersatz wegen Gabelbruch

Ein Radfahrer in England hat sich nach einem schweren Unfall mit einem Gravelbike von Planet X auf einen Vergleich geeinigt. Die Versicherung des Herstellers gestand ihm eine Entschädigung von umgerechnet 5,3 Millionen Euro zu. Der Kläger war aufgrund des Bruchs der Gabel an seinem Gravelbike schwer gestürzt und trug eine Quer­­schnittslähmung davon. Das betroffene Rad war ein Titanrad vom Typ Planet X Tempest SRAM Force 1 mit Carbongabel.

Bei der gebrochenen Gabel war laut einem Gutachten die Wandstärke deutlich geringer als bei ­anderen Gabeln ­des Modells. Der Unfall passierte auf einem grasbewachsenen Hügel. Verzögert wurde der Prozess durch die Insolvenz von Planet X 2023. Der ­Anwalt des Unfallopfers kritisierte in einer Presse­­mit­teilung, dass es im Gegensatz zu langjährigen Prüf­normen für Rennräder, Mountainbikes und andere Fahrräder noch keine klaren internationalen Prüfvor­gaben für ­Gravelbikes gebe.

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