Stefan Frey
· 24.09.2024
Mit der Manitou R8 Pro sollen die wesentlichen Kritikpunkte der Vorgängerin R7 der Vergangenheit angehören. Wir waren also gespannt, als uns die neue Race-Gabel erstmals präsentiert wurde, schließlich hatten wir zum letzten Mal eine Federgabel aus dem Hause Manitou im Jahr 2021 im Test. Damals zeichnete sich gerade der Trend zur neuen Down-Country-Kategorie ab und die Hersteller brachten zunehmend leichte Race-Federgabeln mit 120 Millimeter Federweg auf den Markt. So auch die Taiwanesen.
Die R7 Pro war damals das Flaggschiff von Manitou und konnte uns dank ihres sensiblen Ansprechverhaltens und einer hohen Verdrehsteifigkeit auch im Test überzeugen. Beim Gewicht (1665 Gramm) und bei harten Impacts hatte die Forke aber klar das Nachsehen gegenüber den Klassenbesten von Fox und Rockshox. Auch einen praktikablen Remote-Hebel vermissten unsere Tester damals bei der R7.
Mehr als zwei Worldcup-Jahrgänge sollen die Entwickler an der neuen Manitou R8 getüftelt haben. Im Worldcup ist die Federgabel auch schon länger unterwegs und konnte mit Savilia Blunk vom Decathlon Ford Racing Team dieses Jahr auch schon mehrere Podiumsplätze einfahren.
Die charakteristische nach hinten gerichtete Gabelbrücke ist natürlich auch der neuen R8 erhalten geblieben. Laut Hersteller soll diese mit ein Hauptgrund für die guten Steifigkeitswerte aus der Vergangenheit sein.
Zusätzlich setzt Manitou bei der R8 zum ersten Mal bei einer Race-Gabel auf 34 Millimeter dicke Standrohre. Zum einen, um die Steifigkeit zusätzlich zu erhöhen, zum anderen aber auch, um das Gewicht zu reduzieren.
Auch haben die Entwickler mithilfe aufwändiger Spannungsanalysen versucht, an jeder möglichen Ecke Gewicht zu sparen. Deutlich wird das besonders an den filigranen und ausgehölten Bereichen der Gabelbrücke. Doch auch bei der Aluminium-Krone will der Hersteller noch mal etwas Gewicht reduziert haben.
Ebenfalls neu sind die unterbrochenen Ausfallenden der Gabel, in denen die nur 24 Gramm leichte Hexlock SL-R-Steckachse steckt. Ihre spezielle Befestigungsweise soll Bewegungen in der Achse verhindern und somit die Steifigkeit weiter erhöhen. Mit diesen umfangreichen Maßnahmen schafft es die Manitou R8 Pro auf ein konkurrenzfähiges Gewicht von 1495 Gramm mit ungekürztem Schaft und Steckachse.
Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die R7 an der schweren Dämpfungseinheit aus Mattoc und Mezzer bedienen musste. Die neue Manitou R8 Pro basiert federungsseitig auf der Dorado Air Kartusche. Hier kommt die bekannte IVA-Technologie zum Einsatz (Incremental Volume Adjust).
Auf der Dämpfungsseite hat die R8 aber ein neu entwickeltes VTT-System erhalten. Wie schon bei der R7 ist auch bei der R8 die Druckstufeneinstellung rot, die Zugstufe blau und die Gabel muss von unten mit Luft befüllt werden. Etwas ungewohnt, aber nicht weiter schlimm.
Anders als bei vielen anderen Herstellern baut das Dorado Air System auf einer Positiv- und Negativkammer auf, die beide während des Aufpumpens gleichzeitig befüllt werden. Dadurch gibt es bei der Manitou R8 Pro keinen Überstromkanal. Zudem lässt sich die Gabel über die IVA-Einheit individuell anpassen.
Auch wenn die R8 Federgabel laut Hersteller für die meisten Menschen bereits optimal abgestimmt sein soll, bietet sie die Möglichkeit, das Volumen der Positivkammer und somit die Kennlinie der Gabel anzupassen. Über das IVA lässt sich auch der Federweg in 10-mm-Schritten anpassen. Zwischen 80 und 120 Millimeter sind so möglich. Alle nötigen Teile sind im Lieferumfang bereits enthalten.
Manitou hat in der neuen R8 eine überarbeitete Dämpfung integriert, die speziell auf die Anforderungen im Cross Country angepasst wurde. Die Funktionsweise der sogenannten VTT-Pro-X-Dämpfung basiert auf einer patentierten Technologie und ermöglicht drei unterschiedliche Druckstufen-Positionen: offen (Position 1), mittel (Position 2) und geschlossen (Position 3).
Ein besonderes Merkmal dieser Dämpfung ist, dass für jede Position ein eigener Öl-Kreislauf vorgesehen ist. Im Gegensatz zu einigen Konkurrenzprodukten beeinflusst das System mehr als nur die Lowspeed-Druckstufe.
Durch Betätigen des Lockout-Hebels wird das Öl direkt in den entsprechenden Kreislauf geleitet, der mit Shimstacks ausgestattet ist. In Position 1 erlaubt der Piston nahezu ungehinderten Ölfluss – das Fahrwerk bleibt komplett offen. Über die Druckstufe kann zudem die Größe des Lowspeed-Kanals feinjustiert werden, um den Einfedervorgang zu optimieren.
In Position 2 wird ein weiterer Piston aktiviert, welcher die Größe der LSC- und HSC-Kanäle verringert und somit ein strafferes Ansprechverhalten bietet – ideal für leicht unebenes Terrain. In Position 3 verschließt ein zusätzlicher Piston die Kanäle vollständig und blockiert das Fahrwerk. Diese Anpassungen sollen eine präzisere Abstimmung auf verschiedene Streckenbedingungen ermöglichen und somit die Performance im Cross-Country-Bereich verbessern.
Um die Manitou R8 Pro optimal auf die persönlichen Bedürfnisse anpassen zu können, stellt die Gabel dem Fahrer einen relativ breiten Verstellbereich zur Verfügung. Die Dämpfung der R8 lässt sich so über insgesamt 18 Klicks verstellen. An der Zugstufe konnten wir sogar ganze 22 Klicks zählen. Für eine erste Annäherung an den optimalen Luftdruck sind auf dem Tauchrohr entsprechende Angaben aufgedruckt.
Das perfekte Setup von Federgabel und Dämpfer ist kein Hexenwerk. In einem separaten Artikel zeigen wir, wie Sie in wenigen Schritten die richtigen Einstellungen treffen.
Auch in Sachen Fernbedienung hat sich einiges getan. So können sich XC-Fans auf die neue Remote-Hebel freuen, die es endlich ermöglichen, die Manitou R8 Pro vom Lenker aus zweistufig zu blockieren. Dabei setzt Manitou ebenfalls auf ein ganz eigenes Konzept. Je nach Bedarf lassen sich mit der Kombi aus Ace- und Deuce-Hebel, die übereinander angebracht werden können, Gabel und Dämpfer bedienen oder zusätzlich eine Teleskopstütze absenken.
Stichwort Teleskopstütze: In unserem aktuellen Variosattelstützen-Test haben wir auch besonders leichte Exemplare für Racer getestet. Lesen Sie doch mal rein.
Bevor es mit der neuen Manitou R8 Pro auf den Trail geht, steht die Grundeinstellung an – den passenden Luftdruck und das erste Dämpfungs-Setup. Zuvor montieren wir noch die Lenkerfernbedienung. Hier unsere Eindrücke aus Werkstatt und Wald:
Die Manitou wird entgegen der Gewohnheit von unten mit Luft befüllt, und auch die Farben von Zug- und Druckstufe wählen die Taiwanesen umgekehrt im Vergleich zu den meisten anderen Herstellern. Abgesehen davon, ist die erste Grundeinstellung leicht erledigt.
Auch der Deuce-Hebel ist mit der entsprechenden Anleitung leicht zu montieren. Allerdings liegt diese nicht mit im Karton, sondern muss über die Herstellerwebseite gesucht werden. Ein gut verständliches Video führt dann aber durch die entsprechenden Schritte.
Der Metall-Remote drückt sich leicht und rastet definiert in den beiden Positionen ein. Wer am Racebike eine Teleskopstütze fährt, sollte unbedingt zum Kombihebel greifen - eine Fernbedienung für die Telestütze findet neben dem Manitou-Hebel nämlich keinen Platz mehr.
In den vergangenen Wochen konnten wir die Manitou über verschiedenste Untergründe scheuchen. Angefangen von Überführungspassagen auf grobem Schotter über leichte Singletrails im Wald, bis hin zu Wurzelpassagen und einigen größeren Stufen war hier so ziemlich alles dabei, was einer XC-Gabel in ihrem natürlichen Habitat so unter die Tauchrohre kommt.
Vor allem im Anfangsbereich des Federwegs arbeitet die R8 angenehm komfortabel. Sie schnüffelt feinfühlig den Untergrund ab wie ein Suchhund seine Fährte. Auf Schotter und leichten Trails erzeugt die R8 so erstaunlich viel Traktion.
Auch der Kompromiss aus Feinfühligkeit und Rückhalt ist gut gelungen. So taucht die R8 an Stufen nur wenig ein. Eine Empfehlung für gemischtes Gelände ist die erste Stufe der Plattform, mit der wir einen großen Teil unserer Testrunden absolviert haben. Hier bleibt die Manitou R8 zu Beginn sehr sensibel, bietet in gröberen Geläuf aber etwas mehr Progression und Schutz vor Durchschlägen.
Unsere Empfehlung ist die Einstellung auch für kleine Zwischensprints, die sich so effektiv bewältigen lassen. An längeren Anstiegen oder auf Asphalt-Passagen legt man dann die Lockout-Position ein und erhält damit eine vollständig blockierte Gabel.
Bei allem Lob gibt es allerdings auch leichte Kritik: Auf den bisherigen Strecken fiel es schwer, den Federweg der Manitou R8 komplett auszunutzen. Selbst im offenen Modus blieb bisher stets eine uns etwas zu große Reserve.
Zudem ist uns aufgefallen, dass die neue Race-Gabel beim Ausfedern nach schnellen und größeren Kompressionen ungewöhnlich laut “schmatzt”. Teilweise scheint die Gabel zu schnaufen wie ein Boxer in der 10. Runde.
Manitou erklärt dieses Phänomen anhand des nur 8 Millimeter schlanken Durchmessers der Dämpfungskartusche. Dieser erschwere den Ölfluss durch den Shimstack und führe beim Ausfedern zu eben diesem Geräusch. Wer eine eher geschlossene Zugstufe benötigt, ist von diesem Effekt stärker betroffen als diejenigen, die einen schnelleren Rebound bevorzugen.