Enduro-FedergabelnSind dicke Gabeln besser?

Peter Nilges

 · 22.09.2023

Die Zeb ist die aktuell dickste Single-Crown-Gabel von Rockshox.
Im Laufe der letzten Jahre haben die Standrohre von Federgabeln im Durchmesser stetig zugelegt. Dicke 38er Standrohre sind die aktuelle Benchmark für den Enduro-Einsatz. Wir haben mit Fox-Marketing-Manager Elmar Keineke über die Notwendigkeit von dickeren Chassis gesprochen.

Maximale Ausdifferenzierung

Allein im Federwegsbereich von 100 bis 170 Millimetern haben zumindest die großen Federgabelhersteller, wie Fox und Rockshox, ganze fünf unterschiedliche Top-Modelle mit eigenem Casting im Programm. Für den 100-Millimeter-Bereich gibt es die Fox 32 Stepcast und die Rockshox SID SL, für Federwege bis 120 Millimeter Fox 34 Stepcast und Rockshox SID. Darauf folgen Fox 34 und Rockshox Pike mit 140 Millimetern, den Bereich bis zu 160 Millimetern bedienen die Fox 36 und Rockshox’ Lyrik. Nach oben hin schließen jetzt die neuen Federgabeln mit 38er Standrohren das Sortiment der Single-Crown-Gabeln ab. Fox 38 und Rockshox ZEB sind die neuen Platzhirsche für den Enduro-Einsatz.

Federgabeln: 38er Standrohre verdrängen die dünnen Castings

Auch die übrigen Hersteller folgen dem Trend und differenzieren immer mehr aus. Die Überlappung der Federwege wird damit so gering wie möglich gehalten und die jeweilige Gabel maximal auf den angedachten Einsatzbereich maßgeschneidert. Zusätzlich wurde mit der Einführung der dicken 38er-Standrohre alles eine Kategorie nach unten gestuft. Standen bis vor Kurzem die Fox 36 und die Rockshox Lyrik noch als Sinnbild für den harten Enduro-Einsatz, so wildern diese jetzt mit geschrumpftem Federweg im All-Mountain-Segment. Mit dieser Entwicklung reagieren die Hersteller selbstverständlich auch auf die gewachsenen Anforderungen und Belastungen, mit denen eine Federgabel in modernen MTBs oder auch E-MTBs konfrontiert wird. Die Bikes werden durch die Bank weg abfahrtslastiger und potenter und verschieben die Grenzen des Fahrbaren. Und selbst ohne das Mehrgewicht von Akku und Motor bringt der deutsche Durchschnittsmann mittlerweile fast 90 Kilo auf die Waage. Es ist also wenig verwunderlich, wenn die Gabelhersteller mit steiferen und in der Regel schwereren Gabeln reagieren. Wir haben mit Elmar Keineke, Fox-Marketing-Manager, gesprochen.

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Elmar Keineke, Fox-Marketing-ManagerFoto: FoxElmar Keineke, Fox-Marketing-Manager

BIKE: Sind 38er Standrohre bei 170 Millimeter Federweg wirklich notwendig?

Elmar Keineke: Grundsätzlich notwendig ist der dicke Durchmesser nicht, aber durchaus von Vorteil. Durch den größeren Querschnitt steigern sich nicht nur die Steifigkeit und Präzision der Federgabel, sondern auch die Funktion. Da sich die Rohrpaare besser parallel zueinander bewegen können und weniger verkanten, sprechen steifere Gabeln unter Belastung sensibler an. Unsere Fox 38 wurde entwickelt, um auch unter Wettkampfbedingungen beste Performance zu liefern. Mehr Steifigkeit mit dünneren Standrohren zu erreichen, würde außerdem zu Lasten des Gewichts gehen.

Gilt also generell: Je steifer, desto besser?

Für die Bauteile, die sich auch unter Last zueinander bewegen können sollen, hilft eine hohe Steifigkeit. Allerdings muss eine Federgabel nicht in alle Richtungen steif sein. Die Verdrehsteifigkeit beispielsweise darf ruhig etwas niedriger ausfallen, wodurch sich die Federgabel fehlerverzeihender fährt. Bei vielen Steifigkeiten gibt es einen Sweetspot, innerhalb von zu weich oder zu steif.

Ist das Mehrgewicht einer dicken, steifen Federgabel auch bei leichten Fahrern sinnvoll eingesetzt?

Da ein steiferes Chassis besser funktioniert, profitieren auch leichte Fahrer davon. Bei der damaligen Entwicklung der neuen Federgabelplattform mit dicken 38er Standrohren hatten auch leichte Fahrer*innen eine Mitsprache. Bei den vielen Tests haben sich die dickeren Castings letztendlich bei allen durchgesetzt. Auf Grund der oft sehr langen Stages in Enduro-Rennen, ist die Funktion eine Federgabel viel höher, als ein paar Gramm Mehrgewicht zu bewerten.

Wie sieht es mit der Haltbarkeit aus. Können dickere Federgabeln auch hier punkten oder steigt die Belastung für die Rahmen?

Enduro-Rahmen entwickeln sich ständig mit den Federgabeln mit und haben im Verlauf der Jahre an Gewicht zugelegt. Moderne Rahmen sind also auch für die Belastung durch steife und lange Federgabeln ausgelegt. Bei der Haltbarkeit der Federgabeln an sich besitzen dickere Standrohre zwar eine größere Kontaktfläche an den Gleitbuchsen, was den Druck reduziert, dafür kann aber auch mehr Dreck und Staub anhaften. Von daher haben wir keine unterschiedlichen Wartungsintervalle für eine dünne Cross Country oder dicke Enduro Gabel. Auch die Erfahrung hat keine wirklichen Unterschiede zu Tage gebracht. Für eine perfekte Funktion ist es jedoch immer ratsam, möglichst enge Wartungsintervalle einzuhalten.

Gerade im langhubigen Bereich setzen vereinzelte Anbieter wieder auf eine Stahlfeder statt Luft. Sehen wir in Zukunft ein Revival von Coil?

Moderne Luftgabeln sprechen durch ausgeklügelte Negativkammern mittlerweile so gut an, dass es schwer fällt einen Unterschied zu einer Stahlfedergabel zu erfühlen. Zudem lassen sich Luftgabeln ohne Aufwand sehr breitbandig abstimmen. Passt die Federrate bei Stahlfedergabeln nicht, hilft nur der Tausch der Feder. Das macht den Umgang für den Endkunden als auch den Handel unnötig schwierig.

Fazit von Peter Nilges, BIKE-Testleiter

Unsere Labor- und Praxistest belegen eindeutig, dass vor allem die Bremssteifigkeit deutlich von den dickeren Standrohren bei Federgabeln profitiert. Fox, Rockshox und SR Suntour setzen bei ihren langhubigen Forken auf wuchtige 38-Millimeter-Standrohre und optimieren damit die Steifigkeit. Im Vergleich zu Federgabeln mit 36er-oder sogar 35er-Standrohren liegt die Steifigkeit beim gleichen Federweg um 25 bis 50 Prozent höher.

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