Dimitri Lehner
· 11.09.2014
Um keine andere Gabel wurde so viel Hype geschürt wie um die DVO „Emerald“. Die Ex-Marzocchi-Entwickler verwirklichten damit einen Traum und behaupten, die „Emerald“ sei die beste Dowhnhill-Gabel der Welt.
Was ist das? Alle glotzen! Ich hätte mich vermutlich auch nackt in die Liftschlange stellen können, die Wirkung wäre ähnlich gewesen. Doch nicht ich bin der Grund für die Aufregung, sondern die smaragdgrüne Gabel in meinem Big Bike. Ein Augenmagnet. Die Park-Junkies am Geißkopf starren auf die überdicken Rohre der Upside-Down-Gabel mit den kohleschwarzen Spoilern – und tuscheln. Das liegt am enormen Hype, der bisher um die Gabel gemacht wurde. Schon lange hatte das neue Ami-Label DVO die angebliche Wundergabel angekündigt, doch sie kam nicht. Dafür brodelte die Gerüchteküche, bis die Internet-Foren irgendwann zum Shittalk anhoben: "Technische Probleme", "Finanzierungsnöte", "kommt wahrscheinlich nie", hieß es dort. Fast glaubten auch wir, dass die grüne Gabel in Teamfahrer Cedric Gracias Bike womöglich die einzige DVO sei und bleiben werde. Dann war es plötzlich doch soweit: Daniel Gareus von Cosmic Sports brachte uns die exklusive Edel-Gabel zum Testen. Doch bevor wir die "Emerald" durch Rumpelstrecken scheuchen wollten, wanderte sie erst mal zur Datenaufnahme in unser Prüflabor. Die Waage zeigte 3,53 Kilo. Das ist schwer! Zum Vergleich: Die Fox "40 Float" wiegt 2,83 Kilo, die RockShox "Boxxer Worldcup" 2,77 Kilo oder Manitous Upside-Down-Forke "Dorado Pro" 3,07 Kilo. Der Verdrehsteifigkeitstest ergab erwartungsgemäß niedrige Werte (also viel Flex). Das ist bei Upside-Down-Gabeln typisch – die "Emerald" macht hier keine Ausnahme. Allerdings ist der Wert deutlich höher als bei der Upside-Down-Gabel Manitou "Dorado" (siehe Tabelle).
Die verschraubte Carbonbrücke soll für 50 Prozent mehr Steifigkeit sorgen, heißt es in der Produkt-Info. Ist das möglich? Wir checkten und siehe da: Ohne die Brücke stellte unser Prüfstand gerade mal einen Unterschied von 5 Prozent fest, dabei wiegt die Carbonbrücke 377 Gramm ohne Schrauben. Zäher zeigte sich die DVO beim Bremssteifigkeits-Test – hier erreichte sie einen erstaunlich hohes Ergebnis (437,2 Nm/°). Wirft man einen Blick auf die Tabelle unseres Gabeltests (FREERIDE 1/14) sieht man, dass die DVO damit deutlich vor der Konkurrenz liegt. Nur Manitous "Dorado Pro" kommt da noch ran (412,9 Nm/°).
Auf dem Trail
Zuerst stimmten wir die Gabel so ab, wie es der Hersteller empfiehlt – schließlich kennen die DVO-Mannen ihr Produkt am besten und alleine der Rebound zählt 40 Klicks. Eine grobe Orientierung ist da hilfreich. Gut: die gerasterten Rädchen lassen sich per Hand bedienen, wenn auch etwas mühsam. Raffiniert: das so genannte "OTT", eine Negativfeder, die das Ansprechverhalten verbessert. 90 Klicks Verstellbereich?! Zehn hätten es in unseren Augen auch getan.
Als Teststrecke wählten wir den Downhill am Geißkopf. Sprünge, Felsstufen, Steingerümpel, flache Landungen, enge Kurven – genau das richtige Gelände, um eine Gabel aus der Reserve zu locken. Um dem Test auch noch die nötige Portion Speed zu verabreichen, engagierten wir Promi-Tester und Geschwindigkeitsexperten Johannes Fischbach. Er sollte feststellen, wie die DVO als Race-Gabel funktioniert. Schon auf den ersten Metern verblüffte uns das sahnige Ansprechverhalten der DVO. Für eine Luftgabel ist das erstaunlich! Auch Fischbach musste zugeben: "Das hab ich so noch nicht erlebt!" Die "Emerald" erzeugt viel Bodenhaftung – das Bike klebt regelrecht am Trail. Ebenfalls auffällig: der hohe Dämpfungskomfort. Wie eine Präsidentenlimousine puffert die Gabel alles weg. Harte Schläge durch Felsbrocken und Wurzelschlingen schrumpft die DVO zu leichten Vibrationen an den Handgelenken. Auch hohe Felsstufen verschwinden im Federweg. So verleiht die Gabel eine Sicherheit, die den Piloten gerne am virtuellen Gaspedal spielen lässt. Und dann ist da noch der optische Effekt: Die fetten Rohre in Motocross-Optik und die schillernde grüne Farbe (die Gabel gibt es übrigens auch in Schwarz) steigern das Selbstbewusstsein zu einer "Yes, I can"-Attitüde. Doch Johannes Fischbach bremst die Euphorie: "Bei schnellen, kleinen Schlägen (z. B. Bremswellen) arbeitet die Gabel zu langsam und bleibt in dann im Federweg stecken!", lautet das Urteil des Racers. Tatsächlich: Selbst nachdem wir den Rebound ganz aufdrehen, federt die DVO zu träge aus. Und dann ist da noch das bereits erwähnte hohe Gewicht der "Emerald". "Die 3,5 Kilo spürt man deutlich", sagt Fischbach. Dieses Gewichtsplus gefällt dem Racer nicht. Doch auch abseits der Jagd nach Sekunden fällt das Übergewicht auf – etwa wenn wir vom identischen Vergleichsbike mit der RockShox "Worldcup" auf das "Emerald"-Bike umsteigen. Da kann es passieren, dass man bei der Steinstufe zu sachte zieht und frontlastig aufkommt.
Fazit: Die DVO spricht sahneweich an, entwickelt hohen Dämpfungskomfort und viel Bodenhaftung. Das begeistert und gibt selbst in zornigen Steinfeldern viel Vertrauen. Das Gewicht von 3,5 Kilo lässt sich allerdings nicht verleugnen, ebensowenig wie der hohe Preis. In unseren Augen ist es nicht die "Wundergabel", sie spielt aber in einer Liga mit den Top-Gabeln von RockShox, Fox und BOS – allerdings mit viel höherem Bling-Bling-Faktor.
PLUS Ansprechverhalten, Verarbeitung, Optik
MINUS Gewicht, teuer, Rebound-Funktion
HERSTELLERANGABEN
Vertrieb
www.cosmicsports.de
Preis ab 2 099 Euro
Gewicht (Schaft 245 mm inkl. Kralle) 3.530 Gramm
Federweg 203 mm
EINSTELLMÖGLICHKEITEN Luftfdruck, Zugstufe, High- + Lowspeed-Druckstufe von Hand einstellbar, Losbrechmoment (OTT)
Varianten 26", 27,5"
Bremssteifigkeit * 437,2 Nm/°
Verdrehsteifigkeit ** 19,9 Nm/°
Ansprechverhalten ******
Dämpfungsfunktion *****
Verdrehsteifigkeit ***
(max. 6 Sterne)
* STW (Stiffness to weight) – für die Bremssteifigkeit haben wir 21,05 Kilo als Messgewicht verwendet.
**STW (Stiffness to weight) – für die Verdrehsteifigkeit haben wir 10,5 Kilo als Messgewicht verwendet.
Johannes Fischbach (26), DH-Worldcupper: "Das Ansprechverhalten und die Motocross-Optik der ‚Emerald‘ gefallen mir. Ich bin noch nie eine Gabel gefahren, die so komplett ohne Losbrechmoment funktioniert. Allerdings arbeitet mir die ‚Emerald‘ bei schnellen Schlägen zu langsam – selbst bei ganz offenem Rebound. Die angeblich geringe Verdrehsteifigkeit ist mir in der Praxis nicht aufgefallen. Das hohe Gewicht allerdings schon – 3,5 Kilo spürt man deutlich."
Dieser Test ist in der FREERIDE-Ausgabe 2/2014 erschienen.
Ausgabe hier kaufen!