Peter Nilges
· 25.11.2016
Egal, ob Rennen oder auf Tour – wer schnell sein will, verzichtet auf Ballast. Die Gabeln in diesem Test bieten nicht mehr als gerade das Nötigste. Sechs 100-mm-Modelle im Praxis- und Labortest.
Leicht, straff und vom Lenker aus blockierbar. Die Prioritäten der meisten Racer sind in Sachen Federgabel schnell umrissen. Viele vertreten sogar die Meinung: Je weniger die Gabel macht, desto besser. Folglich verpassen sie ihr gerne eine Überdosis an Luft. Doch selbst in einer 100-Millimeter-Gabel steckt deutlich mehr Potenzial, als nur die gröbsten Schläge vom Fahrer zu isolieren, damit der Lenker nicht aus den Händen gerüttelt wird. Eine Federgabel ist nun mal keine Starrgabel mit etwas mehr Komfort. Es ist die Federungs-Performance, die, richtig genutzt, den Fahrer weniger ermüden, sicherer und letztendlich schneller macht.
Um zu überprüfen, was der neue Jahrgang an Race-Gabeln kann, hat BIKE die fünf spannendsten Modelle in 29 Zoll in Labor und Praxis getestet.
• Bulls Lytro
• DT Swiss O.D.L Race
• Fox 32 Float
• Magura eLECT
• Rock Shox RS-1
• SR Suntour Axon Werx
Neben den absoluten Top-Modellen trat zusätzlich eine günstige Referenzgabel für 599 Euro mit an. Eine Lytro vom Bike-Hersteller Bulls, die auf einer SR Suntour Axon basiert. Bis auf Magura, die ihre Preise deutlich gesenkt haben, geht keine der Top-Gabeln unter 1000 Euro über die Ladentheke. Mit 1059 Euro ist die Fox in diesem Umfeld sogar vergleichsweise günstig. Der Einsatz von Carbon lässt das Gewicht purzeln, den Preis aber steigen. In der Regel wird der Kunststoff an der Schaft/Kronen-Einheit eingesetzt, zum Teil auch beim Casting. DT Swiss, SR Suntour und Rock Shox setzen auf Kohlefaser. Im Falle Rock Shox RS-1 schlägt zusätzlich zum teuren Werkstoff der allgemeine Preisanstieg in der Bike-Branche durch. Kostete die Upside-down-Gabel bereits im letzten Jahr stramme 1658 Euro, liegt der offizielle Preis in dieser Saison nun bei fast unglaublichen 1946 Euro. Das verursacht Schnappatmung. Wer die RS-1 als Nachrüstgabel ins Auge fasst, sollte zudem bedenken: Es wird ein neues Vorderrad oder zumindest eine neue Vorderradnabe (etwa 50 Gramm schwerer als eine normale) fällig.
Doch zurück zum Gewicht. Nur 1424 Gramm wog 2011 die leichteste Race-Gabel im Test. Die Magura Durin profitierte vom Laufradmaß 26 Zoll. Mit den 29-Zöllern rückte eine weitere Gewichtsoptimierung in weite Ferne. Als Referenz für Grammfuchser galt ab 2012 die Rock Shox Sid Worldcup (1566 Gramm). An dieser Marke bissen sich die meisten Race-Gabeln bislang die Zähne aus. Erfreulicherweise zeigt die DT Swiss O.D.L Race, dass der neue Jahrgang nicht nur beim Preis Rekorde brechen kann. Mit 1540 Gramm inklusive Remote-Hebel ist die Gabel von Weltmeister Nino Schurter die bis dato leichteste 29er-Gabel in unserer Testhistorie. Nur 27 Gramm mehr hat die SR Suntour auf den Rippen. Lässt man die gemessen am Preis ebenfalls relativ leichte Bulls Lytro (1904 Gramm) außen vor, trennen Fox und DT Swiss 171 Gramm.
Beim Thema Kompatibilität herrscht überwiegend Einigkeit. Alle Testgabeln gibt es ausschließlich mit einem Taper-Schaft und in Verbindung mit einer 15x100-Millimeter-Steckachse. Lediglich die Rock Shox RS-1 ist für eine 110 Millimeter breite Nabe im Boost-Standard ausgelegt. Bei den anderen Herstellern gibt es diese Option (noch) nicht. Wer Wert darauf legt, den Federweg seiner Gabel verstellen zu können, ist in der Modellwahl in dieser Gruppe sehr eingeschränkt. SR Suntour und damit auch Bulls lassen sich als einzige direkt verändern. Mit einer neuen Lufteinheit kann auch die RS-1 von 100 auf 120 Millimeter erweitert werden. Bei den anderen entfällt diese Option. Doch selbst bei identischen Federwegen variierte die Einbaulänge der Gabeln um bis zu 18 Millimeter, was die Geometrie des Bikes stark beeinflusst. Zwischen der kurzen Fox und der langen Magura ändert sich der Lenkwinkel um immerhin fast ein Grad.
Verhältnismäßig leicht fällt das Setup der Race-Gabeln aus. Luftdruck und Zugstufe sind Standardstellgrößen, DT Swiss, Fox und SR Suntour packen noch eine Druckstufendämpfung drauf. Mit dieser Option erhält der Fahrer die Möglichkeit, dämpfungsseitig mehr Gegendruck aufzubauen, ohne den Luftdruck erhöhen zu müssen.
Fazit Peter Nilges, BIKE-Redakteur:
"Mit Preis- und Gewichtsrekorden setzt der neue Jahrgang an Race-Gabeln einige Akzente. Doch auch die Fahreigenschaften können sich absolut sehen lassen. Den besten Eindruck auf der 24h-Rennstrecke in Finale Ligure hinterließen die DT Swiss und die Fox, wobei erstere alleine auf Grund des Gewichts für viele Racer sehr interessant sein dürfte. Die Rock Shox RS-1 zählt ebenfalls zu den Favoriten, konnte diesmal aber nicht den Testsieg vom letzten Jahr wiederholen. Die Performance schwankt oft von Gabel zu Gabel, wie die vielen Bike-Tests in der Vergangenheit belegen. Die günstige Bulls büßt auf Grund des Gewichts und durchschnittlicher Fahreigenschaften Punkte ein."
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Details der 100-Millimeter-Racegabeln:
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BULLS LYTRO
Preis 599 Euro
Info www.bulls.de
Federweg¹/Werksangabe 100 mm/100 mm
Gewicht¹ 1904 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 180 mm/120 kg
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 517 mm
Verdrehsteifigkeit 20,8 Nm/°
Bremssteifigkeit 201,8 Nm/°
Sensibilität (15 %) 8 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 10 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 8 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 11 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 8 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 8 von max. 12 Punkten
FAZIT Die Bulls Lytro ist die mit Abstand günstigste Gabel im Test und basiert auf einer SR Suntour Axon. Sie verfügt über den gleichen Lockout-Hebel, verzichtet jedoch auf eine einstellbare Druckstufendämpfung, was zumindest die Handhabung vereinfacht. Mit 1904 Gramm ist sie die schwerste im Feld. Beim Ansprechverhalten liegt die Lytro in einem mittleren Bereich. Durch die nicht einstellbare Druckstufe sackt sie etwas durch den Federweg und gibt im Downhill nicht ganz so gutes Feedback wie die Top-Gabeln.
BIKE-Urteil² GUT
DT SWISS O.D.L. RACE
Preis 1199 Euro
Info www.dtswiss.com
Federweg¹/Werksangabe 105 mm/100 mm
Gewicht¹ 1540 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe, Druckstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 210 mm/110 kg
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 515 mm
Verdrehsteifigkeit 20,8 Nm/°
Bremssteifigkeit 167,0 Nm/°
Sensibilität (15 %) 12 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 11 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 12 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 9 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 7 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 10 von max. 12 Punkten
FAZIT Durch den Einsatz von gesticktem Carbon beim Schaft und der Gabelkrone erreicht die Federgabel von Weltmeister Nino Schurter ein Top-Gewicht von nur 1540 Gramm inklusive Remote-Hebel. Uns gefiel die hohe Sensibilität, mit der die O.D.L den Boden abtastet und daher beste Traktion liefert. Wenn es grob wird, bleibt die Gabel dennoch hoch im Federweg und lässt sich über die einstellbare Druckstufe feintunen. Geringe Bremssteifigkeit und Klackgeräusche an der Vorserienkartusche trübten das ansonsten makellose Bild.
BIKE-Urteil² SUPER
FOX 32 FLOAT
Preis 1059 Euro
Info www ridefox.com
Federweg¹/Werksangabe 100 mm/100 mm
Gewicht¹ 1711 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe, Druckstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 205 mm/nein
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 502 mm
Verdrehsteifigkeit 22,1 Nm/°
Bremssteifigkeit 178,5 Nm/°
Sensibilität (15 %) 11 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 11 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 12 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 10 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 8 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 9 von max. 12 Punkten
FAZIT Zusammen mit der DT Swiss O.D.L lieferte sich die Fox 32 ein hartes Duell um die beste Race-Gabel. Seitens des Labors bietet sie eine minimal höhere Steifigkeit und keine Einschränkung beim Fahrergewicht. Dafür bringt sie 171 Gramm mehr auf die Waage. Im Praxistest begeisterte die 32 mit feinem Ansprechen einerseits und perfekter Dämpfungskontrolle auf der anderen Seite. Neben der fein justierbaren Druckstufendämpfung lässt sich die Fox auch sehr gut im mittleren Modus fahren, ohne Sensibilität einzubüßen.
BIKE-Urteil² SUPER
MAGURA eLECT
Preis 900 Euro
Info www.magura.de
Federweg¹/Werksangabe 106 mm/100 mm
Gewicht¹ 1702 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja, automatisch
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 210 mm/130 kg
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 520 mm
Verdrehsteifigkeit 25,2 Nm/°
Bremssteifigkeit 199,4 Nm/°
Sensibilität (15 %) 7 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 12 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 8 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 9 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 9 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 9 von max. 12 Punkten
FAZIT Magura setzt auf elektronische Unterstützung und senkt zudem massiv die Preise. Nach anfänglichem Setup mit Kalibrierung steht bei der eLECT ein zuverlässiger Automatik-Modus zur Verfügung, der je nach Strecke selbsttätig die Gabel blockiert oder öffnet. Alternativ kann per Funkfernbedienung auch selbst gesteuert werden. Bergab vermittelt die Magura allerdings nur wenig Komfort und arbeitet zu träge. Kleine Unebenheiten lassen die eLECT auch im offenen Modus kalt, was zu wenig Grip am Vorderrad führt.
BIKE-Urteil² GUT
ROCK SHOX RS-1
Preis 1946 Euro
Info www.sram.com
Federweg¹/Werksangabe 100 mm/100 mm
Gewicht¹ 1693 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 200 mm/nein
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 506 mm
Verdrehsteifigkeit 10,7 Nm/°
Bremssteifigkeit 250,5 Nm/°
Sensibilität (15 %) 10 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 11 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 11 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 9 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 8 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 9 von max. 12 Punkten
FAZIT Sie war noch nie ein Schnäppchen und legt preislich sogar noch einen drauf. Atemraubende 1946 Euro ruft Rock Shox aktuell für die RS-1 aus Carbon auf. Die Uspide-down-Gabel vereint eine sehr hohe Bremssteifigkeit mit einer geringen Verdrehsteifigkeit und vergleichsweise hohem Gewicht (etwa 50 g schwerere Spezialnabe erforderlich). Dennoch konnte sich die RS-1 aufgrund überragender Fahreigenschaften im letzten Jahr den Testsieg sichern. In diesem Jahr wurde es schwieriger. Fox und DT Swiss zogen knapp vorbei.
BIKE-Urteil² SEHR GUT
SR SUNTOUR AXON WERX
Preis 1339 Euro
Info www.srsuntour-cycling.com
Federweg¹/Werksangabe 104 mm/100 mm
Gewicht¹ 1567 g
HERSTELLERANGABEN
Einstellmöglichkeiten Federhärte über Luftdruck, Zugstufe, Druckstufe
Absenkung/Blockierung Nein/ja
Max. Ø Disc/Gewichts-Limit 180 mm/120 kg
Verfügbare Schäfte Taper
Verfügbare Ausfallenden 15 mm
MESSWERTE ¹
Einbaulänge 513 mm
Verdrehsteifigkeit 19,4 Nm/°
Bremssteifigkeit 171,8 Nm/°
Sensibilität (15 %) 9 von max. 12 Punkten
Uphill (20 %) 10 von max. 12 Punkten
Downhill (25 %) 10 von max. 12 Punkten
Handhabung (10 %) 10 von max. 12 Punkten
Steifigkeit (15 %) 7 von max. 12 Punkten
Gewicht (15 %) 10 von max. 12 Punkten
FAZIT Neben der DT Swiss und der Rock Shox ist die SR Suntour die Dritte im Bunde, bei der Carbon zum Einsatz kommt. Sogar die Tauchrohre werden aus Kohlefaser gefertigt, wodurch ein sehr niedriges Gewicht von 1567 Gramm zu Stande kommt. Bei der Steifigkeit müssen kleine Abstriche in Kauf genommen werden, genauso wie bei der Beschränkung auf 180er-Bremsscheiben. In der Praxis hinterlässt die Axon einen sehr guten Eindruck. Sie spricht gut an, kann jedoch nicht mit Fox und DT Swiss konkurrieren.
BIKE-Urteil² SEHR GUT
¹BIKE-Messwerte (Gewicht inklusive Steckachse und Remote-Hebel).
²Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. Es setzt sich aus den sechs Kriterien zusammen und basiert auf gerundeten Werten. BIKE-Urteile: super, sehr gut, gut, befriedigend, mit Schwächen, ungenügend.