Peter Nilges
· 03.09.2015
Im 29 Zoll Markt gibt es leichte Race- und langhubige All-Mountain-Gabeln, Luftfederungen, Leichtbau-Tuning und ein Upside-down-Konzept. Wir haben elf spannende Modelle in Labor und Praxis getestet.
Sie steht Kopf, kostet das Doppelte und war die erste Wahl der Profi-Teams beim diesjährigen Cape Epic. Die Rede ist von der RS-1, der neuesten Gabel aus dem Hause Rock Shox. Auf Grund der Upside-down-Bauweise in Carbon ist sie aktuell die spektakulärste Neuheit am Gabelmarkt. Mit Spannung fieberten wir daher diesem ersten, großen Vergleichstest entgegen, um festzustellen, ob hinter der attraktiven Optik auch konkurrenzfähige Funktion steckt. Denn nicht nur bei Rock Shox tut sich was. Gerade im Segment der leichten 29er-Federgabeln gibt es einige viel versprechende Neuheiten.
Diese 29 Zoll All Mountain und Cross Country Federgabeln haben wir getestet:
- ALL MOUNTAIN 29":
• Formula Thirty Three
• Fox 34 Float CTD
• Rock Shox Pike RCT3
• SR Suntour Auron RC2
• X-Fusion Trace RL2 (BIKE-Tipp: Preis/Leistung)
- CROSS COUNTRY 29":
• Bos Dizzy XC 100
• DT Swiss OPM O.D.L (BIKE-Tipp: Preis/Leistung)
• Formula Thirty Three
• Fox 32 Float 29 CTD
• Magura TS8 R DLO ²
• Rock Shox RS-1 (BIKE-Tipp: Testsieger)
Noch nie war die Leistungsdichte höher, noch nie lagen die Testkandidaten auch in Sachen Gewicht enger beisammen. Gerade einmal 80 Gramm trennen die leichteste von der schwersten Race-Gabel im Testfeld. Neben der Upside-down-Offensive von Rock Shox betritt der französische Fahrwerksspezialist BOS den Markt der kurzen Federwege. Im Enduro- und Downhill-Bereich ist BOS seit Jahren eine etablierte Größe, weshalb wir uns besonders auf die neue Dizzy XC freuten, die allerdings ohne Remote-Hebel am Lenker kommt. Ein essenzielles Tool, das Racer bei kurzen Zwischen-Sprints und Uphill-Passagen schmerzlich vermissen. Nicht ganz neu, dafür aber in diesem Jahr mit Remote-Hebel, präsentiert sich die Formula Thirty Three, auch wenn der Hebel für ein schnelles Blockieren einen zu langen Weg hat. Magura, Fox und DT Swiss, die mit der OPM-Baureihe (One Piece Magnesium) ebenfalls eine komplett überarbeitete Gabel an den Start bringen, komplettieren das Testfeld der 100-Millimeter-Gabeln. Neben den geringen Unterschieden beim Gewicht überrascht die große Preisspanne. Zwischen der Magura TS8 und der 1658 Euro teuren Rock Shox RS-1 klaffen unglaubliche 909 Euro.
Innerhalb der All-Mountain-Klasse verhält es sich andersrum. Halbwegs moderate 350 Euro beträgt der Unterschied beim Preis, dafür aber fast 500 Gramm beim Gewicht – und das bei einem identischen Federweg von 140 Millimetern. Mit nur 1677 Gramm bringt die Formula Thirty Three mit ihren schlanken 33-Millimeter-Standrohren am wenigsten auf die Waage. Damit ist sie die leichteste uns bekannte 29er-All-Mountain-Gabel. In Kombination mit dem super sensiblen Ansprechverhalten eine gute Wahl für Touren-Bikes, bei denen auch das Gewicht im Vordergrund steht. Kehrseite der Medaille ist die für diesen Federweg eher geringe Steifigkeit und die Beschränkung auf Bremsen mit maximal 180 Millimetern Scheibendurchmesser. Schwere Fahrer sollten daher lieber zu Modellen mit dickeren Standrohren greifen. Im Gegensatz zur Formula spielt die gewichtsmäßig leicht angestaubte Fox 34 mit ihren weit über zwei Kilo in einer anderen Klasse. Doch die deutlich leichtere Nachfolgerin der 34 (siehe BIKE 4/15) wurde bereits präsentiert. Bei den Stichworten Gewicht und Steifigkeit darf natürlich eine Rock Shox Pike nicht fehlen, die dank 35-Millimeter-Standrohren beide Anforderungen sehr gut in Einklang bringt und obendrein nicht übertrieben teuer ist. Die beiden günstigsten Gabeln im Test kommen von SR Suntour und X-Fusion. Für 649 Euro bekommt man mit der Auron eine vielfältig einstellbare und sehr steife All-Mountain-Gabel, die knapp über zwei Kilo wiegt. Im Vergleich zum Rest des Feldes lässt die Auron jedoch Sensibilität vermissen, wodurch sie sich insgesamt etwas träge und leblos anfühlt. Die nur 50 Euro teurere und 100 Gramm leichtere X-Fusion Trace bot dagegen deutlich mehr Komfort. Lediglich sportliche Fahrer könnten im steilen Gelände etwas Gegendruck durch die nicht einstellbare Druckstufendämpfung vermissen.
Doch zurück zur 100-Millimeter-Klasse. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Upside-down-Gabel lässt sich in der Theorie durch eine höhere Sensibilität aufgrund permanent geschmierter Dichtungen sowie einer geringeren, ungefederten Masse begründen. Der große Nachteil liegt in der geringen Lenkpräzision und dem aufwändigen Radwechsel, da die Tauchrohre nicht über eine Brücke miteinander verbunden sind und sich verdrehen können. Rock Shox versucht, die Steifigkeit über eine spezielle Vorderradnabe zu erhöhen, was, wie die Messung zeigt, nur teilweise gelingt. Doch wie viel Steifigkeit ist überhaupt nötig? Auf dem Trail fuhr sich unsere Testgabel äußerst sensibel und bot perfekte Traktion. Die geringe Verdrehsteifigkeit macht sich positiv und negativ bemerkbar. In steinigen Passagen sucht die Gabel ihren Weg und schlängelt sich hindurch, ohne dass das Vorderrad durch starke seitliche Impulse verspringt. In Fahrsituationen mit viel Last auf dem Vorderrad, zum Beispiel in Kompressionen, fühlt sich die Gabel etwas weich an. In der Summe erreicht die RS-1 in unserem Test dennoch die höchste Punktzahl. Ob das jedoch 1658 Euro wert ist, ist die andere Frage. Das hängt stark vom persönlichen Geschmack ab.
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