Marc Strucken
· 02.09.2025
Dieser Artikel ist erstmalig am 12.09.2024 erschienen - wir haben ihn jetzt um unsere Testergebnisse ergänzt.
Garmin, Wahoo, Sigma - an den drei großen Marken für Fahrradcomputer kommt man kaum vorbei. Unlängst versuchen aber auch kleinere Marken ein Stück vom dicken Kuchen abzuknapsen: Coros, Beeline oder Twonav. Jetzt steigt also der Schweizer Hersteller Jespr mit seinem gleichnamigen GPS-Navi ein. Wobei die Firma über sich selbst noch nicht viel sagt, außer dass sie 2016 von Ariane Künzli, Matthias Peter, Andreas Roth in Zürich gegründet wurde.
Das Jespr-Navi soll zunächst einmal durch ein großes, hochauflösendes Display und eine besonders klare Benutzeroberfläche auffallen. Jespr gibt an, dass vor allem die Darstellung dahingehend entwickelt wurde, um Fahrer/innen zu ermöglichen, Metriken und Kartendetails auf einen Blick zu erfassen, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. Im Vergleich zum neuen Garmin Edge 1050 könnte man sagen: Hier kommt der Gegenentwurf mit einer sehr reduzierten Oberfläche.
Anhand der uns anfangs zugeschickten Grafiken und Videos kann noch nicht bewertet werden, wie sich etwa die Menüführung oder Handhabung gestalten. Jespr sagt davon aber, dass das Fahrrad-Navi Funktionen wie automatische Neuberechnung der Route, Kursbenachrichtigungen, Steigungserkennung, topografische Ansicht und Windinformationen zu einem “Navigationserlebnis der nächsten Generation” verknüpfen würde, das “mit einer völlig neuen Art, die Fahrt zu kontextualisieren” besticht. Mehr dazu in unserem Test weiter unten.
Was die bloßen Maße des Geräts angeht, ist das Jespr etwa mit dem Garmin Edge 1050 vergleichbar: mit 69,5 mm etwa 10 mm breiter, aber in etwa gleich lang und hoch. Mit 183 Gramm ist das Jespr etwas schwerer, das 1050 wiegt 161 g, das 1040 dagegen nur 133 g. Die Konnektivität des Jespr umfasst Mobilfunk, WiFi, Bluetooth, ANT+. Den Standort bestimmt das Device mittels GPS, GLONASS, Galileo und BeiDou.
Der neue Fahrradcomputer von Jespr setzt laut Hersteller auf Einfachheit und liefert nur Informationen, die sich automatisch an das gewählte Terrain des Fahrers anpassen. Benutzer/innen können viele verschiedene Fahrräder zu ihrem Profil hinzufügen und ihren Fahrtyp auswählen. Das Navi zeigt die relevanten Informationen, Winddaten und Routenoptionen für die gewählte Aktivität an, sei es auf der Straße, im Gelände, beim Zeitfahren, Triathlon und mehr.
Der Jespr-Fahrradcomputer umfasst spezifische Fahrmodi, die dem Hersteller nach in Zusammenarbeit mit Profisportlern und Leistungstrainern entwickelt wurden. Von der Spontanität des Free Ride Mode über die angenehme Animation des Direction Mode bis hin zu den leistungsorientierten Metriken des Training Mode und den reduzierten Bildschirmen des Race Mode soll die Darstellung auf jede Art von Fahrt zugeschnitten sein.
Wer Radsport ernsthafter betreibt, kommt auch ohne eine Peripherie an Geräten am Rad nicht aus: Powermeter, elektrische Schaltung, aber auch Herzfrequenzmonitor oder ein Radar-Bremslicht gehören dazu.
Das Jespr Navi soll sich nach Herstellerangaben nahtlos mit allen diesen Sensoren und Devices verbinden. Aber selbst für Radfahrer/innen, die ohne Leistungsmesser fahren, kann Jespr aus verfügbaren Fahrdaten Live-Leistungswerte ableiten und schätzen.
Spannend klingt, dass Jespr sich mit einem Fahrrad-Radar koppeln kann und herannahenden Verkehr auf dem Display anzeigt. Das können zwar die Navis von Garmin auch, aber die Darstellung soll bei Jespr etwas besser bzw. auffälliger als dort sein. Das konnten wir leider mangels Radar-Device testen.
Die Schweizer von Jesprs gehen noch einen Schritt weiter. So verfügt das Navigationsgerät über die wohl erste integrierte mobile Datenverbindung mit einer internen SIM-Karte. So wird das Tethering - die ständige Datenverbindung mit dem Telefon - überflüssig. Das bedeutet, dass etwa die Navigation oder Winddateninformationen direkt über das Jespr selbst bereitgestellt werden.
Die Plattform my.Jespr.io unterstützt zudem eine Over-the-Air-Synchronisation von Routen und Trainingsplänen mit allen großen Anbietern, einschließlich Strava, Training Peaks und Komoot. Auch die Einstellungen des Geräts werden mit der Jespr-Plattform synchronisiert und Software-Updates automatisch auf das Gerät übertragen.
Die ersten Kund/innen von Jespr bekommen einen kostenlosen Datentarif bis Ende 2025. Danach tritt ein Abonnementmodell in Kraft, das das Unternehmen jetzt zunächst mit 5 Euro pro Monat angibt - oder “schätzt”, wie es in der Pressemitteilung heißt.
Der Jespr Fahrradcomputer ist ab sofort in ganz Europa erhältlich. Ob sich dies auf die Webseite des Herstellers bezieht oder auch Fachhändler gemeint sind, ist nicht klar. Der Preis allerdings steht fest: 540 Schweizer Franken, das macht etwa 580 Euro.
Wie jeder Produkttest beginnt alles mit dem Unboxing, also dem Moment, in dem das Testobjekt aus der Verpackung schlüpft. Jespr ist ein schön designtes Device mit einem großen Display und abgerundeten Kanten. Der Boden des ist minimal größer, sodass sich das Gerät ganz leicht trapezförmig in der Draufsicht verbreitert.
Am unteren Rand der Oberseite sind drei physische Tasten unter einer weichen Gummileiste - anders als bei anderen Navis gibt es keine Knöpfe an den Seiten. Einzig der Micro-USB-Anschluss (kein USB-C wie mittlerweile üblich) an der unteren Seite durchbricht das geschlossene Design. Auf der gewölbten Rückseite thront die Standard-Vierteldreh-Halterung, die auch Garmin & Co. nutzen.
Eingeschaltet wird das GPS-Navi Jespr mit der mittleren Taste. Nach dem allerersten Start mit Einrichtung, der schnell erledigt ist, dauert auch der reguläre Boot-Vorgang 40 Sekunden, allein 25 Sekunden dauert es bis das Logo erstmalig auf dem Display erscheint.
Das ist verhältnismäßig lang und bei den ersten Malen denkt sich der gestresste Stadtbiker: “Kommt da noch was?” Aber Schweizern sagt man ja bekanntlich sprichwörtliche Gemütlichkeit sowie Perfektionismus nach. Und so erstrahlt das Menü des Navis äußerst aufgeräumt und klar strukturiert - großer Punkt für Jespr.
Die Menüführung funktioniert wahlweise über die drei Tasten oder mit dem Wischfinger am Display, was sich - so viel vorweg - während der Fahrt als großer Vorteil herausstellt. Wildes Display-Tippen auf rauem Asphalt war gestern, es lebe die mit jedem Handschuh bedienbare Taste!
Die Jespr-eigene Software stellt vier Modus-Optionen zur Wahl: Freeride, Direction, Training und Race. Zu Freeride lässt sich sagen, dass das schlicht der einfache Tracking-Modus ist, bei dem, je nach verbundener Peripherie aus Wattmesser, Pulsgurt etc. die Daten angezeigt werden - und natürlich die Strecke auf der Karte.
Spannend ist schon der Direction-Modus. Hier können Routen eingesehen, hochgeladen und erstellt oder zu einem Punkt hin navigiert werden. Da Jespr aktuell nur Integration zu Komoot, Strava und Trainingspeaks erlaubt, nicht aber Garmin, Outdooraktive oder andere, haben wir hier flugs eigene Routen und Rundfahrten erstellt.
Zunächst schlägt die Software eine 50-km-Runde vor vom eigenen Standort abgehend. Hier kann schon die Länge über einen virtuellen Schieberegler justiert werden. Über den klassischen “Bearbeiten”-Stift kommt man dann aber zu zwei weiteren Schiebern, mit denen sich die Oberfläche (Asphalt, Gravel, MTB) und das Profil (Anstieg vermeiden, Mitte, Anstieg bevorzugen) einstellen lässt.
Über die etwas irreführende Schaltfläche “Navigieren” lässt sich die geplante Route, das Höhenprofil und Anstiege in der Übersicht ansehen. Weitere Möglichkeit zum Bearbeiten gibt es hier nicht, man kann lediglich speichern oder Abbrechen, was dann gleich zum Homescreen zurückführt.
Ähnlich lassen sich auch verschiedene Trainings hochladen (vorausgesetzt man nutzt die genannten Plattformen) oder selbst im Gerät erstellen mittels Vorgabe von Zeit und Ziel-Watt-Wert, also beispielsweise 10 min 110 Watt Warm-up, dann 4 Mal jeweils 5 min 150 und 210 Watt im Wechseln, und so weiter.
Unter Races lassen sich Rennen hochladen - was wir aber mangels Renn-Ambitionen und -Erfahrungen nicht ausprobiert haben.
Sehr gespannt waren wir auf die angekündigte Funktion der visualisierten Winddaten während der Fahrt, wie sie auch zuletzt Wahoo vorgestellt hatte. Ein Strichmuster zeigt an, aus welcher Richtung der Wind aufs Rad trifft, im rechten oberen Eck des Display steht die Windgeschwindigkeit. Jespr lässt leider nicht wissen, wie diese Daten erhoben und auf die Fahrt implementiert werden.
Was wir nicht testen konnten, das war die integrierte mobile Datenverbindung. Über die Verbindung mit WLAN und/oder Smartphone war das aber ok. Auch eine Anbindung an ein Bike-Radar stand uns aktuell nicht zur Verfügung.
Jespr ist konzeptionell schon als auf den Sport fokussiertes Gerät entwickelt worden. Das sieht man an der klaren Daten-Darstellung und Menü-Struktur. Das sieht man aber vor allem daran, was NICHT auf dem Fahrradnavi zu finden ist:
Und bitte, Jespr: Lasst das genau so! Es ist zumindest für einen Redakteur mittleren Alters sehr angenehm, keine unzähligen Widgets und Apps oder Modi zu haben. Man kann - ganz im Positiven - fast sagen, dass das Jespr Navi die Funktionalität der frühen 2000er-Geräte zurückbringt gepaart mit modernem Display und Software-Design!
Das Display am Jespr Fahrradnavi ist deutlich größer als beim aktuellen Garmin Edge 1050 (101 mm Diagonale vs. 88,9 mm), die Grafik nur in Schwarz, einem Grünton und gedeckten Farben in der Karte dargestellt - eigentlich beste Voraussetzungen für gute Lesbarkeit in hellem Licht.
Tatsächlich spiegelt die hochglänzende Glasfläche des Displays aber so sehr, und das Display ist dann doch nicht leuchtkräftig genug, um gegen die Sonne wirklich anzukommen. Gesetzt, dass das Gerät auf der Halterung vor (oder zumindest auf) dem Lenker steckt, man also nicht direkt von oben darauf schaut, spiegelt sich meist der Himmel darin. Bei praller Sonne ist es kaum ablesbar. Dazu kommt, dass die Kartendarstellung sehr feine Linien und keine kontrastreichen Farben nutzt. Wie schade, da doch die Grafik so wohltuend aufgeräumt gestaltet ist!
Die Winddatenvisualisierung war leider in vielen Fällen nicht nachvollziehbar - aus Laiensicht fast schon erwartbar. Wie, außer mit einer Sonde am Navi, kann das Gerät die lokalen, geschweige denn die individuellen Windverhältnisse messen und darstellen? Bei unseren Testfahrten wehte teils frischer Wind in Böen, die das Gerät kaum wiedergab.
Auf der anderen Seite stimmte die Anzeige bei leichtem Wind genau und über längere Strecken, egal wie man das Rad gegen oder mit dem Wind fuhr. Die Darstellung ist also nicht wirklich verlässlich. Der mittelalte Redakteur schaut also weiter ins Blätterwerk der Bäume und weiß: “Juhu, die nächsten 10 km habe ich Gegenwind aus NNO!”
Da das Jespr immer noch ein Start-Up-Produkt ist und wahrscheinlich noch ein paar Überarbeitungen durchlaufen wird, haben wir Hoffnung, dass das noch ein Player am Markt wird. Sehr gute Ansätze sind da. Die Software-Oberfläche, die Menüführung, die bewusst reduzierte Funktionalität und auch die noch nicht erwähnte, verhältnismäßig lange Laufzeit des Akkus - alles das ist sehr positiv zu erwähnen.
Leider ist das Display in der Sonne schlecht ablesbar, der Kontrast der Kartendarstellung ebenfalls nicht optimal. Und warum ein antiquierter Micro-USB-Anschluss? Mit umgerechnet etwa 580 Euro sicher günstiger als das Garmin 1050, aber auch nur schwer vergleichbar. Die Konkurrenz sind wohl eher das Wahoo ELEMNT (Straßenpreise etwa 240 bis 500 Euro, je nach Modell) oder ein Sigma Rox (etwa 380/480 Euro online).