Jan Timmermann
· 04.02.2025
Mit dem ZF CentriX will ein weiterer Automobil-Zulieferer die E-MTB-Szene aufmischen. Im Vergleich zu den meisten Bike-Firmen ist die „Zahnradfabrik Friedrichshafen” ein richtig großer Player. Dennoch befindet sich auch der Automobilzulieferer ZF aktuell in stürmischen Wirtschafts-Gewässern. Weltweit vertreibt das Unternehmen vom Bodensee Getriebe, Achsen, Kupplungen und vieles mehr. Bereits 2019 betrat man mit einer Beteiligung an Sachs Micro Mobility erstmals den Markt für E-Bike-Motoren. Unter eigenem Label gibt es nun ein komplett neues, serienreifes Aggregat: den ZF CentriX. Wir haben den Neuling nicht geschont und sowohl auf dem Prüfstand, als auch auf dem Trail ausgiebig getestet.
Die kreisrunde Motoreinheit des ZF CentriX ist mit 88 Millimetern Durchmessern kaum größer als eine Getränkedose und liefert auf dem Papier trotzdem eine ähnliche Leistung, wie andere etablierte Full-Power-Lösungen. Schlüssel für die Traummaße ist ein zylindrisches, ultrakompaktes Wellengetriebe, welches mit nur wenigen Kleinteilen auskommt. Damit die Power trotz Mini-Größe mithalten kann, wird das ZF-Ecosystem nicht, wie bei klassischen E-Bike-Motoren, mit 36 sondern mit 48 Volt Spannung betrieben. Das beeindruckende Versprechen: 90 Newtonmeter und 600 Watt in der Spitze bei nur 2,5 Kilo. Damit würde ZF ein Leistungsgewicht erreichen, das nur vom neuen DJI Avinox übertrumpft wird.
Beim neuen ZF CentriX stehen zwei Akkus mit 504 oder 756 Wattstunden zur Auswahl. Bike-Hersteller sollen auch auf Dritthersteller zurückgreifen dürfen. Auf einer Steuereinheit im Oberrohr werden Ladestand und Unterstützungsstufe angezeigt. Dazu gibt es eine Schnittstelle für die Stromversorgung eines Smartphones. Auch zusätzliche Displays umfasst das System. Ebenso, wie der Lenker-Remote sind diese kabelgebunden. Dass der Motor besonders bequem montiert wird, dürfte die Werkstätten der Fachhändler freuen. Mit dem E-Bike-Projekt will ZF seine Geltung im Bereich der Mikromobilität erweitern. Auf der Eurobike 2024 präsentierte ZF den neuen Mittelmotor in einem Muster-Rahmen, dessen Layout der Schweizer Bike-Hersteller Bergstrom übernommen hat. Das allererste Serienbike mit ZF CentriX kommt jedoch von Raymon und ist ein ausgewachsenes E-Enduro.
Betrachtet man die nackten Zahlen, liefert der ZF CentriX eine ähnliche Spitzenleistung, wie die wichtigste Konkurrenz. Allerdings besitzt der Motor selbst einen nicht unerheblichen Gewichtsvorteil von 320 Gramm gegenüber Bosch, beziehungsweise 120 Gramm gegenüber Shimano. Auf dem Prüfstand zeigt sich der CentriX unkompliziert und baut seine Leistung sehr gleichmäßig auf. Schön, dass die Power auch noch bei Kadenzen von gut 120 Umdrehungen pro Minute aufrechterhalten wird – ein Vorteil gegenüber Shimano. Doch die Aggregate von z. B. Bosch und DJI ziehen noch deutlich länger mit voller Kraft durch.
¹ Gemessen im BIKE-Testlabor
Ohne Unterstützung, macht sich beim Treten ein leicht erhöhter Widerstand im ZF bemerkbar. Gerade Boschs CX schneidet hier deutlich besser ab. Dafür bestätigt sich ein wichtiger Praxis-Eindruck vom Trail: Seine Kraft entfaltet der CenriX gleichförmiger, sprich weniger progressiv, als der neuste Bosch und schiebt bereits bei 110 Watt Input ordentlich an. War auf dem Trail sehr viel Last bei niedriger Trittfrequenz gefragt, machte sich der Motor mit einem schabenden Geräusch bemerkbar. Zudem registrierten wir bergauf über extrem steiles Kopfsteinpflaster ein leichtes Stottern. Laut ZF handelt es sich um eine Funktion einer innenliegenden Kupplung, die den Antrieb gegen Überlast schützt. Hier wollen die Entwickler noch feinjustieren. Hat man sich einmal an diese Nebenwirkungen gewöhnt, tun sie dem Fahrfluss keinen Abbruch.
Schade, dass die guten Nachrichten vom ZF CentriX auf dem Prüfstand durch das unbefriedigende Verhältnis von Akku-Gewicht und Reichhöhe einen etwas faden Beigeschmack bekommen. Bei unserem standardisierten Praxistest² liefert der schwere 756-Wattstunden-Akku nur Saft für 1560 Höhenmeter. Das kann die Konkurrenz, allen voran Boschs CX, eindeutig besser. Und auch der ebenfalls neue und vergleichbar leichte DJI übertrumpft den ZF bei der Reichweite klar.
² Ermittelt bei Messfahrten auf Asphalt mit 12,2 Prozent Steigung. Höchste Unterstützungsstufe, Fahrerleistung 150 W, Fahrergewicht 90 kg.
Vom Fleck weg zieht der ZF CentriX mit Wumms von dannen. Der Zug nach vorne setzt zackig ein, bleibt im Initialverhalten jedoch noch innerhalb der Kontroll-Grenzen. Das klappt mit der seriennahen Steuerung deutlich besser, als noch beim Prototypen, den wir rund um die Eurobike testen konnten. Bei Fahrschülern gefürchtet, mit dem ZF aber null Problem: Anfahren am Berg. Über das gesamte Fahr-Spektrum lässt der ZF keine Power vermissen, schiebt durchgehend kräftig an und geizt im Trail-Einsatz weder bei hohen Kadenzen, noch im unteren Grenzbereich mit Unterstützung.
Wer den kräftigen Nachlauf des ZF CentriX gezielt für sich arbeiten lässt, wird auch über fiese Sektionen emporgezogen. Allerdings ist der Schub auffällig gleichförmig. Begleitet wird der E-Antrieb von einem lauten Summen, das sogar die Shimano-Konkurrenz übertönt. Dezent ist anders! Schön: Bergab ist der Motor entgegen dem EP801 oder auch einem Bosch Performance SX absolut klapperfrei.
Beim Thema Modulation erreicht der ZF CentriX leider nicht die Sensibilität der Klassenbesten. Hier wird der betont gleichmäßige Schub zum Problem, denn das Aggregat schiebt ungeachtet der Fahrsituation stoisch an. Auch niedrigere U-Stufen bringen nur eine leichte Verbesserung. Wie eine natürliche Verlängerung der eigenen Beinkraft fühlt sich das nicht an. Entsprechend schwierig ist es auch, aus niedrigem oder mittlerem Tempo vor einer Schlüsselstelle gezielt Schwung zu holen. Wird es technisch, will der neue Motor lieber mit Köpfchen gefahren werden. Im zahmen Gelände gefällt der verlässliche Vorwärtsdrang.
Auffällig, aber vermutlich nur beim Rangieren in der Garage mit dem ZF CentriX relevant: Beim Rückwärtsschieben erzeugt der Motor oftmals einen ungewöhnlich hohen Widerstand. Relevanter, und in speziellen Szenarien auch in der Praxis auffällig, ist der leicht erhöhte Tretwiderstand über 25 km/h, bzw. bei ausgeschaltetem Motor. Hier liegt der ZF auf ähnlichem Niveau wie DJIs Avinox. Beide laufen nicht so frei wie Boschs neuer Performance Line CX.
Der ZF Centrix ist ein interessanter Wurf aus Deutschland. Beständig, kraftvoll, laut treibt der herrlich kompakte Newcomer das E-MTB voran. In punkto Dynamik dominiert der gleichförmige Schub. So erzeugt der CentriX Verlässlichkeit aber auch ein eher künstliches Antriebsgefühl. Schade, dass der Akku trotz properem Gewicht wenig Reichweite hergibt. - Adrian Kaether, BIKE-Redakteur