Florentin Vesenbeckh
· 24.05.2024
Der HPR 50 zeigt klare Kante wie kein anderer Antrieb. Geringes Gewicht, leises Antriebsgeräusch und natürliches Fahrgefühl haben bei dem Motor aus Bayern höchste Priorität. Obendrein ist der runde TQ kaum größer als eine Coladose und damit der kleinste und optisch unauffälligste Mittelmotor am Markt. Die Zielgruppe ist damit klar gesteckt: Wer mit “dicken” E-Bikes fremdelt, aber trotzdem mit Zusatzschub liebäugelt, findet hier einen spannenden Mix. Leichter und unauffälliger als mit dem TQ HPR 50 kann man kein E-Mountainbike bauen. Aber wieviel Schub kann der kleine Leisetreter liefern und wie schneidet er im Vergleich zur Konkurrenz ab? Dafür haben wir ihn aufwändig in Labor und Praxis getestet.
Haben wir schon erwähnt, dass der HPR 50 ein Minimalist ist? Das gilt auch für seinen Antriebscharakter. Fein dosiert und gemäßigt, statt plakativ und ruppig. Echtes E-Bike-Feeling kommt mit dem TQ-Motor kaum auf. Das liegt zwar zum einen ganz simpel an der geringeren Maximalleistung, doch auch an der Art und Weise, wie der HPR50 seine Power freisetzt. Außerdem ist die Kraftübertragung durch das spezielle Pin-Ring-Getriebe (HPR steht für Harmonic Pin Ring) sehr direkt und dadurch besonders natürlich. Einen Leerweg, bis der Kraftschluss da ist, gibt´s mit dem HPR 50 nicht.
Auch bei der Geräuschkulisse setzt sich der Mini-TQ deutlich an die Spitze des Feldes der Mittelmotoren. Bergab klappert er nicht, bergauf geht der dezente Antriebssound in vielen Situationen in den Umgebungsgeräuschen unter. Diese Kompetenzen würde wohl jeder E-Biker an seinem Bike begrüßen – doch die dezente Unterstützung des Minimalisten schränkt den potenziellen Nutzerkreis ein.
Mit seinem natürlichen, wenig aufdringlichen Antriebscharakter macht der TQ für alle Sinn, die kein aufdringliches E-Bike-Gefühl wollen. Kleinreden darf man den Schub dabei aber nicht. Denn im Vergleich zum unmotorisierten MTB ist ein durchschnittlicher Biker mit TQ-Power locker doppelt so schnell unterwegs. Wer dem TQ allerdings dauerhaft volle Unterstützung abverlangt, wird an langen Anstiegen Probleme mit der Standfestigkeit bekommen. Und im direkten Vergleich ist die Reichweite mit dem 360er-Akku etwas geringer, als mit vergleichbar ausgestatteten Systemen.
Nicht nur unser Labortest sondern auch diverse Praxistests und Erfahrungen zeigen deutlich: Maximale Leistung und Drehmoment liegen klar hinter allen anderen Prüflingen unserer Vergleichs von acht Mittelmotoren. Der Schub liegt in etwa auf dem Niveau eines Specialized SL 1.2 (nicht im Test), aber deutlich hinter Fazua Ride 60 oder Bosch Performance SX. Bei gemächlichem Tritt schiebt der HPR 50 nur mäßig an, das fördert das natürliche, wenig aufdringliche Fahrgefühl. Auf stärkeren Fahrerinput reagiert er deutlich und setzt dann seine maximale Leistung von gut 280 Watt frei. Mit seinem gemäßigten Drehmoment von 38 Nm (gemessen EMTB Test auf dem Prüfstand im Labor PT Labs) gibt er bei geringer Trittfrequenz nur mäßige Unterstützung. Wohler fühlt er sich bei schnellerem Tritt, doch bei extrem hoher Trittfrequenzen zieht er nicht voll durch.
Wenig Firlefanz, wenig Auswahl, dafür ein wertiges Erscheinungsbild und eine simple Bedienlogik. Auch bei den Bedienelementen bleibt TQ seiner schlichten Linie treu. Von Display und Shifter gibt es je nur eine Variante. Heißt: Jedes TQ-E-MTB ist mit dem schicken, flachen Screen im Oberrohr ausgestattet. Bis zu zehn Anzeigeseiten können via App individuell bestückt und angepasst werden. Durch die Ansichten kann man nur am Display über den On/Off-Button blättern, nicht vom Lenker. Die TQ-Bikes von Trek haben eine etwas andere Displayansicht, die uns besser gefällt, als die Variante der anderen TQ-Displays.
Die Remote ist schlank, wirkt wertig und gibt auf Knopfdruck klares Feedback. Zudem sind die Taster gummiert und liegen ergonomisch in der Hand. Schlicht, unauffällig, gelungen. Schade: Um von der ersten Stufe in die “Off”-Stellung zu gelangen, braucht es einen sehr langen Druck auf die Minustaste.
Der TQ-Akku liefert 360 Wattstunden und wiegt 1,9 Kilo. Je nach Bike-Modell ist er fest im Unterrohr integriert, oder kann zum Laden und Wechseln entnommen werden. Der optionale Range-Extender (1050 g) bringt 160 Wh zusätzlich und passt unkompliziert in einen Flaschenhalter auf dem Unterrohr. Rotwild hat für den TQ HPR50 einen eigenen Akku entwickelt. Das minimalistische Teil hat schlanke 250 Wattstunden und ist fest im Unterrohr des Downcountry-Flitzers Rotwild R.X 275 verbaut. Andere Optionen gibt es aktuell nicht.
Die App für den TQ-Motor ist betont simpel gehalten. Kern-Feature ist die individuelle Einstellung der Unterstützungsstufen. Hier können die drei Parameter max. Leistung, Unterstützungsfaktor und die Pedalreaktion angepasst werden - für jede der drei Unterstützungsstufen separat. Ebenfalls ein spannendes Feature ist die Individualisierung des Displays. Die Anzeige ist auch hier sehr simpel, die einzelnen Zusatzinfos wie Kilometer, Fahrer- oder Motorleistung etc. können auf verschiedenen Seiten der Displayansicht nach persönlichen Vorlieben angeordnet und hinzugefügt bzw. deaktiviert werden.
Schade: Updates des Systems sind nur beim Händler möglich. Die neueste Version der App zeigt inzwischen immerhin den Softwarestand der Komponenten an. So kann man abgleichen, ob das System auf dem neuesten Stand ist. Bei anderen Antrieben läuft das allerdings deutlich intuitiver und nutzerfreundlicher.
Der HPR 50 ist der Minimalist unter den E-Motoren: Best in Test bei Gewicht, Größe und Geräuschkulisse. Wer ein möglichst unauffälliges E-MTB sucht, ist hier goldrichtig. Dafür muss man mit geringerer Leistung, Standfestigkeit und Reichweite klarkommen. - Florentin Vesenbeckh, Ressortleiter Test und Technik beim EMTB Magazin
Die Auswahl an Bikes mit TQ HPR 50 ist inzwischen groß. Viele namhafte Hersteller haben ein Bike mit dem Mini-Motor im Programm. Darunter BMC, Trek, Mondraker, Stevens, Scott, Rotwild, Rose und Simplon. In den Links gibt´s alle Infos und Details zu den Bikes: