Interview DJIDie Angst, E-MTBs könnten als Motorräder eingestuft werden

Dimitri Lehner

 · 30.08.2025

Interview DJI: Die Angst, E-MTBs könnten als Motorräder eingestuft werdenFoto: DJI
Ferdinand Wolf ist “Product Experience Director” des Drohnenherstellers DJI. Er sagt: “Drohnen und E-Bikes sind gar nicht so verschieden.”
Unerwartet präsentierte DJI aus China einen E-Bike-Motor, der alle bisherigen Modelle in den Schatten stellte. Wir haben ein Gespräch mit Ferdinand Wolf, dem "Product Experience Director" von DJI geführt, über Drohnen, Motoren und dass die Uhren in China anders ticken.

DJI aus China versetzte die Bike-Szene in Aufregung. Scheinbar aus dem Stand präsentierte der chinesische Drohnenhersteller einen E-Bike-Motor, der alle gängigen Motoren ausstach. Wie war das möglich, dass selbst der Branchen-Riese Bosch aus Stuttgart so überrumpelt wurde?

Wir sprachen mit Ferdinand Wolf. Ferdinand war Drohnen-Experte bei der Firma Skynamics, wechselte zu DJI und ist jetzt Frontmann für die Bike-Motoren-Entwicklung. Wir sprachen mit ihm über Ladezeiten, die Konkurrenz und was E-Motoren so gar nicht leiden können.

BIKE: Da kommt ein Drohnenhersteller aus China und düpiert die renommierten Motorenhersteller wie Bosch. Wie kann das sein, erkläre uns das bitte?

Ferdinand Wolf: Nun, DJI ist ja keine kleine Firma. Uns gibt es seit 2006 und es arbeiten um die 14.000 Leute bei DJI, deutlich über 3500 in der Entwicklung, und die Produkte, die wir bisher auf dem Markt haben, sind technisch sehr anspruchsvoll und sehr erfolgreich. Das sind absolute Hightech-Produkte. Kurzum: Wir haben einen extrem hohen Entwicklungsstand und viel Wissen in dieser Firma.

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Doch eine Drohne ist kein E-Bike.

So unähnlich sind sich Drohnen und E-Bikes nicht. In einem E-Bike hast einen Akku mit einem Batterie-Management. Du hast einen Motor, der angesteuert wird über ESC, also einen Electronic Speed Controller. Und du hast Sensoren und Software. All das steckt auch in einer Drohne, die wir schon seit fast 20 Jahren entwickeln.

Mag sein. Aber Bosch lacht über 20 Jahre Entwicklungserfahrung. Bosch gibt es seit 1886 mit heute 420.000 Mitarbeitern in 60 Ländern. Die Liste der Bosch-Erfindungen ist beeindruckend lang. Und nun munkelt man , dass DJI auch das Kamera-Geschäft aufmischen will und anstinken gegen Giganten wie Canon, Nikon, Sony.

DJI ist schon lange im Kamera-Business. Die Netflix-Serie „Adolecence“, die gerade alles abräumt, wurde komplett auf DJI-Kameras gedreht. Es gibt Hollywood-Produktionen, die ausschließlich mit DJI-Kameras filmen. Doch zu deiner Frage – ich weiß nicht, ob du schon mal in China warst – hier trickt die Entwicklungsuhr ein bisschen anders.

In China tickt die Entwicklungsuhr ein bisschen anders - im Zeitraffer

Wie tickt die?

Im Zeitraffer. Ein Entwicklungsjahr in China sind 4 bis 5 Jahre in Deutschland oder Europa. Bei Drohnen mag der Laie denken: Das ist ein Plastikkasten mit vier Propellern. Doch Drohnen sind hochkomplexe Hightech-Produkte.

Du sagst, Drohnen und E-Bikes ähneln sich. Beide sollen leicht, robust und leistungsstark sein. Wo liegt die größte Herausforderung, will man einen guten E-Antrieb bauen?

Bei Dohnen und Stabilisatoren hast du bürstenlose Motoren. Sogenannte Direct Drives. Die Herausforderung beim Bike-Motor war, dass wir eine Getriebe-Untersetzungsstufe brauchten. Doch das konnten unsere Ingenieure schnell mit einem Planetengetriebe lösen. Eine weitere Herausforderung war, dass der Motor auf den Input des Fahrers reagieren muss. Also die Schnittstelle zwischen Rider und Bike.

Genau da entscheidet sich, ob ein Motor als gut bewertet wird oder eben nicht.

Richtig. Auf diese Schnittstelle sind wir besonders stolz. Jeder redet von der Leistung unseres Motors, doch der Fahrspaß hängt eher davon ab wie sensibel und natürlich die Motorunterstützung passiert. Da können wir mit unserer vollen Erfahrung im Bereich der Sensorik auftrumpfen. Durch unsere hohe Abtastfrequenz wissen wir ganz genau, was das Hinterrad macht. Hier haben wir eine spezielle Software entwickelt, die extrem feinfühliger reagieren kann. Die Unterstützungsstufen kannst du ganz genau auf deine Bedürfnisse anpassen.

Ist das die wirkliche Stärke des DJI-Motors?

Ja, denn es bringt wenig, wenn du die beste Hardware hast, doch die Software nicht gut ist – und umgekehrt. Ich vergleiche das gerne mit Tesla oder Apple. Denn die bauen die Hardware und die Software. Und das machen wir bei den Bike-Antrieben auch. Wir machen alles Inhaus. Derjenige, der die Hardware entwickelt sitzt ein paar Schreibtische neben dem, der die Software entwickelt. Da sind wir kaum zu schlagen.

Schlank und leistungsstark: DJI Avinox.Foto: Max FuchsSchlank und leistungsstark: DJI Avinox.


Und was kann Bosch besser als DJI?

Das musst du Bosch fragen (lacht).

Eins hat besonders überrascht bei eurem Antrieb – die extrem kurze Ladedauer. Bei den Konkurrenz-Motoren musst du fünf Kaiserschmarrn auf der Hütte essen und dennoch ist nix geladen. Bei euch dagegen klappt dass Aufladen ruckzuck. Warum?

Ich vermute, dass sich die Hersteller auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben. Da kein anderer das Thema angegangen ist, sah man vermutlich keinen Zwang. Auf die Zellen wie wir sie in unserer Batterie verwenden, hat jeder andere auch Zugriff. Auch die Ladetechnik ist bekannt. Das haben all unsere Produkte. Und diese Ladetechniken kann man beschleunigen.

Ich hätte vermutet, dass der Ukraine-Krieg die Drohnen-Entwicklung beschleunigt hat.

Die Technik gab es schon vorher. Das hat mit dem Ukraine-Krieg nichts zu tun.

Aber die Drohnen-Entwicklung wurde durch den Krieg vorangetrieben.

Das mag sein, doch DJI baut keine militärischen Drohnen. Wir machen nur Produkte für den zivilen Sektor. Für die zivile Drohnenwelt hat sich durch den Krieg nicht wirklich viel verändert.

Vor DJI hat du beim Drohnenhersteller Skynamic gearbeitet. Bist du Mountainbiker?

Ich bin im Odenwald aufgewachsen und quasi auf dem Fahrrad groß geworden. Ich habe mit BMX angefangen, dann MTB, und sitze heute fast täglich auf dem Bike.

Was ist dir wichtig am EMTB?

Ich will: 1. eine leichte Bedienbarkeit. Die war früher umständlich. Durch unser System ist sie jetzt auf dem Stand der Technik. Mit Touchscreen und selbsterklärender Benutzung und guter Ablesbarkeit. 2. eine schnelle Ladetechnik. Ich lebe in Deutschland. Da weiß man nie, wie morgen das Wetter ist. Oft lade ich meinen Akku nicht voll – es tut dem Akku nicht gut, wenn man ihn voll rumstehen lässt. Mit unserer Ladetechnik kann ich den Akku in 1,5 Stunden auf 85 % aufladen. 3. Ich will einen kraftvollen, doch leisen Motor mit sonorem Motorengeräusch. 4. Ich will das System konfigurieren, ohne mein Handy zu benutzen.

Du bist ein Handy-Muffel.

In der Natur schon. Da will ich nicht mit dem Handy hantieren müssen. Am liebsten würde ich es zu Hause lassen; ich nehme es nur mit, um maximal damit ein Gruppenfoto zu knipsen. Ich fahre oft mit Freunden. Dazu muss man die Motorenleistung aufeinander abstimmen. Ich kann das an dem Touchscreen unseres Antriebs sehr einfach machen – ohne das Handy aus der Tasche ziehen zu müssen.

“Ein Riesen-Klotz als Motor und noch ein Klotz als Batterie – das hat mir nie gefallen.”

Spielt das Gewicht eines E-Bikes für dich eine Rolle?

Nicht nur das Gewicht, auch die Abmessungen. Die ersten E-MTBs waren klobige Klötze. Ich komme vom Bio-Biken, wie wir alle, die schon länger Mountainbiken. Daher spielt die Ästhetik für mich eine entscheidende Rolle. Ein Riesen-Klotz als Motor und noch ein Klotz als Batterie – das hat mir nie gefallen.

Daher sind Minimal-Assist-Bikes so attraktiv.

Genau. Vor dem E-MTB- Projekt bei DJI wollte ich mir ein E-Bike kaufen. Und da hatte ich mit den Minimal-Assist-Bikes geliebäugelt, schließlich wollte ich biken und nicht Motorrad fahren. Ich springe gerne und viel – ein Bike mit 25 Kilo verhält sich dabei ganz anders als ein Bike mit 20 Kilo. Doch bei den Light-EMTBs hat mich die begrenzte Reichweite gestört. Nicht die schwächere Motorleistung, sondern die limitierte Reichweite.

Und das soll der DJI-Motor schaffen?

Das ist unser Ziel: Wir wollen die Optik und das Gewicht von einem Light-EMTB mit der Power eines Full-EMTB kombinieren. Ich glaube, dass uns das recht gut gelungen ist. Deswegen hat der DJI auch so eine Schockwelle durch den Markt getrieben. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, einen leichten Motor zu bauen, der eine enorme Leistung entwickelt. Also 1000 Watt mit einem 800er-Watt-Akku. Deswegen hat das Amflow solche Schlagzeilen erzeugt und nun auch andere Marken, die ihre Bikes mit unserem Motor ausstatten.

Ist das der Tod der Light-EMTBs?

Ich denke ja. Denn damit gibt es keine Argumente mehr, auf Motorleistung zu verzichten.

Und Argumente für ein normales Bike? Gib mal eine Prognose ab, werden Biobikes durch Entwicklungen wie eure in ein Nischen-Dasein geschrumpft?

Der Light-EMTB-Markt wird es in Zukunft tatsächlich schwierig haben. Die Leute haben keine Lust auf reduzierte Leistung und Reichweite. Extender sind zu umständlich. Die Leute wollen ein Bike, das eine gescheite Leistung mit Reichweite kombiniert. Biobikes werden nischig werden. Doch für Bikepark-Fahrer zum Beispiel werden Biobikes interessant bleiben. Ich persönlich fahre, wenn es einen Lift gibt, am liebsten ein Bio-Bike, ein Propain Spindrift. Und für alles andere benutze ich mein EMTB. Gerade hier im Rhein-Main-Gebiet entstehen überall Trail-Parks ohne Lift. Da hast du mit einem EMTB irre viel Spaß. Das ist genial. Da fahre ich, solange ich will. Der Akku reicht. Da bin zuerst ich platt, bevor der Akku platt ist.

Du bist als Tech-Nerd bekannt. Was setzt einem Motor besonders zu?

Alles, was ruckartig passiert, belastet die Struktur. Stell dir eine festgerostete Schraube vor. Die kriegst du nicht mit hohem Druck alleine locker, sondern durch eine ruckartige Bewegung. Daher haben wir auf eine besonders sensible Motorregelung Wert gelegt. Denn dann lässt sich auch eine hohe Motorpower gut kontrollieren. Ein feinfühliger Motor schont den Antriebsstrang, selbst bei hoher Leistung.

Auch mit 1000 Watt?

Auch mit 1000 Watt. Unsere Versuche haben gezeigt, dass der Motor robust genug ist, um dauerhaft 1000 Watt Leistung zu bringen – ohne dass Probleme entstehen.

Die Angst: E-MTBs könnten als Motorräder eingestuft werden

Stichwort: 1000 Watt des DJI-Motors . Da haben andere Hersteller reagiert, als hättet ihr die heilige Kuh geschlachtet. Sprich: DJI gefährdet den Status quo der E-MTBs. Die Angst: Mit mehr Leistung könnten E-MTBs womöglich als Motorräder eingestuft werden.

Wir wollen, dass der Sport sicher bleibt und für jeden erlebbar ist. Wir halten uns an alle momentan geltenden Gesetze. Für uns ist der größte Sicherheitsfaktor das Geschwindigkeitslimit. Das liegt bei 25 km/h. Die Leistungsspitze des Motors ist für die Sicherheit nicht so wichtig. Denn schnell wird in erster Linie bergab gefahren. Da gibt es öfter mal Knatsch mit Wanderern. Mit 500 Watt fährst du genauso schnell den Berg runter wie mit 1000 Watt. Und bergauf ist es auf die Sicherheit bezogen egal, ob du mit 800 Watt oder 1000 Watt hochfährst.

Und das Drehmoment?

Das Drehmoment wäre eher relevant als die Watt-Leistung. Aber auch da kommt es mehr auf die Motorregelung an als auf die Peak-Leistung. Du kannst z. B. ein System mit 750 Watt haben, doch wenn es nicht feinfühlig geregelt ist, weil es nur einen Sensor hat, der pro Radumdrehung durchkommt, dann springt dir das Rad weg. Und es gibt diese Systeme auf dem Markt. Wir dagegen haben ganz viele Sicherheitssysteme integriert. Übrigens: Wem die 1000 Watt zu viel sind, kann den Motor runterregeln – mit einem Klick.

Bisher gab es nur das Amflow mit DJI. Wann kriegt man auch andere Marken mit eurem Motor?

Die ersten kleineren Marken sind schon mit DJI ausgestattet, wie Unno, Forbidden und Megamo. Und jetzt zur Eurobike sind weitere Partner dazukommen, die den DJI Avinox Antrieb einsetzen, wie z. B. Commencal, Rotwild, Crestline, Crussis, Steppenwolf und Olympia. Und natürlich wird es auch neue Motorenmodelle geben.

Wo siehst du das Verbesserungspotenzial?

Überall: Motorengeräusch, Schnittstellen, Leistung und natürlich auch Preis. Wir wollen eine günstige Motorenalternative anbieten, damit die Hersteller den Einstiegspreis senken können. Kurzum: Wir schauen in alle Richtungen, um komplexe Technik für jedermann zugänglich zu machen.

Das klingt wie ein Werbe-Slogan.

Mag sein, doch es ist so. Bestes Beispiel: unsere Drohnen. Wir waren die ersten, die es schafften, eine Drohne für jedermann zu bauen. Die Devise: Schachtel auf, Akku laden, losfliegen. Du musstest keine tausend Anleitungen durchlesen, Tutorials anschauen, schrauben, löten, trainieren.

Was ist mit der Konkurrenz?

Die hatte sich vielleicht auf den Lorbeeren ausgeruht. (lacht). Doch Konkurrenz belebt das Geschäft und treibt die Innovationen voran. Ich gehe stark davon aus, dass die Konkurrenz nachziehen wird. Mich persönlich freut es, dass das Innovationsfeuer wieder aufflammt, das etwas runtergebrannt war. Für den Kunden ist das jedenfalls super.

Welche Innovation wünschst du dir grundsätzlich beim Biken?

Ich finde eine integrierte Getriebe-Box interessant. Wie Pinion. Mich nervt das klassische Kassetten-Schaltungskonzept. Auch wenn das Sram und Shimano sehr weiterentwickelt haben. Dennoch versifft und verklebt das Schaltwerk im Schmodder. Nach einem Tag im Park laufen die Gänge nicht mehr sauber. Oder das Schaltwerk kriegt doch einen Schlag weg – auch nervig. Niemand reinigt die Kette gerne, Kassette sauber machen ist genauso übel. Deswegen sind integrierte Schaltungskonzepte spannend in meinen Augen. Diese Innovation wünsche ich mir. Aber momentan sind die Lösungen nicht optimal. Noch haben Kette und Kassette die Nase vorn.

Viele Schiebe-Hilfen bei E-MTBs sind lachhaft. Man bricht sich schier die Finger ab, dennoch funktionieren sie nicht richtig.

Hast du unsere schon ausprobiert? Unsere Schiebehilfe ist wesentlich besser. Wir haben einen Neigungssensor, der hilfreich ist. Oder die Funktion, dass du mit Doppelklick schnell den Gang wechseln kannst. Du musst nur das Heck anheben. Wenn ich am Berg mit einem zu großen Gang hängen bleibe, steige ich nicht ab, sondern ziehe die Vorderradbremse, lifte das Hinterrad hoch und mit Doppelklick kann ich den Motor spinnen lassen, damit er in einen leichten Gang schaltet.

Ja, manchmal hat man den Verdacht, dass die Ingenieure die Funktionen ihrer Motoren selbst gar nicht ausprobieren.

Wir hören auf die Bike-Hersteller, die OEMs (Original Equipment Manufacturer). Das ist uns sehr wichtig, denn sie kennen das Käufer-Feedback und wissen, was sich der Kunde in der Praxis wünscht. Auch Feedback, das über unsere Facebookseite reinkam, haben wir umgesetzt. Im nächsten Update kannst du einstellen, dass du den Akku nur zu 80 Prozent laden kannst, dann musst du nachts nicht aufstehen. Oder du kannst die Unterstützungsmodi direkt auf dem Display einstellen kannst, ohne Handy und App.

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