Adrian Kaether
· 10.07.2024
Es ist der Paukenschlag dieser Messe: Der chinesische Drohnen- und Unterhaltungsgigant DJI steigt mit einem eigenen Motor und auch gleich einer eigenen Bikemarke in den Markt ein. Schon beim Blick auf die reinen Fakten wird klar: DJI will nicht nur ein Stück vom Markt abhaben sondern den Mitbewerbern gleich den Rang ablaufen. Satte 120 Newtonmeter und 1000 Watt soll der nur 2,5 Kilogramm schwere Avinox-Motor in der Spitze liefern. Damit wäre er nicht nur leichter, sondern auch deutlich stärker als der wichtigste Konkurrent am Markt - Boschs Performance CX. Zugegeben: Wir waren etwas skeptisch, ob ein Newcomer ohne Bike-Erfahrung wirklich auf Anhieb punkten kann. Bei einem ersten Check machte das DJI System aber schon einen auffallend ausgereiften und geschmeidigen Eindruck.
Mit ZF steigt auch ein echter Global-Player in den E-Bike-Markt ein. Der Konzern mit Sitz in Friedrichshafen hat weltweit fast 170.000 Mitarbeiter und zeigt auf der Eurobike einen der spannendsten neuen Antriebe. Der Centrix beeindruckt auf dem Papier mit vielversprechenden Werten: 90 Newtonmeter soll der kreisrunde Antrieb liefern und dabei nur 2,5 Kilo wiegen. Das wäre ein richtig starkes Verhältnis Gewicht und Drehmoment. Außerdem ist das runde Aggregat mit 88 Millimetern im Durchmesser richtig klein. “Kaum größer als eine 0,33 Liter Getränkedose”, wirbt der Hersteller. Spannend: Mit dem Raymon Tarok. geht auch gleich das erste Bike mit dem neuen ZF Antrieb an den Start.
Noch ein Hammer auf der Eurobike: Völlig ohne Ankündigung tauchte ein abgeklebter, vermutlich neuer Bosch-Motor auf der Messe auf! Details und Infos gibt's noch nicht, doch das Ding scheint kleiner zu sein als der aktuelle Performance CX, baut aber breiter als der SX. Die Anschraubpunkte sind wohl identisch mit denen des SX. Wird das der CX Nachfolger? Zumindest prangt das alte Logo auf dem verdeckenden Klebeband. Wer genauer hinschaute, konnte Bikes mit dem neuen Motor gleich bei einer ganzen Reihe von Marken entdecken. So etwa bei Bulls, Superior und M1 Sporttechnik. Wann genau der Motor offiziell gezeigt wird, ist aktuell noch unklar. Die neuen Bikes auf der Eurobike 2024 lassen aber darauf schließen, dass der neue Motor ins Modelljahr 2025 gehört.
Neben dem Erlkönig selbst ließ es sich Bosch außerdem nicht nehmen, noch einige andere Neuigkeiten ganz offiziell auf der Messe zu präsentieren. Die wichtigste: Die neue Schalt-Automatik, die Bosch in Zusammenarbeit mit TRP entwickelt hat. Außerdem bringt Bosch ein umfangreiches Firmware-Update für CX und SX, das unter anderem das Range-Control-Feature und den neuen Unterstützungsmodus Eco+ beinhaltet.
Die Schwaben stellten mit ihrer Motor-Getriebe-Einheit, kurz MGU das Highlight der Eurobike 2023. Für 2024 legt Pinion vor allem bei der Software nach, auch ein neues Bike von Moustache mit Pinion gab es dieses Jahr auf der Messe zu bestaunen. Wichtigstes neues Feature ist die Schaltautomatik, die bei bestehenden Bikes mit MGU einfach per Firmware-Update beim Händler aufgespielt wird. Im Gegensatz zu anderen Automatik-Systemen soll Pinions Schaltautomatik im sogenannten Auto-Shift-Pro Modus lernfähig sein und sich selbstständig an die Schalt-Vorlieben des Fahrers anpassen. Wie gut das funktioniert? Wir sind gespannt auf erste Tests.
Die Spanier von Beistegui Hermanos - kurz BH Bikes - legen ihren Light-Motor 2EXMag neu auf. Das Gehäuse bleibt gleich wie beim Vorgänger, das komplette Innenleben soll aber neu sein. Der Motor hört jetzt auf den Namen BHZ by SEG und wird auch vom genannten Automobilzulieferer in Europa gefertigt. Die wichtigsten Eckdaten: 65 Newtonmeter und 500 Watt in der Spitze, bei 2,1 Kilogramm Gewicht. Der BHZ läge damit knapp über dem Leistungsniveau eines Fazua Ride 60 und wäre in der Light-Klasse entsprechend konkurrenzfähig. Erstmal wird’s den Motor mit bekannten Bikes wie denen aus der iLynx Plattform geben. So kann BH direkt mit dem neuen Antrieb im Markt durchstarten.
Schon im letzten Test leichter Motoren schnappte sich Fazua den Testsieg, nach der Eurobike könnten die Ottobrunner ihren Vorsprung beim Thema Reichweite noch weiter ausbauen. Durch neue Zellen packen die Oberbayern 475 Wh in einen neuen Akku - bei identischen Abmessungen und Gewicht wie beim vorherigen 430er. Außerdem gibt es eine neue Remote und auch der lang ersehnte Range Extender wird auf der Eurobike erstmals ausgestellt. 215 Wh, 1,1 Kilo, verfügbar ab Frühjahr/Mitte 2025. Alle Produkte sind für den Ride60 auch nachrüstbar, den Akku gibt’s aber erstmal nur in der fest verbauten Variante. Passend dazu legt auch TQ eine größere Batterie nach (hier bereits im Test). Der neue hat satte 580 Wattstunden und damit deutlich mehr Kapazität als der bekannte 360er, wiegt knappt 2,7 Kilo und fällt fünf Zentimeter länger und auch etwas dicker aus. Eine Kompatibilität mit bestehenden Bikes scheint damit kaum möglich.
Die spannendsten Motorennews kommen sicher von DJI und ZF. Aber auch abseits davon zeigen einige Hersteller auf der Eurobike spannende E-Bike-Motoren, teils noch im Prototypen-Status. Auffällig: Nicht wenige Newcomer kennt man schon aus anderen Bereichen. So gründet beispielsweise Acer mit Acer MPS (Mobile Power Systems) eine eigene Submarke für E-Bike-Motoren. Auch E-Riese Delta, der etwa für die Motoren in E-PKWs von Volvo verantwortlich zeichnet, zeigt einen eigenen Motor mit spannendem Formfaktor. Dazu gibt’s News im Segment der leichten Motoren von Preeto über Oli bis hin zum technisch spannenden Newcomer völlig ohne Zahnräder von MGM. Und auch Yamaha lässt von sich hören. Der PW-Link als Nachfolger des PW-X3 hat bisher zwar noch Konzept-Status, voraussichtlich 2025 soll er aber mit mehr Power und neuen Bedienelementen an den Start gehen.
Nur einen spannenden Motor zu präsentieren, den man dann nicht kaufen kann, das fand Unterhaltungs-Gigant DJI wohl wenig zielführend. Passend zum vermeintlichen neuen Super-Antrieb Avinox (bis zu 120 Nm, 1000 Watt bei 2,5 kg!) hat der chinesische Konzern deshalb auch noch eine eigene Bike-Marke gegründet. Das Amflow PL Carbon soll selbst ein richtig spannendes Bike sein und damit nicht zuletzt das Potential des neuen Antriebs zeigen.
Und in der Tat: Das Trailbike mit 29-Zoll-Laufrädern und 160/150 Millimetern Federweg macht einen extrem vielversprechenden Eindruck. Geometrie und Details wirken durchdacht, das superniedrige Gewicht von 19,7 Kilogramm in Größe M (EMTB-Messung) mit 600 Wattstunden im Akku, Pedalen und Schläuchen beeindruckt. Ein Preis für das Bike steht noch nicht fest, alle Details zum Amflow PL Carbon lest ihr aber schon hier bei uns.
Bulls stellt gleich die ganze E-MTB Flotte für 2025 neu auf. Nur das günstigere Alu-Modell E-Stream bleibt unangetastet, die sportlichen Bikes vom günstigen Copperhead bis zum neuen Performance-Enduro Sonic EN-R mit Vollcarbon-Rahmen bekommen durch die Bank den neuen Bosch-Antrieb. Zu Motor und Akku-Kapazitäten gibt’s entsprechend noch wenig zu sagen, zu den Bikes dafür umso mehr. So soll das Sonic EN-R mit 170 / 160 Millimetern Federweg und kurzen Kettenstreben eine besonders Trail-orientierte Klientel ansprechen. Sonic AM und das neue Copperhead-Fully kommen jetzt fast durchgängig mit Carbon-Rahmen und einem neuen ins Steuerrohr integrierten Kurvenlicht, sowie teils mit Maguras neuer Gustav Pro Bremse, wahlweise auch mit ABS.
R Raymon wird in Zukunft einfach nur noch Raymon heißen und stellt sich für 2025 neu auf. Dafür wurde fast das komplette Produktportfolio der Schweinfurter Marke überarbeitet. Speziell den zwei neuen Top-Modellen der Marke ist der frische Wind klar anzusehen. Das Tarok kommt als 160-Millimeter-Enduro mit Mullet-Laufradmix gleich als erstes Serienbike weltweit mit dem neuen Zentrix-Antrieb von ZF. Das Kyrok setzt dagegen auf 150 Millimeter und den bekannten Bosch SX Motor, soll aber trotz entnehmbarem Akku nur 17,7 Kilogramm wiegen. An einem starken Preis-Leistungs-Verhältnis will man bei Raymon aber weiter festhalten.
Oh là là, die Franzosen gehen fremd! Bisher waren E-Bikes der Elsässer Schmiede Moustache ausschließlich mit Bosch-Motoren ausgestattet. Jetzt hat das Team des E-MTB-Spezialisten ein neues Projekt im Köcher. Auf der Eurobike 2024 in Frankfurt zeigt Moustache den Prototypen eines abfahrtsorientierten E-Enduros mit dem Pinion-Antrieb MGU.
Und nicht nur wegen des neuen Antriebs soll es bei Moustache eine neue Ära einleiten. Während die bisherigen E-MTBs der Franzosen eher komfortabel und betont unkompliziert über die Trails rollten (das Moustache Samedi 29 Trail im EMTB Test), soll das neue und bisher namenlose E-Enduro agil und radikal durchs Gelände schanzen. Abfahrtsstark, spaßig, verspielt und actionreich: So stellt sich Moustache seinen neuen Flitzer vor. Aktuell ist das Bike noch eine Studie, im Frühjahr 2025 soll das Moustache in Serie gehen.
Zum ersten Mal zeigt die Marke E-Mountainbikes mit Carbon-Rahmen. Dabei geht Steppenwolf gleich mit zwei Plattformen an den Start. Das Tundra 10 setzt auf den schweizerischen Light-Antrieb von Maxon und soll so unter 18 Kilogramm wiegen. Der Rahmen bietet 150 Millimeter Federweg, die Ausstattung ist auf Trail ausgerichtet. Das Tundra 9 kommt hingegen mit klassischem Shimano EP801 Antrieb und 85 Newtonmetern sowie satten 800 Wattstunden im Akku. 170 Millimeter Federweg sollen das Steppenwolf Enduro für raues Gelände wappnen.
Kaum einer setzt im Moment so konsequent auf leichte E-MTBs wie die spanische Marke BH. Auf der Eurobike zeigten sie neben dem superleichten Full-Power-Bike iLynx+ mit Shimano EP801 Motor und angeblich deutlich unter 20 Kilogramm auch die neueste Ausbaustufe des iLynx Trail mit dem neuen BHZ by SEG-Antrieb.
Schon mit dem Enduro R.EXC sorgte Rotwild für Aufsehen, jetzt schieben die Dieburger mit dem R.EX die All Mountain-Version hinterher: 160/150 Millimeter Federweg, Mullet-Laufradmix und ein dicker 820-Wattstunden-Akku sowie Shimanos EP801-Motor stehen auf der Haben-Seite. Dabei soll das Bike dank superkurzer Kettenstreben (436 mm) richtig handlich und auch extrem leicht bleiben. Von letzterem konnten wir uns auf der Messe schon überzeugen: 22,2 Kilogramm wiegt das Bike inklusive Pedalen, der 820er Akku bringt ebenfalls lediglich eindrucksvolle 3,6 Kilo auf die Waage. Der größte Haken: Der Preis. Los geht’s erst mit der Pro-Version für fast 10.000 Euro.
Analog zum neuen Orbea Rise stellen die Basken auch das Light-Hardtail Urrun neu auf. Es bleibt bei einem wertig gemachten Alu-Rahmen mit verschliffenen Schweißnähten. Das Urrun bekommt aber den selben EP801RS-Antrieb aus dem Rise mit vollen 85 Newtonmetern und wahlweise bis zu 630 Wattstunden im Akku. Preise beginnen bei 3899.
Auch wenn der Preis-Tiefpunkt für E-Mountainbikes überschritten scheint: Die Lager sind noch immer gut gefüllt, Händler geben noch immer satte Rabatte auf neue Bikes. Da überrascht es schon, mit welcher Vehemenz die Branche auf der Eurobike die neue Technik pusht. Allerdings zeigen auch so viele neue Akteure spannende Produkte, dass dadurch auch viele klassische Hersteller unter Druck geraten. Gerade ZF und DJI bringen frischen Wind in den Markt. Für den Biker kann das am Ende nur gut sein. Mehr Konkurrenz, bessere Preise und mehr Innovationsdrang sind da in Zukunft fast vorprogrammiert. - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik für BIKE und EMTB