Florentin Vesenbeckh
· 10.07.2024
Update: Dieser Artikel wurde zuerst am 3. Juli 24 veröffentlicht. Inzwischen konnten wir uns einen genaueren Eindruck vom neuen DJI Avinox verschaffen und auch schon eine erste Testrunde drehen. Die neuen Infos gibt`s hier!
Wenn sich branchenfremde Firmen an einem Antrieb für E-Bikes versuchen, sind Biker erstmal kritisch. Häufig zu Recht. Wenn die Firma aber DJI heißt, sollte man hellhörig werden. Denn das chinesische Unternehmen ist Weltmarktführer bei Drohnen und einer der größten Anbieter für Action-Kameras. Das zeigt: Die wissen, was sie tun und kennen sich aus mit Elektronik, Akkus und Motoren.
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Mit dem neuen E-Antrieb DJI Avinox will das Unternehmen jetzt die Bike-Branche aufmischen. Der Motor soll kräftige 105 Newtonmeter maximales Drehmoment und satte 850 Watt Spitzenleistung liefern. Das ist deutlich mehr als die Klassiker wie zum Beispiel der Bosch Performance CX und Shimanos EP801, die jeweils 85 Newtonmeter und 600 Watt im Datenblatt stehen haben.
Erstaunlich: Der DJI Avinox wirkt dennoch kompakter als die renommierte Konkurrenz und integriert sich recht schlank im Chassis. Außerdem soll er mit 2,52 Kilogramm (Herstellerangabe!) auch deutlich leichter sein. Das wäre ein Hammer, den wir uns natürlich schnellstmöglich im Test vornehmen wollen. Einen ersten Fahreindruck vom brandneuen DJI Avinox E-Bike-Motor konnten wir bereits gewinnen, s. weiter unten.
Doch damit nicht genug. In der Pressemitteilung schreibt der Hersteller von einem Boost-Modus, der auf Knopfdruck für 30 Sekunden aktiviert wird und sogar 120 Newtonmeter und 1000 Watt Leistung freisetzen soll. Damit würde der DJI Leistung liefern wie ein echter Power-Motor à la TQ HPR 120 - bei deutlich geringerem Gewicht und kompakterem Bauraum.
Apropos Modus. Neben den drei Unterstützungsstufen Eco, Trail und Turbo soll es einen smarten Auto-Modus geben. Hier wird die Unterstützung automatisch und kontinuierlich an den Fahrwiderstand angepasst. Zusätzlich können die Stufen über eine Smartphone-App auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse angepasst werden.
DJI bietet zwei unterschiedliche Batterien für seinen E-Bike-Antrieb. Die Akkus haben wahlweise 600 oder 800 Wattstunden. Die kleinere 600er-Variante soll schlanke 2,87 Kilo wiegen - das wäre ein sehr starkes Gewicht und eine bessere Kapazitätsausbeute pro Kilo im Vergleich zu den üblichen Bosch- oder Shimano-Akkus. Mit 625 bzw. 630 Wattstunden wiegen diese eher in Richtung von 3,5 Kilogramm.
Außerdem setzt DJI beim Avinox auf Integration und intuitive Bedienung. Das macht sich zum Beispiel durch ein Touch-Display im Oberrohr bemerkbar. Auf zwei Zoll Fläche werden die relevanten Infos zum System dargestellt. Außerdem gibt’s eine kabellose Fernbedienung, über die sich das System bequem vom Lenker aus bedienen lässt. Die Kommunikation läuft über Bluetooth. Das ist noch sehr selten am Markt, die meisten Shifter sind aktuell per Kabel mit dem Antrieb verbunden.
Ebenfalls besonders: DJI will einen optionalen Fast Charger mit satten 12 Ampere anbieten. Der dürfte den kleinen Akku schon in einer Kaffeepause voll aufladen. Ob das zulasten der Lebensdauer geht? Nicht unbedingt, sagen einschlägige Batterie-Experten und prophezeien schon seit längerem E-Bike-Ladegeräte mit um 10 Ampere. DJI ist jetzt aber der erste Hersteller, der das auch in der Praxis umsetzen will.
Egal ob Drohne, Gimbal oder Actioncam: Die Produkte von DJI sind bekannt für ihre intuitive Bedienung und den hochwertigen Look. Das gilt genauso für den DJI Avinox. Display, Motor, Remote, App - hier wirkt nichts unfertig oder roh, sondern vielmehr absolut durchdacht und ausgereift. Intuitiv übers Display wischen oder mit einem Fingertippen auf den Modus die Unterstützungsstufe wechseln - das klappt so bei keinem anderen Display am Markt. Auch wenn das an einem E-Mountainbike nicht die riesige Relevanz hat, hinterlässt das einen wertigen, durchdachten und innovativen Eindruck.
Auf dem Trail sehr wichtig: Die knackscharfe und gut ablesbare Anzeige im Screen des Avinox. Weiter geht´s bei den Remote-Hebeln, die schlank und kabellos am Lenker liegen. Der Druck ist definiert und knackig, die Ergonomie sehr gut. Dreht man die Kurbeln rückwärts, fällt auf, dass der Avinox kein klassisches Freilauf-Geräusch von sich gibt. Beim Tritt nach vorne greift der Freilauf sofort, die Kraftübertragung startet ohne jeglichen Leerweg. Leider bedeutet das nicht, dass der Motor in der Abfahrt klapperfrei ist. Denn lässt man das Hinterrad im Stand auf den Boden fallen, tönt ein Klackern aus dem Motor. Etwas dezenter, aber vom Charakter sehr ähnlich wie beim Shimano EP801 und dem Bosch Performance CX.
Auf der Eurobike in Frankfurt konnten wir schon eine erste Runde auf dem DJI Avinox E-Bike-Motor drehen. Kein ernster Test im Gelände - aber doch ein aussagekräftiger erster Eindruck. Und der fügt sich nahtlos an den gelungenen Erstkontakt an. Die Abstimmung des Antriebs wirkt ausgereift, das Fahrgefühl ist geschmeidig und die Kraftentfaltung wohl dosierbar. Kein ruppiges Einsetzen, hakeliges Ausfaden oder ungestümes Beschleunigen. An Power fehlt es dem Avinox nicht - doch nach unserem ersten Eindruck fährt er nicht in einer ganz anderen Liga als Bosch und Shimano. Verstecken braucht er sich in Sachen Leistung aber keinesfalls. Ebenfalls top: Bei hoher Trittfrequenz zieht der DJI Avinox sehr gut durch und büßt erst spät an Leistung ein.
Die Boost-Funktion lässt sich intuitiv bedienen und liefert nochmal einen spürbares Mehr an Leistung. Bei der Geräuschkulisse gibt sich das neue Aggregat ebenfalls keine Blöße. Einen überdurchschnittlichen Lärmpegel konnten wir nicht feststellen, tendenziell blieb der Avinox sogar etwas leiser als die Konkurrenz von Bosch und Shimano. Hörbar ist er aber in jeder Unterstützungsstufe. Außerdem ließ sich bei unserem ersten Trockentest bereits erahnen, dass der Avinox im Gelände beim Überrollen von Hindernissen ein leichtes Klappern freisetzen dürfte.
Nebenbei hat DJI die neue E-Mountainbike-Marke Amflow gegründet. Unter diesem Label gehen die ersten Komplettbikes mit Avinox-Antrieb an den Start. Hinter der Marke steht ein Produktteam, das sich aus ehemaligen DJI-Ingenieuren und Experten aus der E-Bike-Branche zusammensetzt.
Das erste Bike mit dem DJI Avinox ist das Amflow PL. Mit schlankem Carbon-Rahmen, 160/150 Millimetern Federweg und 29er-Laufrädern soll es auf den Trails dieser Welt begeistern. Die Gewichtsangabe von 19,2 Kilo mit 600er-Akku klingt, angesichts des starken Motors, fast zu schön, um wahr zu sein. Doch wir konnten den Neuling bereits an die Waage hängen!
Der Einstieg von DJI in den E-Bike-Markt kann getrost als Hammer bezeichnet werden. Und der chinesische Tech-Riese geizt nicht mit Superlativen. Die Leistungswerte in Kombination mit dem geringen Gewicht lassen uns erstmal skeptisch auf den neuen Avinox Motor blicken, denn das Leistungs-Gewichtsverhältnis liegt dermaßen über dem Marktstandard, dass es erstmal kaum realistisch erscheint. Doch wir lassen uns gerne eines besseren belehren und sagen: Her mit einem Testbike! Die schlanke Erscheinung und schicke Systemintegration machen definitiv Lust auf mehr.
Update: Nach dem Erstkontakt auf der Eurobike in Frankfurt können wir sagen: Selten war ein erstes Auftreten eines neuen E-Bike-Players so vielversprechend, wie der von DJI. Haptik, Bedienung, Fahrgefühl - neben den beeindruckenden Daten kann das Avinox-System auch bei den Softskills punkten. Next Step: Ein ausführlicher EMTB Test! - Florentin Vesenbeckh, Ressortleiter Test und Technik beim EMTB Magazin
Wie im vergangenen Jahr hat das BIKE-Team zusammen mit unserem Schwestermagazin TOUR Produktneuheiten der Eurobike, die Events der Messe und alles gezeigt, was drumherum passiert. Lest in unserem Liveblog alles aus den ersten drei Tagen, die für das Fachpublikum reserviert waren. Viel Spaß beim Lesen!