Seit Jahren ist der Bosch Performance Line CX der vermutlich meistverkaufte E-MTB-Motor. Hohe Zuverlässigkeit, gutes Fahrgefühl und eine starke Reichweite machten den Schwaben-Antrieb erfolgreich. Mit der Neuauflage des CX steht also die Frage im Raum: Wie macht man den beliebtesten und vermutlich besten E‑MTB-Motor noch besser? Klar, indem man die größten Kritikpunkte angeht. Und das hat Bosch beim neuen Performance Line CX auch getan.
Während bei der letzten Neuauflage des Performance Line CX das Warten auf einen „klapperfreien“ Motor noch vergeblich war, haben die Schwaben mit der neuesten Ausbaustufe genau das erreicht. Wie schwierig dieses vermeintlich banale Ziel zu knacken ist, zeigt sich darin, dass die meisten Konkurrenzprodukte, von Shimano bis Yamaha, ebenfalls mit Klappern aus dem Getriebe zu kämpfen haben. Das war auch bei Bosch über Jahre so. Für den neuen CX hat man nun einen patentierten Freilauf entwickelt, der nicht auf ein klassisches Sperrklinkensystem zurückzugreifen scheint und beim Rückwärtstreten keinerlei Geräusche macht. Das Ergebnis: Das Innere des Motors ist komplett vom Antriebsstrang entkoppelt. So wird das Getriebe nicht von äußeren Einflüssen angeregt und bleibt absolut klapperfrei.
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Schaut man auf die klassischen Kennzahlen des neuen Bosch CX Motors, hat sich hingegen nicht viel geändert. 2,85 Kilo, das ist nur minimal weniger als beim Vorgänger. Und auch das Volumen ist identisch – obwohl der „Neue“ optisch etwas anders wirkt. Und die Leistung? 600 Watt in der Spitze, 85 Newtonmeter, maximal 340 Prozent Unterstützung. Das nennt Bosch den „magischen Dreiklang“, der schon dem Vorgänger zu einem sehr harmonischen Fahrgefühl verholfen hatte. Apropos Fahrgefühl: Bei der Modulation und dem Ansprechen des Motors will Bosch durch ein noch besseres Zusammenspiel aus Soft- und Hardware zusätzlich Fortschritte gemacht haben.
Und auch der zweite große Kritikpunkt wurde angegangen: das Gewicht der sehr schweren Akkus, die Bosch-Bikes in der Vergangenheit meist zu echten Brummern gemacht haben. Neu sind Powertube 600 und Powertube 800, die durch neue 21700er-Zellen bei geringerem Gewicht sogar noch mehr Kapazität haben als ihre Vorgänger. Mehr zu den neuen Batterien und der Reichweite des neuen CX lest ihr weiter unten!
Zeitgleich mit dem neuen Bosch-Motor stellen viele Bike-Hersteller ihre neuen E-Mountainbikes mit dem neuen Antrieb vor. Und in den nächsten Wochen und Monaten werden viele weitere Modelle folgen. Zur Übersicht haben wir die neuen Bikes in einem großen Artikel zusammengefasst.
Wie bei BIKE üblich, verlassen wir uns in unseren Tests nicht rein auf unser Gefühl. Die Erkenntnisse aus unseren ausführlichen Fahrtests im Gelände überprüfen und untermauern wir mit objektiv vergleichbaren Daten und Messungen. Für diesen Test haben wir den neuen Bosch Performance Line CX im Prüflabor PT Labs auf den Rollenprüfstand gespannt und Leistungs- und Drehmomentkurven ermittelt.
Auf den ersten Blick zeigen sich keine überraschenden Daten. Kein Wunder – eine Leistungsexplosion verspricht Bosch nicht. Vielmehr ergibt sich das Bild, das wir vom Performance CX kennen. Seine volle Leistung entfaltet er erst, wenn der Fahrer etwas kräftiger in die Pedale tritt. Vollgas gibt der Motor ab etwa 180 Watt Fahrerleistung. Bei gemächlichem Pedalieren schiebt auch der Motor nur gemütlich an, selbst im Turbo-Modus. Das ist ein Grund für das dynamische und harmonische Fahrgefühl des Aggregats. Die maximale Unterstützung liegt bei 340 Prozent. Andere Motoren liefern 400 und mehr, was bei leichtem Tritt zu einem kräftigeren Schubgefühl führen kann. Einen Shuttle-Modus für Tretfaule hat auch der neue Bosch CX nicht.
Ein von Bosch angepriesenes Update konnten wir im Labor nicht nachweisen: den besseren Durchzug bei sehr hohen Trittfrequenzen. Das liegt jedoch nicht daran, dass der Neuling schwächelt. Vielmehr war hier schon der Vorgänger richtig stark und marktführend. Der Neue reiht sich mit ähnlichen Werten ein und schiebt selbst bei einer Trittfrequenz von 150 U/min noch mit voller Power. Noch höhere Kadenzen haben wir nicht gemessen. Denn wir halten diesen Bereich in der Fahrpraxis für irrelevant.
Top Ergebnis aus dem Labor: Der geringere Tretwiderstand bei ausgeschalteter Unterstützung ist im direkten Vergleich zum Vorgänger nicht nur spürbar, sondern wird auch im Labor ersichtlich. 9,1 statt der 13,8 Watt vom Vorgänger fressen Motor und Antriebsstrang. Wer über 25 km/h pedaliert oder ohne Motor kurbelt, profitiert von freierem Fahren. Bosch spricht davon, dass selbst ein klassisches Tretlager nicht weniger Widerstand hat. Hier hat sich Bosch an den Technologien, auf die auch der Light-Motor Bosch Performance Line SX setzt, bedient. Bosch gibt an, dass beide Motoren in Sachen Widerstand kaum von einem klassischen Tretlager zu unterscheiden sind.
Die sehr schweren Akkus waren immer der Kritikpunkt am Bosch-System. Die neuen Batterien sind nun deutlich leichter. 800 oder 600 Wattstunden stehen zur Auswahl. Der 800er-Akku wiegt rund 3950 Gramm, das sind etwa 400 Gramm weniger als der bekannte Powertube 750 der vorherigen Generation. Ein großer Schritt in die richtige Richtung, auch wenn die Akkus damit noch immer nicht zu den leichtesten am Markt gehören. Eine beachtliche Marke setzt hier zum Beispiel der 800er-Akku im neuen Rotwild R.EXC.
Wer ein leichteres Bosch-Bike will, greift zum Powertube 600 (3080 Gramm). Die Akkus haben die gleiche Länge und passen in die gleiche Halterung. Wenn der Bike-Hersteller das Unterrohr entsprechend konstruiert, können sie problemlos im Wechsel genutzt werden. Das ist bei diversen Marken der Fall. Weiterer Vorteil des neuen 800er: Der Powertube 750 war extrem lang und ein Transport im Rucksack sehr schwierig. Das Format des 800ers macht das deutlich besser möglich. Batterien von Drittanbietern sind bei Bosch nach wie vor ausgeschlossen.
Doch was ist aus der überragenden Reichweite der Bosch-Akkus geworden? Der 750er sammelte in unseren Tests stets absolute Top-Werte. Auch die neuen Batterien haben wir unserem ausführlichen Reichweitentest unterzogen. Und beide Varianten haben nicht enttäuscht. Das neue Cube Stereo Hybrid One44 erkletterte mit Powertube 800 im Turbo-Modus über 2259 Höhenmeter. Das sind in etwa die Werte, die Shimano-Bikes mit 900er-Akku (Canyon, Norco) erreichen. Mehr gab es in unserer Testhistorie noch nie!
E‑MTBs mit Powertube 750 schafften unter identischen Bedingungen im Schnitt gute 2000 Höhenmeter. Der Powertube 600 im Bulls Sonic Evo EN-R fuhr über 1700 Höhenmeter. Das ist mehr als der nominell größere Vorgänger Powertube 625 (3600 Gramm) – bei deutlich geringerem Gewicht!
Randnotiz: Die neuen Akkus kommen in silberner „Farbe“, also ohne schwarzes Eloxal. Das soll die Emission und von schädlicher Chemie und CO2 einsparen. Da die Powertubes ohnehin ausnahmslos unsichtbar im Unterrohr verbaut sind, ist an den Bikes kein optischer Unterschied erkennbar.
Im Windschatten des neuen Motors hat Bosch auch ein neues Display entwickelt. Das Purion 400 ist die dezente Alternative zu den größeren Kiox-Screens. Das neue Purion mit seinem 1,6-Zoll-Screen sitzt gut geschützt und unauffällig hinter dem Lenker. Durch die kompakten Abmessungen gibt es keine Gefahr einer Kollision mit dem Knie. In Summe erinnert das Purion 400 etwas an die lange bekannten Shimano-Displays und wir sind versucht, zu sagen: “Warum nicht gleich so?”
Standardmäßig wird auf dem farbigen Screen die U-Stufe und der Akku-Stand in Prozent angezeigt. Dazu gibt es ein großes Feld, auf dem Daten wie Kilometer, Geschwindigkeit und Fahrerleistung durchgewechselt werden können. Die gute Nachricht: Das Purion 400 lässt sich problemlos nachrüsten und kann mit dem Systemcontroller oder der LED-Remote kombiniert werden. Das “Hirn” des Systems sitzt dabei entweder im Systemcontroller oder der LED-Remote, nicht im Purion. Das heißt: Die minimalistische Kombi nur mit der kabellosen Mini-Remote funktioniert nicht.
Neben dem neuen Performance CX, den neuen Akkus und dem Purion-Display hat Bosch noch weitere Neuheiten vorgestellt. Mit dem ABS Pro wollen die Schwaben das ABS-System auch für extreme Trailfahrten und Profi-Biker interessant machen.
Auch die Automatikschaltung, die Bosch in Kooperation mit TRP entwickelt hat, soll mit dem neuen CX richtig Fahrt aufnehmen. Ähnlich wie bei Shimanos Di2 und Srams Eagle Powertrain können damit auch Bosch-Bikes vollautomatisch schalten. Auch das Schalten im Rollen, ohne Kurbelumdrehung, wird möglich.
Direktes Ansprechverhalten und feine Modulation in Kombination mit einer spritzigen Beschleunigung: Der Neuling überzeugt mit den Skills, die schon den Vorgänger zur Benchmark machten. Im Detail konnten die Entwickler tatsächlich noch mal einen draufsetzen. Das Fahrgefühl ist eine Spur geschmeidiger geworden – ohne dass die Dynamik fehlt. Der Antrieb hängt jetzt noch besser am Fuß und agiert selbst im Turbo-Modus sehr feinfühlig auf den Tretimpuls des Fahrers.
Auch der gute Durchzug bei schnellem Kurbeln ist nach wie vor absolut Spitze. Während nahezu alle anderen Antriebe am Markt bei sehr hoher Kadenz Leistung einbüßen, gibt der CX auch bei extrem schnellem Tritt vollen Schub. Ein echtes Plus in technischen Uphills.
Weiter geht’s bei den Soft Skills: Bezüglich der Lautstärke des Motors haben wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Während der CX in unseren Testbikes von Bulls und Cube deutlich leiser anschob als sein Vorgänger, war bei einem dritten Testbike mit dem neuen Aggregat nur ein minimaler Fortschritt von alt zu neu wahrnehmbar. Doch im Schnitt scheint der neue CX leiser zu schieben. Noch deutlicher ist das Sound-Update bergab. Denn alle neuen CX, die wir bisher fahren konnten, sind absolut klapperfrei!
Nächste Feinheit: Die verbesserte Modulation macht sich auch beim Ein- und Ausfaden um die Abschaltgrenze herum bemerkbar. Mit der Neuauflage spürt man kaum, ob der Motor gerade schiebt oder nicht, so geschmeidig setzt das Aggregat seine Kraft ein und aus.
Eine Kleinigkeit hat uns bei unseren ausführlichen Alt-Neu-Vergleichen jedoch gestört: Der Extended-Boost im EMTB-Modus fiel beim neuen Motor verschwindend gering aus. Wo der Vorgänger auf markante Antritte mit einem deutlichen Nachlauf reagierte, kam beim neuen Modell kaum Extraschub. So kommt man nicht mehr so geschmeidig über Stufen oder Wurzelteppiche. Laut Bosch soll das Feature aber wie beim Vorgänger bestehen. Wir hoffen, dass es spätestens mit dem nächsten Software-Update auch wieder genauso deutlich spürbar ist.
Bei den klassischen Motorkennzahlen hat sich nicht viel getan, trotzdem ist die neue Generation des Bosch CX ein richtig großer Wurf! Kein Klappern mehr und endlich leichtere Akkus. Beeindruckend, dass der Neue bei der Reichweite auf seine ohnehin überragenden Werte noch mal einen draufsetzt! - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur BIKE Magazin