Kaufberatung XXL-PartsFahrradteile für besonders große und schwere Menschen

Jan Timmermann

 · 14.12.2023

Unter anderem die Wahl der richtigen Bremsscheibe entscheidet für schwere Biker über Fahrqualität und Sicherheit.
Foto: Georg Grieshaber
Jenseits der 190 Centimeter Körpergröße und 100 Kilo Gewicht wird es immer schwieriger passende MTB-Parts zu finden. Die Teile müssen nicht nur höheren Belastungen standhalten, sondern auch ergonomisch zu den XXL-Dimensionen passen. Wir verraten, worauf große oder schwere Fahrerinnen und Fahrer achten sollten und wo sie geeignete Fahrradteile finden können.

Groß gewachsene Biker haben es oft schwer. Wenn sie einen für sich passenden Rahmen gefunden haben, heißt das noch lange nicht, dass auch die Anbauteile mit ihren Proportionen harmonieren. Große Menschen müssen sich nicht zwingend mit zu kurzen Sattelstützen oder zu kleinen Pedalen herumärgern. Zum Glück hat auch die Fahrrad-Industrie inzwischen die Diversität ihrer Kunden erkannt und geeignete Produkte im Sortiment. Bei einem Körpergewicht von 100 Kilo und mehr wird die Wahl des Materials bei einem Risikosport, wie Mountainbiken, schnell zur Sicherheitsfrage. Längst nicht alle MTB-Teile sind für die entsprechend hohen Belastungen ausgelegt. Hinzu kommt das heikle Thema Fahrwerk. Schwere Fahrer tun sich mit dem Setup ihrer Gabeln und Dämpfer oft schwer.

Ein genereller Tipp für Schwergewichte lautet: Haltbarkeits- statt Gewichtstuning! Anders als vor 30 Jahren, ist die Stabilität vieler Teile heute zum Glück über diverse Sicherheitsnormen gewährleistet. Trotzdem wählen schwere Fahrer lieber Teile aus einer Einsatzkategorie höher. Heißt: Wer viele Pfunde auf die Waage bringt und ein Allmountain-Fully fährt, tut gut daran, dieses mit Enduro-Teilen, wie extra stabilen Lenkern und steifen Federgabeln aufzurüsten. Je höher das Körpergewicht, desto wahrscheinlicher sind auch Materialermüdungen. Eine saubere Fahrweise schont das Material. Schwere Biker sollten deshalb auch an ihrer Fahrtechnik arbeiten.

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XXL-Federgabeln

Beim Thema Fahrwerk spielt weniger die Größe, als vielmehr das Gewicht des Fahrers eine entscheidende Rolle. Dabei muss sowohl die Hardware als auch auch das Setup passen. Gabeln und Dämpfer sind bewegliche Teile und damit hochbelastete Stellen an einem Mountainbike - erst recht, wenn der Pilot 100 Kilo oder mehr auf die Waage bringt. Um von Defekten verschont zu bleiben, müssen Federelemente für schwere Fahrer also besonders stabil sein. Im Bereich Federgabeln hat das hohe Gewicht von E-MTBs eine ganze Fülle an dicken Modellen auf den Markt gespült. 38-Millimeter Standrohre sind besonders steif und nehmen es auch dauerhaft mit einer hohen Belastung auf. Beispiele für diese Gattung der XXL-Federgabeln sind zum Beispiel die Fox 38, die Rockshox ZEB, die DVO Onyx 38 oder die SR Suntour Durolux 38. Besonders viel Steifigkeit gibt's bei der E-Optimized-Serie von Fox. Mehr Material am Chassis kann auch Bikes ohne Motor aber mit schweren Fahrern zugute kommen.

Was auf den härtesten Trails der Welt Bestand hat, taugt auch für XXL-Biker: 38-Millimeter-Gabeln, wie diese Rockshox ZEB sind besonders steif.Foto: Max FuchsWas auf den härtesten Trails der Welt Bestand hat, taugt auch für XXL-Biker: 38-Millimeter-Gabeln, wie diese Rockshox ZEB sind besonders steif.

XXL-Dämpfer

Mit höherem Fahrergewicht steigt auch der für Luftdämpfer benötigte Druck. Dies kann nicht nur negativen Einfluss auf die Sensibilität und die Haltbarkeit des Dämpfers haben, sondern auch dazu führen, dass die übrigen Einstell-Optionen nicht den gewünschten Effekt liefern. An Trail-, Allmountain- und Endurobikes sind schwere Fahrer deshalb oft mit einem Stahlfederdämpfer besser beraten. Mit den entsprechenden Federn sollte es selbst 120-Kilo-Fahrern möglich sein, eine geeignete Federhärte zu erzeugen.

Stahlfederdämpfer, wie dieses Modell von Öhlins, kommen mit hohen Fahrergewichten meist besser klar.Foto: Max FuchsStahlfederdämpfer, wie dieses Modell von Öhlins, kommen mit hohen Fahrergewichten meist besser klar.

XXL-Laufräder

Abgesehen davon, dass lange Körpergrößen besser mit großen Laufrädern von 29 oder gar 36 Zoll harmonieren, müssen MTB-Laufräder bei hohen Systemgewichten besonders stabil sein. Filigrane Tuning-Laufradsätze besitzen nicht selten ein Gewichtslimit von 90 Kilo oder weniger. In den Angaben der Hersteller sind Körpergewicht und Systemgewicht, also das komplette Gewicht von Bike, Fahrer und Ausrüstung, zu unterscheiden. Um Schäden an Mensch und Material zu zu vermeiden sollten sich schwere Biker an die Beschränkungen halten und lieber auf stabilere Laufräder setzen. Beispielsweise verbaut Syntace im Gegensatz zu den weit verbreiteten Kugellagern mit 26 Millimetern Durchmesser größere 30-Millimeter-Modelle, um diese statt für Lasten bis 130 Kilo sogar bis 250 Kilo auszulegen. Das maximal zulässige Systemgewicht beträgt trotzdem “nur” 130 Kilo.

Seitdem sich schwergewichtige E-Bikes am Markt etabliert haben gibt es auch zahlreiche hochwertige Laufradsätze für den MTB-Einsatz mit hoher Gewichtsfreigabe. So ist der DT Swiss HXC 1501 Spline One Carbon-Laufradsatz beispielsweise bis 140 Kilo Systemgewicht freigegeben. Viele Laufräder sind mit 32 oder weniger Speichen aufgebaut. Die Stabilität eines Laufrades ist keineswegs nur eine Frage der Speichenzahl, sondern vielmehr der Konstruktion der Einzelteile sowie deren Zusammenspiel. Bei einer höheren Anzahl an Speichen kann sich das Gewicht von Bike und Fahrer aber oft besser im Laufrad verteilen. Hope bietet zum Beispiel Laufräder mit 36 Speichen je Rad an.

Zugelassen bis 140 Kilo Systemgewicht trotz Carbonfelge: der DT Swiss HXC 1501 E-MTB-Laufradsatz.Foto: DT SwissZugelassen bis 140 Kilo Systemgewicht trotz Carbonfelge: der DT Swiss HXC 1501 E-MTB-Laufradsatz.

XXL-Bremsen

Je höher die zu stoppende Masse, desto kräftiger müssen die Bremsen sein. Egal welcher Einsatzbereich: Schon für Fahrer ab 90 Kilo sollten hydraulische Vierkolben-Scheibenbremsen, wie etwa die Trail-Version der Shimano XT oder die Magura MT5, beziehungsweise MT7 Stopper, Pflicht sein. Durch eine zum Systemgewicht passende Bremskraft steigt nicht nur die Fahrqualität sondern auch die Sicherheit. Wer keine Kompromisse eingehen möchte, achtet auch hier auf große Dimensionen. Mehr Masse an Bremssattel und Scheibe erhöhen die Steifigkeit und führen zu einer besseren Ableitung von Hitze. Beispielsweise besitzt die Trickstuff Maxima neben einer höheren Wärmekapazität auch eine höhere Belagsfläche als die ohnehin bereits kräftige Trickstuff Diretissima.

Vierkolben-Bremsen, wie diese Maguta MT7 bringen auch schwere Fahrer zuverlässig zum Stehen.Foto: Joerg SpaniolVierkolben-Bremsen, wie diese Maguta MT7 bringen auch schwere Fahrer zuverlässig zum Stehen.

XXL-Bremsscheiben

Bei schweren Fahrern ist die Wahl der Bremsscheibengröße besonders kritisch. Auch hier sollten Fahrer ab 90 Kilo auf Leichtbau verzichten und zugunsten der Hitzeverträglichkeit auf große Scheiben setzen. In unseren Tests konnten wir den Alu-Kern hochwertiger Shimano-Bremsscheiben bereits bei 400 Grad zum schmelzen bringen. XXL-Biker vertrauen besser auf Modelle, welche durchgängig aus Stahl bestehen oder einen vernieteten Alu-Spider besitzen, wie etwa die Magura MDR. Diese Bauweise kann helfen überschüssige Wärme schneller abzuführen und die Steifigkeit beim Bremsen zu erhöhen. Der Löwenanteil der Bremskraft fällt auf die Vorderradbremse. An der Front sind für schwere Jungs deshalb Scheiben mit mindestens 200 Millimetern Durchmesser Pflicht.

Viele Hersteller bieten inzwischen sogar noch größere Bremsscheiben an - darunter auch Shimano und Sram. Doch Achtung: Nicht jeder Gabel- und Rahmenhersteller gibt seine Produkte für derart große Scheiben frei. Für seine 223 Millimeter großen MDR-Bremsscheiben gibt Magura eine um zehn Prozent höhere Bremskraft im Vergleich zu einem 203-Millimeter-Modell an. Ganze 20 Prozent mehr sollen es im Vergleich zu einer 180-Millimeter Scheibe sein. In der Regel haben MTB-Bremsscheiben eine Dicke von 2 Millimetern. Mit der Intend Massive bietet das kleine Freiburger Label eine Scheibe mit 2,3 Millimetern Dicke an. Die zusätzliche Masse soll zu einem bis zu 30 Prozent besseren Wärmemanagement führen. Hope bietet sogar eine Bremsscheibe mit einer doppelten Bremsfläche an. Der Spalt in deren Mitte und die doppelte Masse führt zu einer besseren Hitzeableitung. Allerdings generiert diese innenbelüftete Bauweise eine Dicke von 3,3 Millimetern. Damit kommt nur die Hope V4 Bremsanlage klar.

Dank Innenbelüftung kühlt die Hope V4 Floating Disc Doppelbremsscheibe auch bei heftigster Belastung fix ab.Foto: HopeDank Innenbelüftung kühlt die Hope V4 Floating Disc Doppelbremsscheibe auch bei heftigster Belastung fix ab.

XXL-Reifen

Auch MTB-Reifen haben eine Gewichtsbeschränkung! Allerdings liegt diese weit über dem, was in der Regel andere Bauteile aushalten. Zum Beispiel zum Beispiel gibt Schwalbe je nach Modell und Breite 110 bis 125 Kilo je Achse frei. Insgesamt sind also 220 bis 250 Kilo möglich. Hohe Fahrergewichte bringen eine hohe Last auf die Reifen. Damit sich schwere Biker nicht ständig mit Platten herumärgern müssen, sollte mit dem Gewicht auch der Pannenschutz steigen. Ein Tubeless-Setup wirkt sich positiv auf Fahrperformance und Defekt-Anfälligkeit aus. Wer in der Schwergewichts-Klasse spielt und auf Trails unterwegs ist wählt bei Maxxis deshalb besser mindestens eine EXO+- oder gleich eine Double-Down-Karkasse. Bei Schwalbe Reifen darf es schon Mal die Super-Gravity-Version sein. Tire-Inserts können Felgen und Reifen vor Durchschlägen schützen. Breite Reifen können nicht nur trotz hohem Fahrergewicht mit weniger Luftdruck gefahren werden, sondern bieten auch eine bessere Dämpfung als Modelle unter 2,4 Zoll Breite. So können stabile und breite Reifen, am besten in Kombination mit mindestens 30 Millimeter Innenweite an den Felgen, Lasten abdämpfen, bevor sie den Rest des Bikes erreichen.

Ein breiter Reifen mit pannensicherer Karkasse ist für schwere Biker Pflicht.Foto: Max FuchsEin breiter Reifen mit pannensicherer Karkasse ist für schwere Biker Pflicht.

XXL-Griffe

Große Menschen haben in der Regel große Hände und Füße. Passende Kontaktpunkte zum Bike sind nicht nur eine Frage der Ergonomie, sondern auch des Fahrgefühls. Einer, der dieses Thema kennt ist US-Hüne Kyle Strait. Zusammen mit Sensus hat er die Meaty-Paw-Griffe entwickelt, welche - nomen est omen - auch zu richtig großen Pranken passen. Mit dem GA2 Fat haben auch die Ergonomie-Experten von Ergon extra Griffe mit 33 Millimetern Durchmesser für große Hände im Programm. Wer sich viel Griffvolumen wünscht und auf leichte Silikongriffe steht, sollte sich die ESI Chunky einmal genauer ansehen.

Gut für große Pranken: Der Ergon GA2 Fat Griff passt auch zu XXL-Händen.Foto: ErgonGut für große Pranken: Der Ergon GA2 Fat Griff passt auch zu XXL-Händen.

XXL-Pedale

Hoch gewachsene Biker leben oft auf großem Fuß. Sind die Pedale zu klein für die Treter, können Fußbett und Gelenke früher ermüden oder von Schmerzen geplagt sein. Neben den passenden Schuhen mit steifen Sohlen empfehlen sich für Radfahrer mit großen Füßen Klickpedale mit zusätzlichem Käfig. Gerade Trail-Pedale, wie etwa die HT X2 oder die Shimano Saint SPD, besitzen häufig eine Plattform rund um den eigentlichen Klick-Mechanismus herum, welcher großen Füßen eine zusätzliche Kontaktfläche und damit Entlastung bringen kann.

Wer lieber Flatpedals fährt, hat bei einigen Herstellern inzwischen die Wahl aus unterschiedlich großen Pedalkörpern. Spank bietet die Spoon Flatpedals in drei verschiedenen Dimensionen an und auch Crankbrothers hat eine “Large”-Version für seine Stamp-Pedale im Angebot, welche auch für Schuhgröße 49 noch passen soll. Unser Redakteur mit Schuhgröße 48 hat das übrigens bereits ausprobiert. SQlab geht sogar noch einen Schritt weiter und verkauft die 50X Pedale mit drei unterschiedlichen Achslängen, sodass diese für Schuhe bis Größe 50 passen sollen. Bei großen Füßen, V-förmiger Fußstellung oder großem Sitzknochenabstand kann ein erhöhter Q-Faktor zu einer physiologisch-natürlicheren Fußstellung führen. SQlab erreicht das durch die bedarfsgerechte Verlängerung der Pedalachse.

Deutlich zu erkennen: die unterschiedlich großen Pedalkörper der Spank Spoon Pedale.Foto: Georg GrieshaberDeutlich zu erkennen: die unterschiedlich großen Pedalkörper der Spank Spoon Pedale.

XXL Sättel und Stützen

Lange Sattelstützen ermöglichen es Rahmenbauern immer kürzere Sitzrohre zu konstruieren. Zum Glück entwickeln die Hersteller von Teleskopstützen zeitgleich Modelle mit viel Hub. So stellt die One Up Dropper Post V2 bis zu 240 Millimeter Verstellbereich bereit. Vor allem bei einem langen Sattelauszug kann die Stabilität von Variostützen für schwere Fahrer zum Problem werden. Bike Yoke hat mit der Revive Max ein Modell mit extra großvolumigem Tauchrohr im Portfolio. Die zusätzliche Steifigkeit erfordert allerdings einen Rahmen mit 34,9 Millimetern Innendurchmesser im Sitzrohr. Bis zu 213 Millimeter Verstellbereich sind drin. Für schwere Fahrer können leichte Tuning-Sättel ein Sicherheitsrisiko darstellen und sind deshalb ein No-Go. Lieber auf Modelle mit stabilen Stahl- oder Titan-Gestellen setzen.

Mit mehr Hub und größerem Durchmesser ist die Bike Yoke Revive Max (links) für große und schwere Fahrer optimiert.Foto: Georg GrieshaberMit mehr Hub und größerem Durchmesser ist die Bike Yoke Revive Max (links) für große und schwere Fahrer optimiert.

Weitere XXL-Teile

Auch auf die Haltbarkeit des Tretlagers kann sich ein hohes Fahrergewicht auswirken. Um sicherzugehen, dass sich die Kurbel trotz hoher Belastungen lange geschmeidig dreht, können schwere Biker zum Beispiel auf die extra großen Kugellager im Enduro Bearings Max Hit Tretlager setzen.

Im Enduro Bearings Max Hit Innenlager stecken extra große, extra stabile Kugeln.Foto: Enduro BearingsIm Enduro Bearings Max Hit Innenlager stecken extra große, extra stabile Kugeln.

Wer groß ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch breite Schultern. Viele Enduro-Lenker gibt es heute in 780 oder 800 Millimetern Breite. Wer noch breiter greifen möchte sollte sich zum Beispiel an Race Face wenden. Die Kanadier bieten fast alle Modelle auch in gigantischer 820er-Breite an. Schwere Piloten sollten an dieser sicherheitsrelevanten Stelle nicht versuchen das letzte Gramm heraus zu kitzeln, sondern lieber darauf achten, dass der Lenker hohe Stabilitätsnormen erfüllt und zum Beispiel für den Downhill-Einsatz freigegeben ist.

820 Millimeter breit und freigegeben für den Gravity-Einsatz: Der Race Face Atlas Lenker nimmt es auch mit breiten Schultern und hohen Fahrergewichten auf.Foto: Race Face820 Millimeter breit und freigegeben für den Gravity-Einsatz: Der Race Face Atlas Lenker nimmt es auch mit breiten Schultern und hohen Fahrergewichten auf.

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