Stefan Loibl
· 13.10.2015
Günstig ja, aber auch gut? Diese Mountainbike-Scheibenbremsen gibt es für jeweils unter 100 Euro. Wie schlagen sich die Spar-Stopper im direkten Vergleich? Unser Prüfstand- und Praxistest zeigt es.
Vor zwölf Jahren hieß es in einem Bremsentest von BIKE: "Nach wie vor werden mehr Serien-Bikes mit V-Brake verkauft als mit Scheibe." Seitdem hat sich viel getan: Ein Mountainbike ohne hydraulische Scheibenbremse gibt es im Jahr 2015 praktisch nicht mehr. Egal, ob es 500 Euro kostet oder mehrere tausend.
Für Bikes der 1000-Euro-Preisklasse, bei denen die Hersteller mit den Zulieferern um jeden Euro feilschen, fallen die meisten Modelle von Sram, Formula, Magura oder Shimano flach. So finden sich teilweise gruppenlose Scheibenbremsen oder Einsteigerversionen an solchen Bikes. Aber wie schlagen sich die günstigsten Hydraulik-Stopper? Wie groß sind die Unterschiede zu den Top-Modellen, die wir im Bremsentest in BIKE 2/2015 getestet haben?
Wir haben drei Einsteigerbremsen von Avid, Hayes und Shimano auf dem Prüfstand und in der Praxis auf den Zahn gefühlt. Die drei hydraulischen Scheibenbremsen bekommt man zum Nachrüsten bereits deutlich unter 100 Euro pro Stück. Die Bremsscheiben kommen noch dazu, wobei 180er-Scheiben bei Shimano etwa 20 Euro, bei Avid und Hayes rund 40 Euro kosten.
Vergleicht man die Gewichte der drei Bremsen, stellt man fest, dass die günstigen Stopper einzeln etwa 50 Gramm mehr auf die Waage bringen als vergleichbare Highend-Modelle: So liegt die Deore mit 469 Gramm nur 50 Gramm über einer XTR Trail, während die DB3 von Avid nur 60 Gramm mehr als die Sram Guide RSC wiegt. Auf Leichtbaubremsen büßen die drei günstigen Discs allerdings deutlich mehr als 100 Gramm ein.
Beim Aufbau unterscheiden sich die preiswerten Scheibenbremsen vor allem durch das zweiteilige Geber-Gehäuse. Zudem kann man den Druckpunkt bei keinem der drei Modelle verstellen. Die Hebelweite dagegen schon: Bei Avid funktioniert das sogar werkzeuglos, bei Hayes und Shimano benötigt man einen kleinen Inbus-Schlüssel.
Auf dem Prüfstand mussten sich alle Bremsen mit 180er-Scheiben beweisen. Sowohl bei der mittleren Bremskraft als auch bei der Standfestigkeit überzeugte die Shimano Deore. Vor allem beim Fading-Test hinterließ die RT66-Scheibe einen sehr positiven Eindruck: Sie deformierte sich zwar kurzzeitig, überlebte aber – im Vergleich zu den IceTech-Scheiben – die Prüfstandfolter. Noch etwas mehr Bremskraft generiert die Deore-Bremse mit den RT64-Scheiben. Allerdings hält die 1,7 Millimeter dünne Scheibe nicht so lange durch wie die RT66-Variante für 6-Loch-Befestigung.
Die Radar von Hayes wird immer mit Sinter-Belägen ausgeliefert, was bei niedrigen Temperaturen schnell zum Quietschen führt. Mit guten Werten bei der Standfestigkeit liegt die Radar voll im Soll. Nur die Dosierbarkeit und die Hebelergonomie könnten einen Tick besser sein.
Laut Labormessung kommt die DB3 auf die geringste Bremskraft. In der Praxis packen die Avid-Stopper aber sehr bissig und zuverlässig zu. Bei großer Hitze zeigten sich mit den dicken Centerline-Scheiben (1,82 mm) allerdings dieselben Probleme wie in unserem Bremsentest in BIKE 2/2015. Erst tritt starkes Fading auf, dann verformen sich die Scheiben. Doch keine Panik: Defekt sind sie deshalb nicht. Die Scheiben richten sich bei der Abkühlung wieder aus.
Fazit: Die günstigen Scheibenbremsen erzielen zwar nirgends Bestwerte, verzögern aber zuverlässig. Wer besonders leichte oder übermäßig kräftige Stopper sucht, muss mehr Geld ausgeben.
Messwerte, Daten und die Bewertung im Detail finden Sie auf Seite 2 dieses Artikels.
Die folgende Tabelle zeigt die mittlere auf dem Prüfstand gemessene Bremskraft in Newton aus Nass- und Trockenbremsung bei 80 Newton Handkraft, ermittelt mit einer 180-mm-Bremsscheibe.
Avid DB3
299
Hayes Radar
327
Shimano Deore (RT66-Scheibe)
335
Shimano Deore (RT64-Scheibe)
347
Preis
70 Euro/Stück
Gewicht/Größe
511 Gramm/180 mm
Infos
www.sram.com/avid
Details
Zweikolbenbremse mit zweiteiligem Sattel, organischen Belägen, DOT-4-Flüssigkeit, Hebelweite werkzeuglos verstellbar
Bewertung (maximale Punktzahl: 6)
Dosierbarkeit
4,5
Standfestigkeit
2
Bremskraft
2
Ergonomie
5
Fazit:
Die DB3 aus Avids Einsteiger-Linie überzeugt mit guter Ergonomie und werkzeugloser Hebelweitenverstellung. In Sachen Bremskraft erzielt sie nur mittlere Werte. Bei großer Hitze verformen sich die Centerline-Scheiben, richten sich beim Abkühlen aber wieder aus.
Preis
79 Euro/Stück
Gewicht/Größe
465 Gramm/180 mm
Infos
www.hayesdiscbrake.com
Details
Zweikolbenbremse mit zweiteiligem Sattel und Sinter-Belägen sowie Mineralöl. Hebelweite mit Werkzeug verstellbar
Bewertung (maximale Punktzahl: 6)
Dosierbarkeit
4
Standfestigkeit
4
Bremskraft
3
Ergonomie
4
Fazit:
Die Radar von Hayes verzögert dank Sinter-Belägen kraftvoll, neigt allerdings selbst im Trockenen zum Quietschen. "Crosshair"-Technologie nennt Hayes die zwei Inbus-Schrauben, mit denen sich der Sattel feinjustieren lässt. Nur der lange Hebel könnte etwas ergonomischer sein.
Preis
ca. 70 Euro/Stück
Gewicht/Größe
469 Gramm/180 mm
Infos
www.paul-lange.de
Details
Zweikolbenbremse mit zweiteiligem Sattel, organischen Belägen, Mineralöl, Hebelweite mit Werkzeug verstellbar
Bewertung (maximale Punktzahl: 6)
Dosierbarkeit
5
Standfestigkeit
4
Bremskraft
3
Ergonomie
5
Fazit
Die Shimano Deore profitiert von der Technik der teureren Modelle. Der kurze Hebel greift sich sehr angenehm, die Bremskraft lässt sich damit fein dosieren. Am Prüfstand packte die Deore am kräftigsten zu. Die RT66-Scheibe ist zudem sehr standhaft. Sie überlebte den Fading-Test.