Stefan Loibl
· 18.05.2017
Viel Bremspower bei wenig Gewicht: Die neuen Leichtbaustopper von Magura, Sram und Trickstuff sollen nicht nur ausgezehrte Rennfahrer herunterbremsen, sondern auch Trailbiker sicher ins Tal bringen.
BIKE Four Peaks 2016, Finale der zweiten Etappe: In den Schotterkehren unter der Asitz-Bergstation wird der Druckpunkt bei jeder Bremsung schwammiger. Pünktlich zum Beginn des Hangman-Trails quittiert die Hinterradbremse dann komplett ihren Dienst. Widerstandslos lässt sich der Carbon-Hebel des Magura-Stoppers bis zum Griff ziehen. 500 Höhenmeter ohne Hinterbremse durch den Bikepark Leogang warten bis ins Ziel. Aufgeben? Nein! Dass ich wenig später sturzfrei durch den Zielbogen rolle, habe ich dem vorderen Vierkolbenanker zu verdanken. Der glüht zwar im Ziel wie eine Wunderkerze, hat meine 75 Kilo aber sicher ins Tal gebracht. Ein unfreiwilliger Bremsentest unter Rennbedingungen sozusagen, den die neuen Kombi-Stopper der Schwaben bestanden haben. Der Grund für das Versagen der hinteren Bremse war übrigens Luft im System, sie war schlecht entlüftet. Doch der Vorfall zeigt auch, wie hart im Nehmen die neueste Generation leichter, hydraulischer Scheibenbremsen ist. Wir haben die Magura-Kreation und zwei neue Leichtbaustopper von Sram und Trickstuff auf unseren Laborprüfstand gespannt und sie danach im Gelände im direkten Vergleich gegeneinander antreten lassen.
Beim ersten Kräftemessen im BIKE-Labor sehen Trickstuff und Sram gegen den Vierkolbensattel der Magura-Vorderbremse kein Land. Kein Wunder, denn der hat bereits 2015 der MT7 zum Sieg im Bremsentest verholfen. Aber auch die "Kleine" von Trickstuff – momentan die leichteste Bremse der Welt – packt kraftvoller zu als eine Shimano XT oder Sram Guide RSC Ultimate mit vier Kolben. Nur die Level Ultimate hinkt bei der Bremskraft hinterher und dürfte auf langen Abfahrten bei schweren Fahrern für verkrampfte Unterarme sorgen. Die geballte Power der Magura spürt man auch im Gelände. Kurze Abfahrten, wie sie im Mittelgebirge gang und gäbe sind, locken die kraftvollen Magura-Stopper nicht aus der Reserve.
Ganz anders der dreistufige Fading-Test auf dem Trommelprüfstand, bei dem wir die Bremsen bewusst ans Limit bringen, um Extremsituationen zu simulieren. Auch dabei schafft es einzig die Magura bis in den dritten Durchgang. Fading-Schwächen zu Beginn des Tests (Initial-Fading) und eine verformte Scheibe kosten die Vierkolbenvorderbremse bei der Standfestigkeitswertung diesmal zwei Punkte. Mit jeweils vier von sechs Punkten beim Fading-Test hinterlässt das Leichtbau-Bremsen-Trio aber einen soliden Eindruck und distanziert damit sogar Konkurrenzmodelle wie die BFO H20 oder eine Shimano XT. Doch im Gelände muss man sich an die kraftvolle Vorderbremse der Magura erst einmal gewöhnen. Speziell an Racebikes mit schmalen Reifen oder auf losem Untergrund sollte man sich gut überlegen, voll in die Eisen zu steigen. Doch die neuen Magura-Stopper kann man ohne Bedenken auch an Trailbikes und leichten All Mountains fahren. Wer aufs Gewicht schaut und den besten Kompromiss aus Ergonomie, Bremskraft und Verarbeitung sucht, kommt in diesem Dreikampf nicht an der hochwertig verarbeiteten Trickstuff vorbei – mit hauchdünnem Vorsprung bekommt sie von uns den BIKE-Tipp vor der Magura.
LABORTEST UND BEWERTUNG DER TESTER
600 Grad Gegen Ende der dritten Stufe unseres Fading-Tests geht die glühende Scheibe der Magura-Vierkolbenbremse bei über 600 Grad Belagtemperatur in die Knie und verformt sich dauerhaft. Bei den anderen beiden Bremsen war bereits deutlich früher Schluss.
254 Gramm wiegt die Piccola im Leicht-Setup mit Dächle-Scheibe (160 mm), Titanschrauben und Belägen mit Alu-Trägerplatte.
Stefan Loibl, BIKE-Testredakteur:
"Mit etwas Eingewöhnung kommt man mit der kraftvollen Magura bestens zurecht. Konsequent auf Leichtbau getrimmt ist aber die Piccola. Ergonomie und Bremspower sind erstklassig."
Magura 5 von 6 Punkten
Sram 4 von 6 Punkten
Trickstuff 6 von 6 Punkten
Peter Nilges, BIKE-Testleiter:
"Die Level funktioniert bei mir im Langzeittest bislang sehr unauffällig. Sie ist für leichte Fahrer im Mittelgebirge ausreichend. Trotzdem wäre etwas mehr Power gut."
Magura 6 von 6 Punkten
Sram 5 von 6 Punkten
Trickstuff 5 von 6 Punkten
Sebastian Brust, Dipl.-Ing. & BIKE-Tester:
"Ich mag die Power der Magura. Sie ist da, wenn man sie braucht. Die Reserven der vier Kolben vorne beruhigen. Mit ihr zu bremsen ist keine Arbeit. Eher Urlaub."
Magura 5 von 6 Punkten
Sram 3 von 6 Punkten
Trickstuff 4 von 6 Punkten
Magura MT Trail Carbon
Preis 579 Euro (Set)
Gewicht* / Größe 420 (vo.)/407 (hi.) Gramm / 180 mm
Infos www.magura.com
Details Kombination aus Vierkolbenbremse vorne und Zweikolbensattel hinten, organische Beläge, Storm-HC-Scheiben, Mineralöl, Hebelweite verstellbar
Dosierbarkeit 5 von 6 Punkten
Standfestigkeit 4 von 6 Punkten
Bremskraft 5 von 6 Punkten
Ergonomie 5 von 6 Punkten
FAZIT Vorne ein Anker, hinten gut zu dosieren: Die kräftige Stopper-Kombi der Schwaben erfordert etwas Eingewöhnung, strotzt dann jedoch vor Power. Der Druckpunkt im Stand ist nicht zu hart, dennoch lässt sich die Bremskraft über den kantigen, langen Carbon-Hebel gut dosieren. Im Neuzustand schwer schleiffrei einzustellen, dafür Wartung und Entlüftung sehr einfach. Eignet sich für schwere Fahrer.
Sram Level Ultimate
Preis 324 Euro/Stück
Gewicht* / Größe 370 Gramm / 180 mm
Infos www.sram.com
Details Zweikolbenbremse mit zweiteiligem Sattel, organische Beläge, zweit. Centerline-Scheiben, DOT-5.1-Flüssigkeit, Hebelweite mit Werkzeug verstellbar
Dosierbarkeit 4 von 6 Punkten
Standfestigkeit 4 von 6 Punkten
Bremskraft 2 von 6 Punkten
Ergonomie 5 von 6 Punkten
FAZIT Die Ultimate ist das Leichtgewicht im Sortiment von Sram. Sie benötigte die längste Einbremszeit im Testfeld. Erst bei hohen Temperaturen packt sie richtig zu. Der Druckpunkt am ergonomischen Carbon-Hebel ist sehr hart und stabil, erfordert jedoch viel Handkraft. Schwere Fahrer sollten für mehr Power unbedingt zu größeren Scheiben greifen. Die Verstellung der Hebelweite ist schlecht erreichbar.
Trickstuff Piccola (BIKE-Tipp)
Preis 345 Euro/Stück
Gewicht* / Größe 341 Gramm / 180 mm
Infos www.trickstuff.de
Details Zweikolbenbremse mit zweiteiligem Sattel, organische NG-Beläge, Dächle-Disc-HD-Scheiben, Bio-Mineralöl, Hebelweite mit Werkzeug verstellbar
Dosierbarkeit 5 von 6 Punkten
Standfestigkeit 4 von 6 Punkten
Bremskraft 5 von 6 Punkten
Ergonomie 6 von 6 Punkten
FAZIT Mit dem kompakten CNC-Fräskunstwerk bauen die Freiburger die leichteste Bremse der Welt. Unser 180er-Setup packte in jeder Situation bissig und kraftvoll zu. Der vierfach kugelgelagerte, flächige Hebel greift sich sehr angenehm und bietet dem Finger außen eine gute Führung. Der Druckpunkt ist weniger hart als bei Trickstuffs Cleg oder Direttissima. Relativ langer Leerweg, aber gut dosierbar.
¹Gewicht einer Vorderradbremse in Gramm inklusive Scheibe, Schrauben und Adapter, ² Mittlere Bremskraft aus Nass- und Trockenbremsung bei 80 Newton Handkraft