Jan Timmermann
· 21.01.2024
Lange Abfahrten auf dem MTB haben etwas von einem Rodeo-Ritt. da kann das Fahrwerk eines Bikes noch so effizient und sensibel arbeiten: Der Körper des Fahrers muss dennoch unzählige Stöße abfangen. Gerade auf schnellen und verblockten Trails rumpelt es gewaltig und der Pilot tut gut daran den Lenker festzuhalten. Je mehr Erschütterungen sich vom Lenker auf den Körper übertragen, desto müder werden die Muskeln und desto wahrscheinlicher sind schmerzende oder taube Hände. “Armpump”, wie das Phänomen getauft wurde, ist der größte Feind anspruchsvoller Enduro- und Downhill-Fahrer. Letztendlich sind die Vibrationen am Lenker nichts anderes als Schwingungen und diese lassen sich physikalisch erklären. Die Entwickler bei Komponentenhersteller Spank haben im Physik-Unterricht wohl genau aufgepasst und einen Lenker designet, der weniger schwingen soll, als andere. Wir wollten herausfinden, welche Wissenschaft dahinter steckt und ob diese in der Praxis wirklich zu spüren ist.
Biker akzeptieren Armpump oft als eine unschöne Nebenwirkung ihres Sports. Gefährlich wird es aber, wenn der Armschmerz chronisch wird. Vor allem aus dem Motocross-Bereich ist das sogenannte “Chronic Exertional Compartment Syndrome” (CECS) bekannt. Auftreten kann das CECS aber theoretisch überall da, wo der Körper lange Zeit niederfrequenten Vibrationen ausgesetzt ist, also auch beim Mountainbiken. Durch die permanente Beanspruchung können die Muskeln im Unterarm anschwellen und aufgepumpt mit Blut bis zu 20 Prozent an Volumen zulegen. Biker kennen das Phänomen zum Beispiel nach einem langen Tag im Bikepark als “dicke Arme”. Wird die Schwellung zu stark, drücken die Muskelfasern gegen die Faszien, in denen sie verlaufen. Das führt zu Schmerzen, weniger Leistungsfähigkeit und im schlimmsten Falle CECS.
Um herauszufinden, welche Vibrationen zu Armpump führen, hat Spank den Frequenzbereich gemessen, in dem MTB-Lenker für gewöhnlich schwingen. Die Unebenheiten den Untergrunds übertragen sich über Reifen, Laufrad, Vorderachse, Gabel, Rahmen und schließlich Vorbau auf den Lenker. In der Regel schwingen Lenker im MTB-Einsatz mit einer Frequenz zwischen zwei und 200 Herz. Die meisten Schwingungen liegen dabei zwischen fünf und 50 Herz. Dummerweise ist das fast deckungsgleich mit dem Frequenzbereich von acht bis 50 Herz, den Mediziner hinsichtlich Armpump für problematisch halten.
Zum Glück dämpfen alle Lenker, je nach Bauform und Material, einige der Vibrationen ab. Trotzdem besitzen auch alle Modelle einen bestimmten Frequenzbereich, in dem sie mit dem Rest der Vibrationen mitschwingen. In diesem Resonanzbereich, der normalerweise irgendwo zwischen zwölf und 25 Herz liegt, verstärkt die Eigenschwingung des Lenkers den Armpump-Effekt sogar noch. Hier liegt das größte Risiko für schmerzende Hände und müde Arme.
Um eine Verstärkung ermüdender Vibrationen durch Resonanz zu vermeiden, suchte Spank nach einer Möglichkeit, den Resonanzbereich des Spike Lenkers nach oben zu verschieben. Hier kommt die patentierte Vibrocore-Technik ins Spiel, welche dafür sorgen soll, dass Lenker-Schwingungen erst in einem höheren Frequenzbereich auftreten. Welcher Bereich das genau ist, kommuniziert Spank zwar nicht, die höheren Frequenzen, in denen der Spike Vibrocore Lenker zu schwingen beginnt, sollen auf dem Trail jedoch deutlich seltener auftreten.
Um den Schwingungsbereich des Spark Vibrocore Lenkers zu manipulieren setzt Spank nicht etwa auf unterschiedlich stark dimensioniertes Carbon, sondern auf ein Innenleben aus biologisch abbaubarem Schaum. Wie andere Aluminium-Lenker auch ist der Spark zu Beginn hohl. Mithilfe der “Dual Extreme Gradual Taper Technology” wird das Rohr, das später den Lenker ergibt, gezogen. Dabei verjüngt sich dieses ausgehend vom Klemmbereich und wird am Lenkerende wieder dicker. 3D-CNC-Biegemaschinen bringen den Lenker anschließend in seine Form. Das geschieht vollautomatisiert und soll eine maximal effiziente Materialausnutzung ermöglichen sowie strukturschwächende Schleifprozesse überflüssig machen. Danach wird der Klemmbereich des Spank Spike zusätzlich gehärtet. Zum Schluss wird der Vibrocore-Schaumkern ins Innere des Lenkers gespritzt, welcher eine vibrationsdämpfende Wirkung haben soll. Soweit die Theorie, doch wie schlägt sich der Spank Spike Vibrocore Lenker in der Praxis?
Details zum Spank Spike Vibrocore
Es ist nicht das erste Mal, dass wir den Spank Spike Vibrocore Lenkern in einem Test auf den Zahn fühlen. Tatsächlich betrieben wir schon bei seiner Premiere 2016 einen erheblichen Aufwand, um dessen Wirkung zu quantifizieren. Damals gingen wir sogar mit komplexer Messtechnik auf den Trail, um die Vibrationsdämpfung des Lenkers zu ermitteln.
Das ernüchternde Ergebnis damals: Ein Effekt war zwar messbar, dieser lag jedoch in einem so kleinen Bereich, dass er im echten Biker-Leben bedeutungslos zu sein schien. Den Vorteil der Vibrocore-Technik konnten wir damals weder im Labor noch in der Praxis feststellen. Und heute? Inzwischen ist es die sechste Generation an Vibrocore-Lenkern auf dem Markt, unser aktuelles Test-Modell kommt mit großem 35-Millimeter-Klemmmaß.
Der erste Eindruck des Spank Spike Vibrocore Lenkers: Massives Teil! Mit 820 Millimetern Breite und dickem Klemm-Standard ist der Spike ganz schön viel Lenker. Das macht sich nicht nur auf der Waage bemerkbar. Mit viel Selbstvertrauen können Enduro-Piloten auf dem Spank Lenker in die Abfahrt schießen. Die Lenkpräzision des großen Alu-Bügels ist auf einem hohen Niveau. Trotzdem wirkt der Spike für einen so massiven Lenker recht komfortabel. Mehr noch: Unter den 35er-Lenkern aus Aluminium gehört er zu denen, welche sich auch nach einem langen Tag auf dem Bike noch angenehm fahren. Hände und Arme bleiben relativ lange entspannt. Ein Zeichen für die Wunderkraft von Vibrocore?
Vielleicht. Mit abschließender Sicherheit können wir die kraftsparende Wirkung des Spank Spike Vibrocore Lenkers wieder nicht bestätigen. Im Labor konnten wir ihm eine größere Auslenkung als anderen Alu-Lenkern mit 35-Millimeter-Standard bescheinigen. Und mit von uns gemessenen 27,56 N/mm fällt die Steifigkeit des Spank Spike Vibrocore geringer aus als zum Beispiel die eines Race Face Atlas mit denselben Baumaßen oder des ebenfalls getesteten OneUp Carbonlenkers.
In der Praxis stellten wir einen gewissen Komfort-Effekt fest, aber eben keine Überlegenheit gegenüber anderen Lenkern. Egal, wie viele Abfahrten wir uns in die Arme pumpten und wie oft wir mit anderen Lenkern hin- und herwechselten: Der große Wow-Effekt blieb aus. Stattdessen lässt sich festhalten, dass der Spike Vibrocore zwar ein top Lenker für radikale Abfahrten ist, sein Komfort-Effekt aber in der Wirkungskette unterzugehen scheint. In Sachen Dämpfung bergen Reifen und Griffe einfach eindeutigeres Optimierungspotential, als es der Spank-Lenker bieten kann. Wenn es aber unbedingt ein bombenstabiler, aber nicht zu steifer Alu-Lenker mit 35-Millimeter-Klemmung sein soll, sind Abfahr-Freaks mit dem Spank Spike gut beraten.
Leider konnten wir auch diesmal den Vibrocore-Effekt nicht eindeutig erspüren. Im Vergleich gibt es schlicht auch Lenker ohne Schaumkern auf dem Markt, die einen ähnlichen Komfort bieten - viele davon mit geringerem Gewicht. In der Nische der Downhill-tauglichen Alu-Lenker mit 35-Millimeter-Klemmung jedoch ist der Spank Spike Vibrocore ein starker Lenker mit gutem Komfort-Gefühl. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Pro
Contra