Nicht nur das matte Olivgrün des „Rohler BLT“ ist unauffällig. Auch die zahllosen Sonderlösungen erfordern genaues Hinsehen.
Das „Rohler BLT“ von Idworx eröffnet in diesem Test den Reigen der drei hochspezialisierten und hochpreisigen Fernreiseräder. Im Vergleich zu den anderen sechs bislang vorgestellten Modellen verdreifacht sich der Preise mal eben: mindestens 6500 Euro kostet dieses Reiserad – und trotzdem könnte man es kurz am Bahnhof stehen lassen, weil nur Insider sofort sehen, was für ein ausgefuchstes Gefährt es ist. Idworx-Macher Gerrit Gaastra erfindet das Rad nicht neu, doch er arbeitet an jedem Detail. Kaum ein Bauteil an diesem Rad ist einfache Massenware.
Das beginnt bei den durchweg ungeraden Zähnezahlen der speziellen, zudem gehärteten Antriebszahnräder. Sie sollen den Verschleiß verringern, weil wechselnd ein Außen- und ein Innenglied der Kette im Eingriff ist. Darauf muss man erst einmal kommen! Auch die hintere Bremsscheibe ist eine verstärkte Variante. Wo es geht, kommt rostfreies Material zum Einsatz, sogar im Innenlager zwischen den Tretkurbeln, ein Bereich, der im Idealfall eh von Wasser verschont bleibt. Ein robuster Scheinwerferhalter, eigens versteifte Gepäckträgerstreben, eine Titan-Sattelstütze… Das alles treibt eben den Basispreis in die Höhe, gegen satten Aufpreis sind weitere diskrete Delikatessen im Angebot. Fast immer geht es um sorglosen Betrieb über endlose Kilometer bei üblen Bedingungen. Dieser Ansatz hat der Marke zahlreiche technikverliebte treue Fans beschert.
Im aktuellen Testrad hat Gaastra ein Teil verbaut, das besondere Neugier weckt: Der „Viscoset“ von Cane Creek bremst die Lenkausschläge. Anders als eine Feder, die den Lenker immer wieder gerade ausrichtet, oder ein hydraulischer Dämpfer, der zwar schnelle Bewegungen stark dämpft, langsame aber nur wenig, ist der „Viscoset“ ein simpler Reibungsdämpfer: Ein Dutzend dünner Metallplättchen mit einem Spezialfett dazwischen werden aufeinandergepresst. Das erste ist Richtung Gabelschaft verzahnt, das zweite zum Steuerrohr hin, und so weiter, immer abwechselnd. Ursprünglich sollte die Konstruktion Rahmenflattern an E-Bikes verhindern, doch Gaastra sieht eine beruhigte Lenkung generell als Vorteil.
Um es kurz zu machen: Unbeladen und auf sanfter Oberfläche macht dieses Detail keinen großen Unterschied. Flattern würde der massive Rahmen ohnehin nicht, der Lenker dreht sich einfach etwas satter. Mit vier Packtaschen und insgesamt 36 Kilo Sand an den Trägern liegt das Reiserad dann ruhig wie ein schwerer Straßenkreuzer, wozu neben der Last auf dem Vorderrad auch dieses unscheinbare Teil seinen Beitrag leistet – eine weitere Winzigkeit, die das Fahrgefühl in der Luxusklasse auszeichnet.
Die Mischung aus eher ruhiger Reise-Geometrie, haltbaren Teilen und überzeugenden Fahreigenschaften bei voller Beladung macht das Idworx zu einem sicheren Tipp für die extralange Tour.
Weitgehend unbeeinflusst vom Zeitgeschmack zieht das „Kosmos“ seine Bahnen. Seine Ausstattung ist mehr als komplett.
Mit unserem Testrad könnte Patria einen eigenen Messestand für Weltumradler-Equipment bespielen. Hier ist alles an Bord, was technikbegeisterte Reisradler lieben, von der edlen SON-Lichtanlage über die USB-Ladestromquelle im Gabelschaft bis zum Extra-Ständer am Lowrider, der das bepackte Vorderrad am Umschlagen hindert. Dazu, als Eyecatcher, der in sattem Magenta glänzend pulverbeschichtete Rahmen und die über zwei Zoll breiten Noppenreifen – ein Ausstellungsrad der Luxusklasse. Patria lötet die Rahmen tatsächlich noch in Deutschland, auch die Montage findet am Firmensitz statt. Das schafft reichlich Möglichkeiten für individuelle Ausstattungswünsche. Während die schlichte Basisversion mit Shimano Deore XT und 3 x 10 Gängen knapp 3900 Euro kostet, sind für unser luxuriöses Exemplar im Weltreise-Trimm fast 5300 Euro fällig.
Satte 180 Kilo Systemgewicht traut Patria dem Rahmen zu. Im Vergleich zu den schlankeren Modellen der Marke sind die Rohre mit 31,8 Millimeter für das Oberrohr und 35 Millimeter beim Unterrohr zwar voluminöser, im Vergleich zur Stahl-Konkurrenz von Contoura oder Tout Terrain jedoch zierlicher.
Doch das offizielle Gewichtslimit setzt ohnehin nicht der Rahmen. Hier zählen die Angaben der Zulieferer von Lenkern, Kurbeln, Sattelstützen… Auch die dort üblichen Limits von 120 oder 130 Kilo Systemgewicht sind reichlich, wenn man sie ohne Motor bewegt, doch sie sind schnell erreicht: 36 Kilo Nutzlast, 16 Kilo Fahrrad, darauf ein 78-Kilo-Fahrer – und schon sind die 130 Kilo voll. Schwergewichtige mit ausuferndem Gepäck fahren also bei fast allen Marken im Graubereich. Wie auch immer: Die vier Taschen sitzen satt auf den konventionellen Tubus-Trägern, es kann losgehen. Dass die komplette XT-Ausstattung mit den sauber außenverlegten Zügen knackig die Gänge trifft und mit ihren Bremsscheiben im Mountainbike-Format perfekt verzögert, war zu erwarten. Nichts klappert, nichts schleift – Patria baut nicht erst seit gestern Reiseräder.
Doch die Sitzposition ist beim Test-Reiserad etwas unglücklich gewählt. Die vielen Spacer, die das sehr kurze Steuerrohr ausgleichen, platzieren den Fahrer sehr aufrecht. Mit so wenig Last auf dem Vorderrad ist die Lenkung trotz der Massenträgheit der vorderen Packtaschen eher unruhig. Zudem fühlen sich Rahmen und Gabel nicht maximal steif an. Ein längerer, tieferer Vorbau und weniger Ballast als unser extremes Testgepäck dürften den Fahrspaß ad hoc steigern. Schon die Absenkung des Luftdrucks im Vorderrad verbesserte die Laufruhe.
Das „Kosmos“ ist zweifellos robust, sorgfältig hergestellt und hochklassig ausgestattet. Doch mit maximaler Zuladung gehen die Mitbewerber im Test etwas souveräner um.
In das Perfektionisten-Duell mit Idworx schickt Tout Terrain sein „Tanami Xplore II“ mit Pinion-Getriebe – und einem originellen Detail.
Das Schöne an einem Radtest in der Luxusklasse ist nicht unbedingt die Möglichkeit, mit teurem Material zu spielen oder ein komplett neues Fahrgefühl zu erleben. Oft ist es vielmehr die Entdeckerfreude, beim ersten Check schon wieder einen neuen Trick zu entdecken, mit dem ein perfektionistischer Tüftler ein Detailproblem beseitigt. In diesem Test sind es vor allem Idworx und Tout Terrain, die mit solchen Feinheiten glänzen. So richtig tüftlermäßig gefiel zum Beispiel der kleine Riegel, der den Lenker am Tanami beim Abstellen am Umschlagen hindert – ein lästiges Problem bei beladenem Frontträger. Auch die Lösung mit einem zweiten Ständer am Reiserad, wie etwa auch bei Patria, verhindert das. Doch der Druckknopf-Riegel ist einfach smart – und macht deshalb glücklich.
Gepäcktransport und integrierte Träger stehen bei den meisten Bikes von Tout Terrain im Fokus, erst recht beim„Tanami Xplore“, der 29-Zoll-Alternative zum bewährten„Silkroad“ mit etwas kleineren 27,5-Zoll-Rädern. Bei einigen Gepäckträgern verwendet die Marke Edelstahl, damit auch bei beschädigtem Lack keine Roststellen entstehen. Beim Test-Tanami ist eine noch elegantere Lösung montiert: Die Taschen sitzen auf einem rundum rostfreien, scheuerfesten Edelstahlrahmen. Es sind Details wie dieses, die den Unterschied zur günstigeren Klasse markieren und relativieren, in der beispielsweise der integrierte, aber viel empfindlichere Träger des Cube „Kathmandu“ antritt. Auch die in Stahl besonders belastbaren Gewindeösen für allerlei Täschchen und Fläschchen spendiert Tout Terrain seinen Kunden gleich dutzendweise. Das Design buchstabiert ein Wort: Abenteuer. Egal, was auf die große Fahrt mitkommen soll, hier kann es elegant und haltbar verschraubt werden.
Die 36 Kilo Sand in Taschen aus dem Keller zu tragen, ist vor jeder Testfahrt eine Plackerei, doch auch die über 18 Kilo des Testrades selbst erinnern eher an die Pedelec-Liga als an sportliches Fahren. Pinion-Getriebe und Stahlkonstruktion lassen grüßen… Erst in Kombi mit großem Reisegepäck wird das Rad-Gewicht zweitrangig. Die relativ hohen Rohrdurchmesser (Oberrohr 35, Unterrohr 38 Millimeter) und die steife Trägerkonstruktion machen Kurven mit Ballast problemlos, die Schulterstollen der Offroad-tauglichen Conti-Reifen knicken auch bei erhöhter Schräglage nicht weg. Läuft – auch im Kriechgang, den die stark untersetzte Pinion-Schaltung bis zur Traktionsgrenze ermöglicht. Doch auch dieses Reiserad will ausgeglichen beladen werden. Mit hoher Zuladung nur am Heck wird die Lenkung nervös, aber dazu gibt es ja genug Alternativen.
Immer wieder kommt das Team um Oliver Römer mit originellen Details um die Ecke, die das bewährte Programm aufpeppen. Das Pinion-getriebene „Tanami“ lädt ein, die Welt ohne größere Materialsorgen zu entdecken.
>> Die Einzeltests zu den Genussreise-Rädern und den Abenteuer-Rädern finden Sie hier.