Eigentlich ist das Diamant ein absoluter Klassiker. Wer schon länger mit Rädern zu tun hat oder gar welche verkauft, wird es wissen: In den 90ern waren die Vorgänger dieses Testbikes die Trekkingräder schlechthin. Brot-und-Butter-Ware im besten Sinne. Wer ein Alltagsrad brauchte, bekam ein Diamant in die Hand gedrückt. Intuitives Handling, unkomplizierte Ausstattung. Das passte eigentlich immer.
Das neue Zing Trip Plus zeigt: Klassiker können auch mit der Zeit gehen. So spezifiziert Diamant auffällige Breitreifen für mehr Komfort und sogar ein Bremslicht ab Werk, bleibt in anderen Belangen aber auffällig traditionell. Prägnantestes Beispiel: Der klassische Aufsetz-Akku. Rein technisch gesehen ist das noch immer die beste Lösung. Es macht den Rahmen günstiger und leichter. Nicht umsonst unterbietet das Diamant die Konkurrenz in unserem Vergleichstest teils um fast fünf Kilogramm!
Der Aufsetz-Akku hat längst Seltenheitswert. Aus primär optischen Gründen integrieren die meisten Hersteller die Batterie in ein voluminöses Unterrohr. Diamant entscheidet sich nach wie vor dagegen. Das bringt ein niedriges Gesamtgewicht. Auch die Flexibilität bei den Akku-Optionen hat hier ihre Wurzel. Gleich vier verschiedene Batterien zwischen 400 und 800 Wattstunden stehen zur Wahl und verursachen so eine Preisspanne von 3849 bis 4499 Euro, bei ansonsten gleicher Ausstattung. Übrigens: Selbst mit 800er Batterie wäre das Bike mit rund 24,5 Kilo immer noch sehr leicht für ein Trekking E-Bike.
Bei so viel Wind um die Batterie geht der Motor fast etwas unter. Ein Fehler, denn im Zing Trip Plus steckt die neueste Entwicklungsstufe des beliebten Bosch CX. Mehr Performance geht nicht! Der neue Motor ist leiser und spricht nochmal deutlich feinfühliger an als der Vorgänger. Außerdem tritt er sich über 25 km/h fast ohne Wiederstand. So lässt sich das Zing in leichtem Gefälle auch lässig jenseits der Unterstützungsgrenze treten. Das große Kiox-500-Display mit Navigationsfunktion ist ein klares Plus für Tourenfahrer.
Großes Display, starker Motor: In Sachen E-Antrieb geht Diamant also schonmal in die Vollen. Und bei den restlichen Teilen? Hier wählt die ostdeutsche Traditionsmarke ebenfalls gute Parts ohne echte Schwächen. Vor allem die stämmige Gabel ist in Sachen Wertigkeit und Ansprechverhalten ein spürbares Upgrade gegenüber den in der Klasse oft üblichen Günstig-Forken à la Suntour NCX. Wir finden: Nur so ergibt eine Federgabel überhaupt Sinn.
Die Mittelklasse-Schaltung Cues 6000 wechselt die Gänge zuverlässig und bietet mit Zehn Gängen auf einer Kassette mit 11 - 48 Zähnen eine sinnvolle Gesamtübersetzung. Die Magura-Bremse mit vier Kolben liefert eine hohe Leistung. Unser Modell zog aber etwas Luft. Tief gezogene Schutzbleche, besonders breite Reifen und ergonomische Flügelgriffe bieten Komfort und Wetterschutz im Alltag. Das Rücklicht mit Bremslichtfunktion ist top, der Frontscheinwerfer kein Flutlicht. Für dunkle Feldwege reicht die Ausleuchtung aber.
Wegen des kurzen Oberrohrs sitzt man auf dem Diamant eher kompakt, der Lenker steht eher tief. Das ist am Trekkingrad erstmal etwas ungewohnt. Aber so hat man beim Diamant viel Kontrolle über die Steuerzentrale. Die kleinen 27,5-Zoll-Laufräder und der kurze Radstand machen das Handling quirlig. Gerade auf verwinkelten Strecken gefiel uns das gut.
Auf langen Touren mit rauem Untergrund punkten die breiten Reifen und die sensible Federgabel und sorgen für einen spürbar hohen Komfort, deutlich über dem Klassendurchschnitt. Das ist eine der größten Stärken des Diamant! Die Bremse packt kräftig zu. Nachts ist der Frontscheinwerfer nicht übermäßig hell, streut aber gut und sorgt so für eine gleichmäßige Ausleuchtung. So ergibt sich insgesamt ein rundes Bild. Größter Kritikpunkt: Beim Fahren mit sehr schwerem Gepäck verwindet sich der filigrane Gepäckträger etwas. Das Rad neigt dabei außerdem zu leicht pendelnder Lenkung. Die Gewichtsfreigabe von 136 Kilo beschränkt das Rad mit etwas Gepäck auf ein Fahrergewicht von rund 100 Kilogramm. Viele Anschraubpunkte für Zubehör und die lebenslange Garantie geben dafür Pluspunkte.
Rein vom Fahren her gehört das quirlige Diamant zu unseren Favoriten. Die superbreiten Reifen mit feinem Gravel-Profil vereinen schnelles Rollen mit sinnvollem Grip auf Schotter und Feldwegen. Der klassisch gestaltete Rahmen mit teils verschliffenen Nähten ist gut gemacht, die Ausstattung auffallend wertig. Das größte Problem: Nichts für extrem schwere Fahrer. Der schlanke Gepäckträger ist nicht übermäßig verwindungssteif. - Adrian Kaether, Testleiter MYBIKE