Als das Pulsium vor mehr als zehn Jahren auf den Markt kam, war es speziell für die Anforderungen der harten Frühjahrsklassiker entwickelt, vor allem natürlich die Kopfsteinpflaster-Rennen Paris-Roubaix und Flandern-Rundfahrt. Hoher Fahrkomfort steht daher seit der ersten Stunde weit oben im Lastenheft. Die anschließenden Entwicklungsstufen nahmen zunehmend auch die Eignung für die Langstrecke in den Blick und modifizierten die Geometrie auch für weniger trainierte Radsportler, die aufrechter im Sattel sitzen möchten.
Das Pulsium der vierten Generation fällt nun wieder rennorientierter aus, Lapierre platziert das Rad am sportlichen Ende des Endurance-Segments. Das Steuerrohr ist deutlich kürzer als beim Vorgänger, gleichzeitig wächst die Rahmenlänge um wenige Millimeter. In Kombination mit der Lenker-Vorbau-Kombi aus Aluminium ergibt sich eine Sitzposition, die vergleichbar zu Wettkampfrädern ist. Durch den großen Lenker-Drop sitzt man speziell in Unterlenkerposition tief geduckt.
Das Pulsium rückt dadurch ans Xelius DRS heran; der Race-Allrounder ist ebenfalls Teil des herbstlichen Neuheiten-Trios von Lapierre. Hersteller wie Cube, Storck oder Veto interpretieren die Kategorie mit ihren Marathonrädern ähnlich sportlich. Das unverwechselbare Markenzeichen des französischen Herstellers findet sich auch am neuen Pulsium: Es übernimmt das Design mit den am Oberrohr anschließenden Sitzstreben.
Auf ein zusätzliches Elastomer wie bei den älteren Versionen wird verzichtet. Stattdessen soll der Rohrknoten konstruktiv besser auf Komfort getrimmt sein: durch den Knick in den Sitzstreben und eine gezielte Carbonfaserbelegung. Unsere Labormessungen bestätigen die Idee des Herstellers: Stütze und Sitzrohr federn besser als beim Vorgänger.
Zu den komfortabelsten Marathonrädern auf dem Markt lässt das Lapierre aber dennoch eine Lücke, zumindest was die Federung des Rahmen-Sets angeht. Denn dank voluminöser Pneus, die sich über den breiten Alu-Felgen von DT Swiss auf 34 Millimeter ausdehnen, werden Unebenheiten im Straßenbelag fahrwerksähnlich geschluckt. Planierte Feldwege nimmt das Lapierre dadurch ohne Murren unter die Reifen. Für den ernsthaften Einsatz im Gelände lässt das Chassis bis zu 38 Millimeter breite Gummis zu, bis vor ein paar Jahren der Standard bei Gravelbikes. Sogar die Montage fester Schutzbleche ist mit dem Maximalmaß noch drin. Allroadbike, ick hör dir trapsen!
Zum astreinen Grenzgänger zwischen Marathonrad und Gravelbike fehlt nur noch ein integriertes Staufach. Das Pannen-Set muss dennoch nicht unter dem Sattel baumeln, da sich am Oberrohr eine kleine Tasche für Werkzeug oder Ersatzschlauch montieren lässt. Neben dem verbesserten Rahmenkomfort soll die Neukonstruktion des Hinterbaus das Rad auch leichter machen. Der unlackierte Rahmen der Testversion bleibe unter einem Kilogramm, teilt Lapierre mit. Robuste Alu-Komponenten wie Lenker, Vorbau und Sattelstütze treiben das Gewicht jedoch nach oben.
Mit 8,7 Kilogramm an der TOUR-Waage fällt das Lapierre Pulsium 7.0 vergleichsweise schwer aus. Mit leichteren Anbauteilen aus Carbon wie am Top-Modell soll das Lapierre rund 200 Gramm weniger wiegen. Auch an die Aerodynamik wurde gedacht, allerdings fällt das Tuning hier eher behutsam aus. Aero-Profile an Gabel und Steuerrohr gehören heute fast standardmäßig zum Design moderner Rennräder. Lapierre gibt eine Verbesserung der Aerodynamik um fünf Prozent zum Vorgänger an, zu dem allerdings keine Daten vorliegen.
Auf zehn Kilometer soll das Rad je nach Geschwindigkeit vier bis fünf Sekunden schneller sein. Auf der Straße kann das verwindungssteife Pulsium 7.0 das recht hohe Gesamtgewicht gut kaschieren. Die größte Stärke ist die ausgesprochen hohe Laufruhe. Schnelle Abfahrten mit vielen Richtungswechseln lassen das Lapierre völlig unbeeindruckt seine Spur ziehen. Die hochwertige Ausstattung mit der elektronischen Ultegra-Gruppe von Shimano ist über alle Zweifel erhaben, dank der 1:1-Übersetzung im kleinsten Gang ist das Velo für den Einsatz in bergigem Gelände gewappnet.
Insgesamt muss man auf dem Markt ein Gesamtpaket wie das des Pulsium 7.0 lange suchen. Die Neuheit kombiniert wie kaum ein anderes Modell einen sportlichen Charakter in Form der relativ gestreckten Sitzposition mit modernen (Komfort-)Trends wie der üppigen Reifenfreiheit. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne geht voll auf. Das Rad zielt auf ein breites Publikum ab, das ein vielseitiges und vergleichsweise bezahlbares Rennrad sucht, ohne große sportliche Kompromisse einzugehen.
Mit 4399 Euro ist die Testversion die zweitteuerste im Sortiment. Bis auf das Basismodell (2599 Euro) sind alle Varianten mit einer Funkschaltung von Shimano oder SRAM ausgestattet. Aerodynamisch optimierte Carbonlaufräder sind dem Top-Modell (5699 Euro) vorbehalten. Neu ist die zusätzliche Rahmengröße XXL, die an Fahrer ab 1,95 Metern adressiert ist. Wobei die Größenempfehlung nicht zwingend der Maßstab ist: Unsere rund 1,80 Meter großen Testfahrer saßen auf einem Pulsium in Größe M, das die Franzosen für eine maximale Körpergröße von 1,75 Metern empfehlen.