Das Modell SuperSix war bei Cannondale zuletzt omnipräsent, gleich drei Plattformen hörten auf den Namen: für Straße, Querfeldein und Gravel. Die beiden geländetauglichen Varianten unterschieden sich dabei nur in den Ausstattungen. Verwirrend. Das erkannte nun auch der US-Hersteller und reagierte: Der Zwitter aus Cyclocrosser und Gravelbike wird aus dem Sortiment verschwinden und durch das SuperX ersetzt – als komplett neue Plattform für den Offroad-Einsatz.
Bei Querfeldeinfahrern wird es jetzt möglicherweise klingeln, schließlich firmierte einst der Cross-Spezialist von Cannondale unter diesem Namen. Doch bis auf die Namensgebung teilt das neue SuperX mit dem früheren kaum noch Gemeinsamkeiten. Vielmehr reagiert Cannondale mit dem SuperX auf die steigende Popularität von Gravelrennen, speziell in Übersee. Auf den ersten Blick wirkt das Chassis wie eine Kopie des straßentauglichen SuperSix Evo. Die aerodynamisch optimierten Carbonrohre werden fast eins zu eins übernommen. Zudem hat die Neuheit leicht abgespeckt, für das exklusive Top-Modell nennt Cannondale gegenüber dem Vorgänger eine Ersparnis von 100 Gramm.
Mit kolportierten 7,4 Kilogramm würde sich die Luxusversion hinter dem Specialized S-Works Crux als leichtes Gravelbike im TOUR-Test einreihen. Für unser Testrad, das Cannondale SuperX 2, ermittelten wir ein Komplettgewicht von 8,4 Kilogramm. Damit unterbietet es sogar die Herstellerangabe um 200 Gramm. Eine Teilerklärung liefert Cannondale selbst, denn kurz vor Veröffentlichung der neuen Plattform wurde der schmale Carbonlenker von FSA (380 Millimeter) durch eine einfachere Alu-Variante von Vision (420 Millimeter) ersetzt. Neben schwereren Anbauteilen resultiert das Mehrgewicht im Vergleich zur High-End-Variante aus einer einfacheren Carbonqualität des Rahmen-Sets. Für das Basismodell in kleinerer Rahmengröße gibt Cannondale 9,1 Kilogramm an.
Inwiefern sich die aerodynamischen Anleihen beim SuperSix Evo bezahlt machen, darüber macht Cannondale keine konkreten Angaben. Knapp zwei Watt weniger soll das SuperX bei 35 km/h benötigen, genaue Werte nennt der Hersteller nicht. Trotzdem: Bei unseren Testfahrten hinterließ das SuperX 2 einen schnellen Eindruck. Vergleichbare Räder wie das Canyon CF SLX 8 AXS oder Rose Backroad FF XPLR AXS sind zwar etwas leichter, dennoch hängt das Cannondale gut am Gas und pflügt wie an der Schnur gezogen über die Schotterpiste.
Die Sitzposition fällt vergleichsweise sportlich aus, lange Touren sind auf dem Bike aber keine Tortur für Nacken und Rücken. Am meisten überzeugt uns allerdings nicht der rennmäßige Charakter, sondern der enorme Federkomfort. Nur wenige Racebikes können in dieser Disziplin mithalten und bügeln Unebenheiten noch besser glatt als das Cannondale. Das Cannondale SuperX profitiert dabei von seiner Nähe zum Straßenboliden, indem es dessen verjüngtes Sitzrohr aufgreift und in Kombination mit der filigranen Carbonstütze deutlich federt.
Unterstützt wird das beeindruckende Fahrwerk durch die Tubeless-Reifen von Vittoria, die sich 42 Millimeter breit auf den aerodynamisch optimierten Carbonfelgen von Reserve wölben. Noch breitere Pneus sind für typisches Gravelgeläuf demnach obsolet, durch die üppige Reifenfreiheit von 48/51 Millimetern (vorne/hinten) ließe sich das Rad aber auch für noch unwegsameres Gelände wappnen.
Laut Cannondale soll die Plattform mit 33-Millimeter-Gummis weiterhin auch für Cyclocross-Rennen geeignet sein. Enge, verwinkelte Kurse schmecken dem Rad aber weniger als kerzengerade Schotterautobahnen. Insgesamt kann das SuperX seine US-Wurzeln nicht leugnen. Durch den langen Radstand, viel Gabelnachlauf und flachen Lenkwinkel ist das Rad prädestiniert für lange Gravelrennen à la Unbound. Vergleichbare Race-Gravelbikes lenken sich direkter.
Das soll aber nicht den exzellenten Gesamteindruck des neuen Cannondale schmälern. Im Gegenteil: Die TOUR-Note von 1,6 vergaben wir bislang erst einmal für ein Gravelbike (BMC Kaius 01 LTD). Zwar ist das getestete SuperX 2 mit Carbonlenker rund 100 Gramm leichter als das Serienmodell mit Alu-Cockpit, aber die tolle Performance des Rades dürfte das kaum schmälern, zumal das Testrad noch nicht das Ende der Fahnenstange markiert.
Die Top-Version drückt das Gewicht wie erwähnt deutlich – die US-Amerikaner bauen damit wohl das nach Noten derzeit beste Gravelbike. Das hat allerdings seinen Preis: 14.999 Euro ruft Cannondale für das Edel-Modell Lab71 auf. Deshalb dürfte es in seiner Mehrzahl Gravelprofis vorbehalten sein, die für ihr Arbeitsgerät in der Regel nicht selbst aufkommen müssen. Im Vergleich dazu mutet das SuperX 2 fast schon als Schnäppchen an, indem es mit 6899 Euro weniger als die Hälfte kostet.
Durch den Aufbau mit 2x12-Antrieb von Shimano stehen genügend Gänge für unterschiedliche Anforderungen zur Verfügung. Eine günstigere Variante findet sich (bislang) nicht. Der Zusatz “Carbon” im Modellnamen lässt jedoch Spekulationen zu, ob Cannondale in naher Zukunft auch preiswertere Alu-Versionen nachlegt. Aktuell gibt es diese nur vom abenteuertauglichen Topstone.