Rennräder wurden in den vergangenen Jahren eher schwerer als leichter, da Scheibenbremsen oder aerodynamisch optimierte Rahmen-Sets auf die Waage drücken. 2024 läuteten allerdings vier Neuheiten eine Renaissance des Leichtbaus ein, die auch in fahrfertigem Zustand das Gewichtslimit des Radsport-Weltverbands unterbieten. Zwei Modelle bleiben sogar unter der Sechs-Kilo-Marke.
Ein zentraler Grund für das Comeback des Leichtbaus sind neue Fertigungstechnologien bei Rahmen und Gabel. Die Kletterkünstler profitieren zudem von spektakulären Laufrädern. Neben den Felgen sind teilweise auch Speichen und Nabenflansche aus Kohlefaser gefertigt. Selbst Kleinteile wie Spacer oder Sattelstützenklemmungen unterliegen inzwischen dem Diktat des Leichtbaus. Zudem verzichten viele Fahrradbauer auf eine dicke Lackschicht und setzen nur auf eine dünne Schicht aus Klarlack.
Eine Weltneuheit offenbart zudem riesiges Potenzial: Schwalbe hat einen neuen Reifen in den Startlöchern, der im Vergleich zu einem konventionellen Pneu mehr als 100 Gramm einsparen soll. Der Aerothan Race, nicht zu verwechseln mit dem TPU-Schlauch der Reichshofer, ist bislang (Stand: Januar 2025) noch nicht offiziell vorgestellt. Das kolportierte Gewicht des 29-Millimeter-Reifens, der in den USA produziert wird, liegt bei rund 160 Gramm. Als erster Hersteller hat Scott die Gummis am neuen Addict RC Ultimate montiert.
Die Carbon-Spezialisten vom Bodensee setzen die neue Benchmark. Das Schmolke Leggerissma TLO profitiert maßgeblich von hochexklusiven Anbauteilen aus Kohlefaser. Kettenblätter, Lenker-Vorbau-Kombi, Sattel und Stütze: Sie alle sind betörend leicht. Interessant: Rahmen (786 Gramm) und Gabel (341 Gramm), die Schmolke in Kooperation mit einem südkoreanischen Hersteller produziert, gehören nicht zu den leichtesten.
Das Addict RC Ultimate ist der jüngste Vertreter in den Top Ten. Bei unserem Besuch bei Scott ermittelten wir ein Gesamtgewicht von 5,9 Kilogramm. Beeindruckend ist vor allem der neue Ultraleicht-Reifen von Schwalbe: Der Aerothan Race, bislang noch nicht offiziell vorgestellt, dürfte mehr als 100 Gramm gegenüber einem konventionellen Pneu sparen.
Mit der limitierten Version des Ultimate CF stellte Canyon einst einen neuen Weltrekord auf. Als erster Hersteller gelang es den Koblenzern, ein Rad mit Scheibenbremsen nahe an der Sechs-Kilo-Marke auf die Reifen zu stellen. Canyon gelang dieses Kunststück durch eine optimierte Faserbelegung. Von den rund 800 Gramm des Ultimate SLX, das als Basis diente, zwackte der Direktvertreiber 150 Gramm ab. Auch die Lenker-Vorbau-Einheit profitierte davon. An das Fabelgewicht kommt kein aktuelles Ultimate heran. Die leichteste Version, das Ultimate CFR Di2 Aero, hing mit 6630 Gramm an der TOUR-Waage.
Lediglich 618 Gramm wog einst der Rahmen der exklusiven S-Works-Variante. Eine dünne Schicht Klarlack und minimalistische Decals trugen zum Rekord bei, schließlich war bislang (Stand: Januar 2025) kein Rahmen im TOUR-Test leichter. Die Gabel setzte mit 290 Gramm ebenfalls Maßstäbe. Für die High-End-Version des Aethos aus dem aktuellen Modelljahr (13500 Euro) gibt Specialized ein Komplettradgewicht von 6,3 Kilogramm an.
Zum 20-jährigen Firmenjubiläum entwickelte Bernd Nolte, Inhaber der Fahrradmarke Benotti, eine auf 100 Stück limitierte Version des Fuoco Carbon. Rahmen-Set oder Anbauteile brechen zwar keine Rekorde, das Gesamtpaket ist aber mehr als beachtlich. Nur vier Räder waren im TOUR-Test leichter. Die Räder auf den folgenden Plätzen der Top Ten sind mindestens 400 Gramm schwerer.
Während der Tour de France 2023 legte Factor das O2 VAM neu auf. Auch das Bergrad des britisch-taiwanesischen Herstellers unterbietet das UCI-Gewichtslimit, allerdings auf Kosten des maximal zulässigen Fahrergewichts: Factor gibt den Renner für maximal 90 Kilogramm schwerer Fahrer frei. Zum Vergleich: Das Benotti soll Belastungen unter 140 Kilogramm Fahrergewicht standhalten.
Das TCR ist ein Dauerbrenner unter den leichtesten Rennrädern der Welt. Die aktuelle Version ist zwar nur 20 Gramm leichter als der Vorgänger, dafür trugen die Taiwaner der Aero-Entwicklung Rechnung. Das Gewichtstuning basiert unter anderem auf dem sogenannten Cold-Blade-Cutting der Carbonelemente. Das Verfahren ist Betriebsgeheimnis, doch die Taiwaner versprechen dadurch eine höhere Präzision. Zudem sollen die sensiblen Carbonmatten im Gegensatz zum Zuschnitt per Laser nicht beschädigt werden.
Nachdem sich Scheibenbremsen an Rennrädern vor rund fünf Jahren etabliert hatten, stand die Industrie vor einer großen Aufgabe: Wie bekommen wir ein Rennrad wieder leicht? Wilier antwortet damals mit dem Zero SLR und einem Trick. Das Testrad war mit Laufrädern ausgestattet, die für Schlauchreifen ausgelegt waren. Gegenüber vergleichbaren Clincher-Laufrädern holten die Italiener einst rund 400 Gramm heraus. Heute wird das Zero SLR durch das Verticale SLR ersetzt. Ein Testrad in giftgrüner und vermutlich schwerer Lackierung hing mit 6780 Gramm an der TOUR-Waage.
Specialized gelingt es als einzigem Hersteller, gleich zwei Modelle in den Top Ten der leichtesten Räder im TOUR-Test zu platzieren. Beim S-Works Tarmac SL8 beeindruckt das geringe Rahmengewicht, trotz Aero-Optimierung wird es nur von vier Konkurrenten unterboten. Die gewogenen Einzelgewichte beziehen sich auf eine hauchzart lackierte Version, die nur als Rahmen-Set erhältlich ist. Das leichteste Komplettrad (14500 Euro) dürfte nicht viel schwerer sein, Specialized nennt ein Gewicht von 6,66 Kilogramm für die Ausstattung mit SRAM Red AXS.
Den Titel für das schnellste Rennrad im TOUR-Test sicherte sich unlängst das Aerfast.5, mit dem Aernario.3 schafft Storck knapp den Sprung in Leichtbau-Spitzenklasse. Neben dem relativ leichten Rahmen profitiert die Platinum-Variante unter anderem von leichten Aerothan-Schläuchen und einem Vollcarbon-Sattel. Mit 9599 Euro bliebt das Aernario.3 als einziges Rad in dieser Bestenliste unter der 10000-Euro-Marke. Auf der Herstellerseite ist die Version mit schnellen Laufrädern von DT Swiss nicht gelistet (Stand: Januar 2025), das Modell mit Eigenmarken-Laufrädern spart 400 Euro.