Canyon nähert sich dem perfekten Rennrad von der schnellen Seite. Das Aeroad startete einst als ausgewiesener Spezialist für Flachetappen. Nach mehreren Entwicklungsstufen ist die vierte Generation heute erste Wahl bei den von Canyon ausgestatteten Profi-Teams – und der zweirädrige Turbo für die Sprintsiege von Jasper Phillipsen oder die beeindruckenden Solofluchten von Mathieu van der Poel. Mittlerweile verzichten die von Canyon ausgestatteten Profi-Teams selbst auf Bergetappen weitgehend auf das Leichtbau-Modell Ultimate, das kaum noch eine Daseinsberechtigung hat.
Der Anspruch, nicht weniger als das kompletteste Rennrad der Welt zu bauen, ist mehr als nur ein Marketing-Versprechen des Koblenzer Herstellers. Mit einem Podiumsplatz im Aero-Ranking legt es den Grundstein für den Testsieg, den es sich mit Scott und Specialized teilt. Nur das Storck ist messbar schneller. Bestwerte liefert das Aeroad in keiner Disziplin, doch auch Schwächen sucht man vergebens.
Das Rad schafft es in bemerkenswerter Manier, allen Ansprüchen gerecht zu werden – vergleichbar mit einem alltagstauglichen Sportwagen. Das Fahrverhalten ist berechenbar, aber nicht langweilig; das Fahrwerk straff, aber nicht unkomfortabel. Die Sitzposition fällt weniger extrem aus als auf anderen Boliden dieser Klasse und dürfte den Massengeschmack gut treffen; auch lange Touren lassen sich darauf gut bestreiten. Ein relativ leicht anpassbares Cockpit rundet das Paket ab.
Einige Räder in diesem Test kosten zwar weniger, aber man muss das Aeroad dennoch als günstig bezeichnen. Für seine CFR-Modelle verlangt Canyon deutlich weniger als die Konkurrenz für ihre Top-Klasse, vor allem die notengleichen Testsieger von Scott und Specialized. Dabei entpuppt es sich auch bei näherem Hinschauen nicht als Mogelpackung: Von den hochwertigen Zipp-Laufrädern über die SRAM-Schaltung inklusive Powermeter bis hin zum 3-D-Druck-Sattel ist alles verbaut, was die Herzen von Technik-Fans höher schlagen lässt.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung aber auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass bei einem mittleren Streckenprofil von 1000 Höhenmetern pro 100 Kilometern die physikalische Wirkung von Gewicht und Aerodynamik für die Durchschnittsgeschwindigkeit vergleichbar ist. Zur Orientierung: Die aerodynamische Optimierung des Rades kann auf solch einer Strecke bis zu knapp vier Kilogramm Gewicht kompensieren. Gleichzeitige Bestnoten in Gewicht UND Aerodynamik schließen sich aus, aber es gibt Rennräder, die einen sehr guten Kompromiss finden. Ist die Strecke bergiger als unsere Referenzstrecke, nimmt die Bedeutung des Gewichts zu, ist die Strecke flacher, wird die Aerodynamik wichtiger.
Luftwiderstand (25 Prozent): Dynamisch gemessen im Windkanal, mit TOUR-Dummy, drehenden Rädern, bewegten Beinen und über ein großes Spektrum von Anströmwinkeln. Verdichtet zu einer Aerodynamik-Note für typische Umweltbedingungen.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Komfort Heck (10 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (5 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Schalten (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen, Felgen bzw. Scheiben und Zügen sowie Zugverlegung bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.