Baldiso OneZurück in die Zukunft mit dem Luxus-Rennrad

Julian Schultz

 · 28.03.2025

Goldstück: Das Markenzeichen des Baldiso fällt sofort ins Auge – oder eben auch nicht: Der Rahmen hat kein Sitzrohr.
Foto: Matthias Borchers
Das Baldiso One fällt durch sein Design auf, welches Erinnerungen an eine Stilikone der 90er-Jahre weckt. Technologisch ist das Luxus-Rennrad jedoch auf dem neusten Stand. Unser Schwestermagazin TOUR hat dieses streng limitierte Rennrad exklusiv im Windkanal, Labor und in der Praxis getestet.

Das Konzept hat es auf die Straße geschafft! Knapp 18 Monate nach der Präsentation eines der ungewöhnlichsten Rennräder in jüngerer Vergangenheit ist das Baldiso One nun verfügbar. Trotz eines gescheiterten Crowdfundings und anfänglicher Skepsis über die Ausrichtung hat ein Duo aus dem Allgäu ein Modell auf die Reifen gestellt, das nicht alle Tage in die TOUR-Redaktion rollt.

Der Rahmen des Baldiso One hebt sich ab

Dessen Alleinstellungsmerkmal ist die anspruchsvolle Rahmenkonstruktion ohne Sitzrohr. Damit bekommt das One zwar keine Rennzulassung durch den Radsport-Weltverband UCI, wettkampftauglich ist der in limitierter Stückzahl produzierte und astronomisch teure Bolide aber allemal, wie unser Einzeltest zeigt. “Ein Rennrad, das nicht nur aus der Masse heraussticht, sondern absolut einzigartig ist.” Mit diesem Anspruch startete Sebastian Baldauf das durchaus waghalsige Projekt. Der Ex-Profi ist das Gesicht hinter Baldiso, einer jungen Marke, die sich mit exklusiven Rädern auf dem hart umkämpften Markt etablieren will.

Deutsches Design: Für das One schlossen sich mit Fahrradbauer Baldiso und Kohlefaserspezialist Carbonworks zwei deutsche Hersteller zusammen.Foto: Matthias BorchersDeutsches Design: Für das One schlossen sich mit Fahrradbauer Baldiso und Kohlefaserspezialist Carbonworks zwei deutsche Hersteller zusammen.

Zur Unterstützung holte sich der einstige Deutsche Bergmeister die Expertise von Carbonworks um Simon Bühler hinzu, einem Spezialisten für Kohlefaserteile. Die Definition von Einzigartigkeit beantworteten beide zunächst mit dem Plan, das leichteste Serienrad der Welt bauen zu wollen. “Ein extrem leichtes Rad hätte aber eine sehr klassische Form und würde vor allem auf Materialeinsparung basieren”, so Baldauf. Der neue Ansatz sah ein “Designrad” vor, wie der 36-Jährige das One bezeichnet. Durch den sitzrohrlosen Rahmen – und die glänzende Goldlackierung – kommt das Baldiso tatsächlich einem Kunstwerk gleich, das man sich auch an die Wand hängen könnte. Auf unseren Prüfständen, im Windkanal und auf der Straße zeigt das Designprojekt jedoch, dass es weit mehr ist.

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Optischer Vorreiter aus den USA

Ganz neu ist der Ansatz nicht. US-Hersteller Kestrel experimentierte bereits vor mehr als 30 Jahren an ähnlichen Konstruktionen. Das 500 SCi war das erste Modell mit Rennlenker, bei dem die US-Marke den klassischen Diamantrahmen durch ein rautenförmiges Konstrukt ersetzte. Bekannt wurde das eigenständige Design vor allem an Triathlonrädern wie dem Airfoil Pro, da diese nicht dem strengen Regelwerk der UCI unterliegen.

Trotz der optischen Nähe: In technischer Hinsicht hat das Baldiso kaum Gemeinsamkeiten mit einem Kestrel aus den neunziger Jahren. Obwohl das Sitzrohr fehlt und die Carbonrohre extrem in die Länge gezogen sind, zählt das One zu den verwindungssteifsten Konstruktionen aus Carbon im TOUR-Test. “Wir verwenden hochwertige Carbonfasern, jedoch keine Exoten. Eine gute Konstruktion, die Formgebung der Rohre und der Lagenaufbau sind entscheidender für die Qualität des Rahmens”, erklärt Bühler und verweist auf die fließenden Übergänge ohne klassische Radien zwischen den einzelnen Bauteilen.

Skulptural: Das "Designrad" ist auf 1500 Stück limitiert. Per Baukasten-System lässt es sich individuell aufbauen.Foto: Matthias BorchersSkulptural: Das "Designrad" ist auf 1500 Stück limitiert. Per Baukasten-System lässt es sich individuell aufbauen.

Das Baldiso One kann mit Top-Modellen mithalten

Die Top-Werte sind umso bemerkenswerter, da das Chassis aus asiatischer Produktion extrem dünnwandig ist. Die Co-Produktion von Baldiso und Carbonworks bleibt damit auch in fahrfertigem Zustand unter dem UCI-Gewichtslimit von 6,8 Kilogramm. Neben dem leichten Rahmen-Set profitiert das Testrad von exklusiven Anbauteilen wie den Monocoque-Laufrädern von Bike Ahead Composites. Der Laufradsatz aus einer der bekanntesten Carbonmanufakturen Deutschlands hilft dem One nicht nur an der Waage; auch im Windkanal hat das Sechs-Speichen-Rad seinen Anteil am starken Ergebnis.

207 Watt benötigt der Bolide bei 45 km/h zur Überwindung des eigenen Luftwiderstands. Zu vergleichbaren “Flundern” wie einem Storck Aerfast.5 (198 Watt) oder Simplon Pride II (199 Watt) lässt das Baldiso zwar eine Lücke, überholt aber prominente Vertreter der Speed-Fraktion wie Giant, Pinarello oder Specialized. Weitere Kniffe wie schnelle Reifen – auf dem Prototypen im Windkanal waren die neuen Aero 111 von Continental montiert –, optimierte Bremsscheiben und Ein-Kettenblatt-Kurbel ohne Umwerfer zeigen ebenfalls Wirkung. Die Vergleichsmessung mit dem Referenzlaufradsatz (Zipp 404, Bj. 2018) liefert das identische Ergebnis.

Sehr starkes Resultat

Den Race-Charakter aus Labor und Windkanal setzt das Baldiso geradewegs auf der Straße um. Es ist schlicht ein Erlebnis, mit dem One über den Asphalt zu ballern. In der Ebene segelt das flächige Rahmen-Set spürbar am Wind. Das Lenkverhalten fällt auch wegen des bemerkenswert kurzen Radstands ausgesprochen direkt aus. Die Sitzposition ist sportlich, durch den relativ großen Abstand zwischen Ober- und Unterlenker sitzt man in Rennposition tief geduckt.

Abgerundet wird die Anmutung als astreines Sportgerät – Baldiso hat uns für den Fahrtest ein etwas anders ausgestattetes Rad als für den Windkanal zur Verfügung gestellt – durch pfeilschnelle Pneus von Maxxis und die rennmäßige 1x12-Übersetzung von Sram. Im kleinsten Gang liegt die Kette auf der Kombi 50/36 Zähne, womit der Antrieb für steiles Gelände nicht empfehlenswert ist. Während das Getriebe im Konfigurator oder persönlichen Beratungsgespräch auf Einsatzgebiet und Leistungsniveau angepasst werden kann, lässt sich eine zentrale Schwäche des One nicht korrigieren: Der Federkomfort des Rahmen-Sets ist praktisch nicht existent.

Die Kombination aus massivem Sitzdom und kurzer Sattelstütze, dessen Klemmschraube schwer erreichbar ist, gibt kaum nach. Auch der in Portugal gefertigte Vollcarbon-Sattel zählt nicht gerade zu den bequemsten Modellen. Die Lenker-Vorbau-Kombi des Boliden geht zwar etwas schonender mit Fahrerin und Fahrer um, zudem können die Tubeless-Reifen die Systemhärte etwas kompensieren. Insgesamt erzielt das Baldiso in dieser Disziplin jedoch ein unterdurchschnittliches Ergebnis. Dadurch verpasst das Goldstück haarscharf die Aufnahme in den Club der besten Wettkampfräder im TOUR-Test.

Mit der Note 1,6 darf sich der Exot dennoch über ein sehr starkes Resultat freuen. Das selbsternannte “Designrad” ist definitiv mehr als das. Limitierung, geringes Größenspektrum und Preispolitik grenzen die Zielgruppe allerdings stark ein. Baldauf hat mit dem One Radsportler im Blick, “die sich auch ein schickes Cabriolet oder eine hochwertige Uhr gönnen”. Gewiss dürfte das technisch spannende Konzept der jungen Marke dabei helfen, weiter Bekanntheit zu erlangen.

Preislich kaum Grenzen

Edler Charakter: Im Konfigurator stehen hochwertige Komponenten zur Auswahl. Am Testrad sind Zeitfahr-Discs von Carbon-Ti montiert, die ursprünglich für das World-Tour-Team von Tadej Pogačar entwickelt wurden.Foto: Matthias BorchersEdler Charakter: Im Konfigurator stehen hochwertige Komponenten zur Auswahl. Am Testrad sind Zeitfahr-Discs von Carbon-Ti montiert, die ursprünglich für das World-Tour-Team von Tadej Pogačar entwickelt wurden.

Bislang wechselten acht Räder den Besitzer (Stand: Februar 2025). Ein Netzwerk sogenannter Premiumhändler soll demnächst das Geschäft ankurbeln. Interessenten müssen jedoch mindestens 13.630 Euro auf den Tisch legen, nach oben gibt es fast kein Limit. Das Testrad kostet 18.720 Euro, es sind aber auch Aufbauten für über 20.000 Euro möglich. Das Rahmen-Set kostet 8740 Euro. Im Baukasten-System stehen Schaltgruppe, Laufräder, Lenker, Sattel und Lackierung zur Auswahl.

Das Baldiso verbindet extrovertiertes Design mit konkurrenzfähiger Aerodynamik, geringem Gewicht und hoher Rahmensteifigkeit. - Julian Schultz, TOUR-Testredakteur


Das Baldiso One im Detail

  • Preis: 18.720 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 6,6 Kilo
  • Rahmengrößen: S, M, L
  • TOUR-Note: 1,6
Baldiso OneFoto: Matthias BorchersBaldiso One

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 487/555/156 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 570/373 Millimeter/1,53
  • Stack+/Reach+/STR+: 615/561 Millimeter/1,10
  • Radstand/Nachlauf: 975/60 Millimeter

Ausstattung des Luxus-Rennrads

  • Antrieb/Schaltung: SRAM Red AXS (1x12; 50, 10-36 Z.) | Note: 2,0
  • Bremsen: SRAM Red/Carbon-Ti X-Rotor Aero (160/140 mm) | Note: 1,0
  • Reifen: Maxxis High Road SL 28 mm (eff.: 28 mm) | Note: 1,0
  • Laufräder: Bike Ahead Composites BiTurbo Aero
  • Laufradgewichte: 1044/1364 Gramm (vorne/hinten)

Messwerte des Baldiso One

  • Gewicht Komplettrad: 6550 Gramm | Note: 1,3
  • Aerodynamik: 207 Watt | Note: 1,3
  • Fahrstabilität: 9,4 N/mm | Note: 1,0
  • Komfort Heck: 313 N/mm | Note: 5,0
  • Komfort Front: 82 N/mm | Note: 2,3
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 64 N/mm | Note: 1,0

Stärken und Schwächen

  • Plus: eigenständiges Design, leicht, Top-Aerodynamik, erstklassige Steifigkeitswerte
  • Minus: extrem hart abgestimmt, sehr teuer, nur drei Größen
Stärken, Schwächen und weitere Details zum Baldiso OneFoto: TOURStärken, Schwächen und weitere Details zum Baldiso One

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