Experimentell, unkonventionell, mutig: 3T ist so was wie der Punk in der Fahrradbranche. Einst bekannt für hochwertige Alu-Komponenten wie den Superleggero-Lenker, mischt der italienische Hersteller seit rund zehn Jahren auch im Geschäft mit Kompletträdern mit. Jüngstes Beispiel für den innovativen Ansatz ist das Strada Italia. Ein Rad, das sich in keine Schublade stecken lässt, in vielerlei Hinsicht. Einerseits verschwimmen die Grenzen zwischen aerodynamisch optimiertem Wettkampfrenner und schotterpistentauglichem Marathonrad. Andererseits entspringt das Rahmen-Set nicht einer Auftragsarbeit in Asien, sondern wird am Firmensitz in der Nähe von Bergamo gefertigt.
Klingt spannend? Fanden wir auch und testeten den Exzentriker in Labor, Windkanal und Praxis. Im Vergleich zum bekannten Strada aus fernöstlicher Produktion sind die Carbonrohre etwas aerodynamischer geformt. Mit bloßem Auge ist das allerdings nur in Nuancen zu erkennen. An der Front reizt das flächige Steuerrohr die Vorgaben des Radsportweltverbands aus, die Bug-Form kennt man auch vom Specialized Tarmac oder Pinarello Dogma F. Am Heck wuchsen Sitzrohr, Sitzstreben und Sattelstütze. Das dezente Tuning zeigt jedoch kaum Wirkung. Mit unserem Referenzlaufradsatz (Zipp 404, Bj. 2018) benötigt das Strada Italia drei Watt weniger für 45 km/h als die in Asien gefertigte Version, wobei das neue Modell zusätzlich von einer schmalen Lenker-Vorbau-Kombi und einem Mono-Kettenblatt ohne Umwerfer profitiert.
Beeindruckender ist die Aero-Performance im Serientrimm: Mit den 45 Millimeter hohen Carbonfelgen aus eigenem Haus kommt das 3T auf 208 Watt und stößt in die Phalanx der Schnellsten im TOUR-Test vor, umringt von illustrer Konkurrenz. Der produktionstechnische Unterschied zu einem Pinarello Dogma F (208 Watt), Specialized Tarmac oder Giant Propel (beide 209 Watt) verbirgt sich unter dem giftgrünen Kleid. Gabel und Rahmen werden per Resin Transfer Molding (RTM) gebaut. Dabei werden die Carbonrohre trocken geflochten und erst in der Form mit Harz getränkt und gebacken. Das Verfahren ist nicht neu, auch Time stellt Räder wie das ADHX im RTM her. Im Gegensatz zur asiatischen Methode mit Prepregs, in Harz getränkten Carbonmatten, ist die Fertigung weniger aufwendig und günstiger.
Im Vergleich zum weiterhin angebotenen Strada-Modell aus asiatischer Fertigung fällt am 3T Strada Italia die etwas geringere Verwindungssteifigkeit der Front auf, die ein etwas nervöses Lenkverhalten mit sich bringt. Auf kerzengerader Straße spielt der Italo-Renner dagegen seine Stärke aus, auch dank der aerodynamisch gestreckten Sitzposition lässt sich das Tempo beinahe spielerisch halten. Auf Holperpisten muss man jedoch vom Gas oder braucht gutes Sitzfleisch, da Unebenheiten trotz der für ein Wettkampfrad dicken Pneus kaum geglättet werden.
Reserven für mehr Federkomfort bietet die große Reifenfreiheit, die mit effektiv 35 Millimetern ans Marathonrad angelehnt ist. Breitere Reifen gehen jedoch zulasten des Lenkverhaltens. Zudem weist 3T darauf hin, dass die voluminösen Laufräder für 28 bis 30 Millimeter breite Reifen optimiert sind. Wer also auf ein besonders leichtes oder betont seitensteifes Rad aus ist, findet im 3T Strada Italia nicht seinen Wunschpartner. Dafür kann die Neuheit mit anderen Werten punkten wie Top-Aerodynamik, europäischer Fertigung und spektakulärem Design. Allein die Kurbelgarnitur ist ein Kunstwerk für sich und erinnert an die Anfänge der Herstellung von Carbonteilen bei 3T.
Reizvoll ist außerdem der ungewöhnliche Aufbau mit der geländetauglichen und robusten Version der Sram Red, die dank größtmöglichem Kettenblatt von US-Spezialist Wolf Tooth auch für schnellere Abfahrten ausreichend übersetzt ist. Wermutstropfen: Die hohen Entwicklungskosten hinter dem Projekt “Made in Italy” schlagen sich in den Preisen nieder. Alle Modelle kosten fünfstellig. Wie 3T mitteilt, weicht die getestete Version etwas vom Serienmodell ab. Statt der giftgrünen Lackierung und schicker Vollcarbonkurbel bieten die Italiener eine 12.000 Euro teure Version in Kohlefaser-Optik und mit Powermeter-Kurbel von Sram an.