Natürlich wissen auch Canyon und Cube, dass die Rollenbilder in der Mountainbike-Welt ganz klar verteilt sind. Beide deutsche Marken bieten Kunden mit insgesamt je elf verschiedenen Produkt-Familien die volle Bandbreite an. Diese wiederum sind in diverse Optionen mit Alu-, Carbonrahmen und E-Motor untergliedert. Für jede Disziplin gibt es eine eigene Nische an spezialisierten Bikes. Modelle, die sich nicht einsortieren lassen, haben es schwer beim Kunden zu landen. Kein Motor, wenig Federweg aber auch kaum Race-Ambitionen? Die Argumente sogenannter Downcountry-Bikes sind schwer in Marketing-Phrasen zu fassen. Das Canyon Lux Trail CF7 und das Cube AMS One11 C:68X Pro 29 schicken sich an mit etablierten Stigmata zu brechen.
Das größte Imageproblem haben in Deutschland aktuell sportliche Räder mit breiten Stollenreifen. Nur noch drei Prozent aller 2024 hierzulande verkauften Fahrräder waren Mountainbikes ohne Motor. Von unten wird ihnen das Wasser durch die populären Gravelbikes abgegraben, von oben wird der Markt durch E-Bikes abgeschöpft. Wir in der BIKE-Redaktion sind uns jedoch einig: Leichte Fullys mit 120 Millimetern Federweg und progressiver Geometrie sind der Hit! Während sich die edelsten Modelle als schmerzhaft teure Marathon-Racer profilieren, schlummern im unteren Mittelfeld der Produktpalette unterschätzte Alleskönner mit attraktiver Preis-Leistung. Das Canyon Lux Trail CF7 für 3699 Euro und das Cube AMS One11 C:68X Pro 29 für 3799 Euro sollen für die Kategorie eine Lanze brechen und sich gleichzeitig ein echtes Knaller-Duell liefern. Canyon oder Cube? Wer hat die Zugkraft für das Comeback einer ganzen Gattung?
Beide Kontrahenten platzieren sich zwischen asketischen Kletterspezialisten und progressiven Abfahrern im trendigen „Downcountry“-Segment. Ein sportliches Chassis aus Kohlenstoff mit 120, beziehungsweise 110 Millimetern Federweg im Heck soll eine vortriebsorientierte Basis bilden. Ein zweiter Flaschenhalter-Montagepunkt erhöht die Reichweite und ist an Trailbikes die absolute Ausnahme. Die extremen Geometrien und hohen Gewichte von Bikes mit zehn oder 20 Millimetern mehr Hub sucht man bei unseren Kandidaten vergebens. Stattdessen verfolgen die Produktmanager einen Kompromiss aus Trail-Kompetenz und Leichtfüßigkeit. Somit bleiben die Duellanten trotz Dropper-Posts und robuster Ausstattung unter 13 Kilo. Das versetzt Racer zwar nicht in Jubellaune, wird bei klassischen Trailbikes aber oft erst zum doppelten Preis erreicht. Schlummert hier also das Rezept für ein gutes Touren-Mountainbike zum fairen Kurs?
Jein, denn Kompromiss bleibt Kompromiss. So hat das Canyon den deutlicheren Hang zum Rennsport, giert nach vielen Fahrkilometern, ist aber gleichzeitig weniger intuitiv-verspielt als ausgewiesene Trail-Experten. Im Handling kommt das Cube näher ran, aufgrund der konservativen Geometrie und weniger Fahrwerksreserven aber auch früher ans Limit. Trotz Vertrieb über den Fachhandel schafft es Cube einen lupenreinen Shimano XT Antrieb zu verbauen, spart dafür jedoch an anderen wichtigen Punkten, wie Federgabel und Bremsen. Die meisten Punkte lässt Cube allerdings bei den Detaillösungen liegen. Die Zugführung durch den Steuersatz und ein verpresstes Tretlager sind zwar schön anzuschauen aber nicht sehr wartungsfreundlich. Der schicke Carbonrahmen ist quasi nackt. Canyon trumpft hier richtig auf, gönnt dem Lux Trail mehr Rahmenschutz, Staufach, On-Board-Tool und wiegt trotzdem weniger. Dass das Getriebe der niedrigeren Shimano-SLX-Klasse entspringt, lässt sich da locker verkraften.
Am Ende sind sich unsere Tester einig: Vor dem Kauf eines Gravel- oder E-Bikes sollte jeder einmal ein Bike wie diese ausprobiert haben. Die meisten BIKE-Leser definieren sich als Touren-Biker. Für sie ist die aktuelle Riege der günstigen Downcountry-Bikes definitiv einen Tipp wert. Was Cube und Canyon in der Abfahrt aus verhältnismäßig wenig Federweg und Gewicht herausholen ist bemerkenswert. Gleichzeitig macht das Fahren aus eigener Kraft noch richtig Spaß. Das AMS One11 ist mit seiner gefälligen Handhabung ein formidables sowie vielseitiges Rad für Einsteiger. Das Lux Trail kann fast alles: Up- und Downhill, Race und Trail - zwar auch mit Einschränkungen aber auf hohem Niveau. Bei Canyon finden Biker ein beeindruckend komplettes Sportgerät.
Mal ehrlich: Das Anforderungsspektrum der meisten Mountainbiker liegt irgendwo zwischen Marathon und Trail. Das Gros der Radfahrer, welche sich im Gelände bewegen wäre mit einem Downcountry-Bike bestens bedient. Davon bin ich persönlich überzeugt. Die Generalisten von Canyon und Cube sind zwei Mountainbikes, wie sie sein sollten. Das Lux Trail erfüllt sportlichen, preisbewussten Touren-Bikern fast alle Wünsche. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Die BIKE-Note setzt sich aus Praxiseindrücken der Testfahrer und Labormesswerten zusammen. Sie ist preisunabhängig. Analog zum Schulnotensystem reicht das Spektrum von 0,5 bis 5,5. Den Testsieg sichert sich in diesem Duell das Canyon Lux Trail CF7.