Adrian Kaether
· 16.11.2023
Als erster Hersteller überhaupt präsentiert Specialized mit dem Turbo Tero X ein Fully, das speziell für den Einsatzzweck als SUV entwickelt wurde. Im Vergleich mit den meisten anderen SUVs, die oft bestehende Mountainbikes mit Schutzblechen und Gepäckträger sind, bringt das dem Tero X einige eigenständige Vorteile. So findet die Geometrie einen Mittelweg zwischen Trekking- und Mountainbike, der Hinterbau mit nur einem Gelenk dürfte im Dauereinsatz besonders wartungsarm sein. Der Rahmen bietet außerdem einen besonders tiefen Einstieg, Platz für gute Schutzbleche und Reifen in standesgemäßer Breite. Wer mit viel Gepäck fährt, freut sich über die hohe Gewichtszulassung und eine Anhängerfreigabe - beides bei klassischen E-Mountainbikes eine Seltenheit.
Als Einstiegsmodell muss das Tero X 4.0 mit 530 Wattstunden im Akku auskommen. Die Motor-Hardware kommt wie bei Specialized gewohnt von Brose. Allerdings bietet der Specialized 2.0 E im Tero X nur 50 statt den 90 Newtonmetern, die man sonst von Specializeds 2.0 Antrieb kennt. Wer mehr Leistung will, muss auf die beiden teureren Modelle des Tero X mit 70 beziehungsweise 90 Newtonmetern ausweichen.
Die gute Nachricht: Trotz nur 50 Newtonmetern fühlt sich der Specialized-Antrieb keineswegs kraftlos an. Gerade im Alltag reicht die Leistung völlig aus, um auch gewöhnliche Anstiege mit Gepäck ganz locker zu bewältigen. Erst bei echten Steilstücken oder in bergigem Gelände mit Steigungen über 15 Prozent macht sich das geringere Drehmoment bemerkbar. Das Bedienteil, das zentrale Display und die App sind sehr gelungen und bieten zahlreichen Informationen und Einstellmöglichkeiten. So kann man unter anderem über die App auch den Motor sperren. Wird das Rad dann bewegt, ertönt ein Alarm-Ton. Das soll Langfinger abschrecken.
Dank hohem Stack und hohem Cockpit sitzt man aufrecht auf dem Tero X, der Lenkwinkel ist nicht ganz so flach wie bei klassischen Mountainbikes. Dadurch wird das Handling insgesamt nicht zu träge. Durch den langen Radstand und einen erstaunlich langen Reach fehlt es dem Tero X dennoch nicht an Laufruhe. Trekking-Biker dürften sich hier auf Anhieb wohlfühlen, für Mountainbiker bedeutet die hohe Front aber eine gewisse Umgewöhnung. Die Sitzposition fällt für ein komfortables Touren-Bike erstaunlich gestreckt aus. Der Rahmen ist insgesamt eher lang, bei super kurzem Sitzrohr. Das schafft Platz für eine lange Teleskopstütze, die serienmäßig auch verbaut wird.
Mit 4200 Euro ist das von uns getestete Einstiegsmodell Tero X 4.0 recht günstig, muss dafür aber Abstriche bei Motor und Akku hinnehmen. Dafür investiert Specialized in eine gute Lichtanlage, funktionale Ausstattung und eine lange Teleskopstütze. Geschaltet wird zwölffach mit Srams Einsteigergruppe SX Eagle, gebremst mit relativ kräftigen G2 RE Stoppern. Das Rockshox-Fahrwerk arbeitet sensibel, die Specialized Ground Control Reifen in 2,3 Zoll Breite bieten guten Grip und anständige Eigendämpfung, etwa auf dem Niveau eines Maxxis Rekon oder Schwalbe Nobby Nic.
Etwas ungewöhnlich: Specialized entscheidet sich beim Tero X für eine Gepäckträger-Lösung ohne Plattform. Das Gepäck muss also in Packtaschen untergebracht werden. 20 Kilo soll der Träger maximal schaffen, das Heck fängt aber schon an, sich bei einer einsteigen Beladung ab sechs Kilo etwas zu verwinden.
Nimmt man auf dem Tero X Platz, fällt sofort die im Vergleich zu klassischen Mountainbikes ungewohnte Sitzposition auf. Die hohe Front mit dem etwas schmaleren Lenker bringt angenehm wenig Druck auf die Handgelenke, durch den langen Reach sitzt man trotzdem nicht zu unsportlich. Der Motor schiebt auch mit nur 50 Newtonmetern angenehm kräftig, erst in fiesen Steilstücken und bei niedriger Trittfrequenz fehlt es ihm etwas an Saft.
Das Fahrwerk glänzt trotz der simplen Hinterbaukinematik mit massigem Komfort, die Handling-Balance auf Touren und im Stadtverkehr gefällt. Biegt man ins Gelände ab, schlägt sich das Tero X ebenfalls gut. Extreme Steigungen sind solange kein Problem, bis die mäßige Motor-Power nicht mehr ausreicht. Bergab meistert das Tero X selbst mittelschwere Trails noch souverän. Die hohe Front erfordert im Gelände aber etwas Eingewöhnung. Echtes Mountainbike-Feeling oder gar agiles Handling will mit der ungewohnten Fahrposition aber nicht so richtig aufkommen. Sehr gelungen: Bergab klappert das Tero X trotz Vollausstattung mit Gepäckträger, Seitenständer und Schutzblechen so gut wie nicht. Das wirkt wertig.
Mit dem Turbo Tero X* gelingt Specialized ein schwieriger Spagat: Das E-Bike überzeugt vor allem als angenehmer Tourer, schlägt sich aber auch im Traileinsatz passabel. Die Motorleistung ist für echte Bergabenteuer etwas schwach. Ausstattung und Verarbeitung sind wertig.