Florentin Vesenbeckh
· 12.12.2023
Das Specialized Levo SL ist die neueste Interpretation des Urahns der leichten Trail-E-Bikes. Dieses Bike hat wie sein Vorgänger vor allem ein Ziel: Trail-Spaß. Dafür setzt Specialized auf eine gemäßigte Geometrie mit sehr kurzen Kettenstreben und auf ein minimalistisches Antriebskonzept. Im Vergleich zum Vorgänger haben die Amerikaner jedoch beides ein bisschen aufgebohrt. Die Geometrie ist moderner, also länger und flacher und damit abfahrtslastiger. Auch der Federweg ist gegenüber dem ersten Levo SL etwas angewachsen. Mit 160/150 Millimetern platziert sich das Specialized in der Lücke zwischen Trail und Enduro und soll damit als Allrounder für alle Trail- und Abfahrtslagen funktionieren.
Das Gewicht des Levo SL Expert bleibt mit 18,2 Kilo bei voll abfahrtstauglicher Ausstattung angenehm niedrig. Leichtere E-Bikes gibt es in dieser Federwegsklasse kaum, erst recht nicht unter 10.000 Euro. Ausstattungsseitig kann das Expert-Modell des Levo SL getrost als goldene Mitte bezeichnet werden. Hier ist alles dran, was man für maximalen Fahrspaß braucht, doch ohne den exorbitanten Preis des S-Works-Modells. Fox-Fahrwerk mit top Dämpfungstechnologie, Code-RSC-Bremsen von Sram und dazu die robuste und geschmeidige GX-Eagle-Transmission-Funkschaltung.
Die neue Generation des SL-Motors ist stärker geworden, doch noch immer gehört der Motor zu den Minimalisten. Erfreulich: Auch die Lautstärke hat sich verringert. Im Vergleich zu dem flüsterleisen TQ HPR 50 oder auch dem kräftigeren Fazua Ride 60 ist der Specialized-Antrieb aber noch immer etwas lauter. Die vergleichsweise kleine 320er-Batterie sitzt fest verbaut im Unterrohr, zur Reichweitensteigerung gibt es optional einen Range-Extender (160 Wh). Besonders schick ist das individualisierbare LCD-Display und auch der schlichte Remote-Hebel zur Motorsteuerung kann überzeugen.
In unserem standardisierten Reichweitentest erkletterte das Levo SL bei höchster Unterstützung 1019 Höhenmeter mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 km/h. Damit schiebt der Specialized-Antrieb ähnlich stark wie ein TQ HPR 50 (Hier gibt´s eine Übersicht mit den Bikes mit TQ HPR 50). Doch den TQ-Bikes mit 360er-Akku geht im Schnitt schon deutlich früher die Puste aus - trotz nominell größerem Akku. Der Specialized SL 1.2 geht offenbar recht effizient mit der Energie um. Doch andere Light-E-Bikes, zum Beispiel mit Fazua Ride 60 oder Bosch Performance SX, bieten mit ihren größeren Batterien eine deutlich größere Reichweitenreserve. Fazua-Bikes (430 Wh) erreichen im identischen Testszenario im Schnitt rund 1300 Höhenmeter bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 12 km/h. (Hier gibt´s eine Übersicht der Bikes mit Fazua Ride 60!)
Die Kettenstreben und der Radstand des Levo SL sind für ein E-MTB dieser Federwegsklasse sehr kurz. Ein Indiz für ein wendiges Fahrverhalten. Der Lenkwinkel ist in der zentralen Position moderat flach und kann über Lagerschalen um +/-1 Grad sehr deutlich angepasst werden. Die Größenauswahl ist beim Levo SL besonders hoch. Sechs Größen von S1 bis S6 und Reach-Werten zwischen 405 und 525 mm stehen zur Auswahl. Damit sollten sowohl sehr kleine, als auch richtig große Fahrer glücklich werden.
Die Ausstattungsvariante Expert ist bei Specialized traditionell ein Tipp für anspruchsvolle Biker. Zwar wird auf Blingbling und superedle Highlights verzichtet, doch funktional ist alles an Bord, was im Gelände wirklich Spaß macht. Allen voran das starke Fox-Fahrwerk weiß zu überzeugen, auch wenn es ohne glänzende Kashima-Beschichtung auskommt. Funktional sind die Performance-Elite-Parts mit Grip2-Dämpfung von den Factory-Federelementen nicht zu unterscheiden.
Leichtfüßig und wendig, das sind die herausragenden Attribute des Specialized Levo SL. Kein anderes E-MTB dieser Klasse vereint Fahrspaß und Nehmerqualitäten im Gelände so gekonnt wie das Specialized. Zum einen lässt sich das Bike richtig leicht aufs Hinterrad und in die Luft befördern, zum anderen bringt das geringe Gewicht von Bike und Laufrädern eine Menge Spritzigkeit. Das schluckfreudige Fahrwerk verleiht dem Levo SL auch eine gehörige Portion Enduro-Qualitäten. Auch auf anspruchsvollen Trails ist das Bike damit richtig schnell und souverän unterwegs. Die Heckfederung saugt sensibel kleine Unebenheiten auf. Doch auch bei herben Schlägen bleibt das Fahrwerk des Levo SL souverän. Den Federweg gibt der Dämpfer bereitwillig frei, das sorgt für ein fluffiges Gefühl und generiert viel Traktion. Die Endprogression könnte für harte Strecken und hohes Tempo jedoch noch einen Tick härter ausfallen.
Die reine Laufruhe auf ruppigen Geraden ist durch die kurze Geometrie aber nicht so hoch wie bei den besten Bikes dieser Federwegsklasse. Zu letzteren gehört auch das Santa Cruz Heckler SL, das wir im direkten Vergleich mit dem Specialized testen konnten. Wer seinen Fokus auf die Highspeed-Qualitäten legt, sollte zum einen die beiliegende Lagerschale für einen flacheren Lenkwinkel verbauen und zum anderen tendenziell zur größeren Rahmengröße greifen. Beides verlängert den Radstand und erhöht damit die Laufruhe des Bikes.
In Summe brilliert das Levo SL als ausgewogener und vielseitiger Abfahrer. Bergauf muss man es an Bord des leichten Specialized aber eher gemütlich angehen lassen. Neben dem dezenten Schub des SL-1.2-Motors setzt auch die Geometrie mit kurzem Hinterbau in extremen Uphills Grenzen. Sowohl was die Fahrtechnik angeht, als auch den Krafteinsatz im Oberschenkel, ist für wirklich schwierige Anstiege ein fitter Sportler gefragt. Das Gesamtpaket des Bikes ist jedoch richtig stimmig. Leider ist der Motor bergauf lauter als der stärkere Fazua Ride 60. In der Abfahrt ist das Levo SL dafür angenehm leise.
Wenn es um spaßiges Trail-Handling geht, ist das Levo SL die Benchmark. Fahrspaß wird hier großgeschrieben. Egal ob flowiger Trail oder ruppige Abfahrt, das Levo SL hat uns mit seinem Wohlfühl-Handling überzeugt. Das Motorsystem gehört zu den Minimalisten – wer plakative E-Bike-Power, Uphill-Stärke oder pralle Reichweite sucht, ist hier falsch. - Florentin Vesenbeckh, EMTB Magazin
¹ Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.