Adrian Kaether
· 11.10.2024
Kalifornien ist für vieles bekannt: Sonne, Strand, Meer, Waldbrände, E-Autos - günstige Mountainbikes gehören weniger dazu. Kein Wunder, schließlich verbindet man den Sunshine-State eher mit Marken wie Santa Cruz, Specialized oder Ibis.
Allerdings: Bei MTB-Pionier Marin setzt man nach spektakulären Experimenten in Titan und Carbon mittlerweile vollständig auf Aluminium. Das hält die Preise auf einem erträglichen Niveau. Und: Die letzten Mountainbikes der Kalifornier konnten uns im Test absolut begeistern. Sei es das kurvenverliebte E-MTB Rift Zone E2, das supergünstige Rift Zone 2, oder das edle Rift Zone XR.
Nun rollen die Kalifornier ein neues Bike an den Start, das sich zwischen den Extremen einordnen soll. Zumindest beim Gewicht. Mit dem leichten und spritzigen Bosch-SX-Motor und kompaktem Akku mit 400 Wattstunden soll es eine Brücke schlagen zwischen den Full-Power E-MTBs und klassischen Bikes ohne Motor. Das Bike hört auf den Namen Rift Zone EL (für Light-E-MTB) und rollt mit 150/140 Millimeter Federweg, kurzen Kettenstreben und Laufrädern der Größe 29 Zoll in den Test.
Im Rift Zone EL setzt Marin auf den aktuellen Light-Motor von Bosch, den Performance SX. Der liefert untenrum nur wenig Druck, dreht bei hohen Trittfrequenzen aber mächtig auf. Kurzfristig schiebt er hier fast wie ein Power-Motor. In Kombination mit dem direkten Antritt und gutem Ansprechverhalten sorgt das für ein extrem dynamisches und spaßiges Fahrgefühl. Nachteil: Wenig Drehmoment für technische Schlüsselstellen.
Der klassische 400-Wattstunden-Akku ist beim leichtesten Rift Zone natürlich im Unterrohr integriert, lässt sich bei Bedarf aber entnehmen. Das geht allerdings etwas komplizierter als bei anderen Bikes: Zunächst muss man das Cover lösen und mit einem langen Inbus per Druckknopf den Akku entsichern.
Der Akku lässt sich dann nur durch vorsichtiges Wiederaufrichten des Bikes aus der Halterung lösen. Aber Achtung: Die edle Batterie kracht dabei leicht ungebremst aus dem Rahmen. Bei Bedarf kann die Reichweite des Bikes mit dem Powermore Range Extender von Bosch nochmal deutlich aufgestockt werden.
Der Rahmen des Rift Zone EL besteht aus Aluminium, die Züge klassisch innen verlegt. Kabelkanäle sorgen für Ordnung im Unterrohr. Der Hinterbau verwaltet 140 Millimeter Hub mit einem konventionellen 4-Gelenker-Design und ist auf Laufräder in 29 Zoll ausgelegt.
Für E-MTB-Verhältnisse recht kurze Kettenstreben von 438 Millimetern sollen in Kombination mit dem moderaten Lenkwinkel von 65 Grad ein neutrales Handling bringen, der Reach liegt bei modern-langen 482 Millimetern in Größe L. Bei Bedarf kann der Lenkwinkel über eine drehbare Lagerschale um +/- 0,5 Grad angepasst werden.
Ab 5399 Euro UVP geht das neue Rift Zone EL über die Ladentheke. Alle drei Modelle setzen dabei auf starke Fahrwerke und einen griffigen MaxxGrip-Vorderreifen. So muss man für Fahrspaß bergab wenig tunen. Gespart wird dann eher bei Schaltung und Laufrädern. So kommt das günstigste Modell Rift Zone EL 1 für 5399 Euro bereits mit der All-Mountain-Gabel Bomber Z1 von Marzocchi und Slate Evo Bremsen von TRP, geschaltet wird mit der Shimano Cues aber nur zehnfach.
Ein Top-Fahrwerk gibt’s mit Fox-Performance-Elite-Komponenten ab dem Rift Zone EL 2 für 6499 Euro. Hier werkeln eine Fox 36 GripX2 und ein Float X Dämpfer. Srams Code Bronze und eine mechanische GX-Schaltung runden die Ausstattung ab. Das Topmodell Rift Zone EL XR kommt für 7699 Euro mit demselben Fahrwerk, aber einer elektronischen GX-Transmission und MT7-Bremsen von Magura.
Die Sitzposition auf dem neuen Marin ist dank steilem Sitzwinkel modern vorderradorientiert. Das ist angenehm in steilen Anstiegen, bringt im Flachen aber etwas Druck auf die Handgelenke. Gelungen: Die Marin-eigenen Parts von Sattel über Cockpit bis Tele-Hebel machen durch die Bank einen auffallend wertigen Eindruck, die Ergonomie ist angenehm.
Steuert man das Marin in steile Uphills, drückt der leichte Bosch-Motor dem Bike seinen Stempel auf. Er will immer ordentlich bei Drehzahl gehalten werden. Der steile Sitzwinkel hilft bergauf, kurze Kettenstreben und die nicht gerade niedrige Front lassen in Rampen aber spürbar das Vorderrad leicht werden. Das Fahrwerk arbeitet auch bergauf sehr definiert, generiert in Kombination mit dem eher schwach profilierten Maxxis-Reifen am Heck aber eher wenig Traktion.
Fahrspaß bergab liegt dagegen ganz oben in der Prioritäten-Liste des Rift Zone EL. Schon auf leichten Trails gibt sich das Marin passenderweise sehr direkt im Handling und kann mit viel Popp im Fahrwerk glänzen. Die 21 Kilogramm Lebendgewicht kann unser Topmodell Rifty XR allerdings nicht komplett verstecken. Es fährt sich für ein E-MTB zwar verspielt, aber nicht ganz so lebendig wie die superleichten Bikes der Klasse unter 20 Kilo.
Werden die Downhills ruppiger, freut man sich über den gut integrierten Stand im Rad. In Kombination mit der Geometrie und dem direkten Handling animiert das zu einer schnellen Gangart. Neben dem Motorenklappern des Bosch SX blieb unser Testbike bergab relativ leise.
Auch bergab bleibt das Fahrwerk aber straff und direkt, Schläge reicht es deutlich an den Fahrer durch. Ganz klar: Dieses 140er ist ein Trailbike und kein Mini-Enduro. Der weiche Vorderreifen und die wertige Gabel sind top, auf die Bombproof-Ausstattung anderer Marins (oft mit Double-Down-Hinterreifen und Insert ab Werk) muss man beim Rift Zone EL aber verzichten. Dadurch fehlt auch etwas das supersatte Fahrgefühl, das wir von anderen Marin-Bikes kennen.
Mit dem Rift Zone EL präsentiert Marin ein schickes Light-E-MTB mit Charakter. Ganz leicht ist das Bike zwar nicht, und bergab spürt man den mit 140 Millimetern im Heck etwas knappen Federweg. Aber Alu-Rahmen, Top-Ausstattung und ein entnehmbarer Akku, das gibt’s so am Markt nur selten. Die Fahreigenschaften sprechen Shredder an, die Anbauteile sind stimmig gewählt. - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik bei BIKE