Bislang hat Forestal nach dem furiosen Start mit dem Light-Enduro Siryon ausschließlich E-Bikes gebaut. Für 2025 wagt sich die noch junge Marke aus Andorra erstmals auf die andere Seite der Macht: Zwei konventionelle Mountainbikes, ohne Motor, sollen Puristen glücklich machen und im Racing überzeugen. Das neue Siryon kommt als klassisches Enduro daher, das Cygnus ist dabei für die Disziplinen mit wenig Federweg zuständig.
Als schneller Tourer und leichter Trail-Hobel dürfte das Bike aber noch eine wesentlich bessere Figur machen als in klassischen Cross-Country-Rennen. Typisch Forestal: Die Ausstattungen sind wertig, die Preise ambitioniert. Das Bike soll damit eher Boutique-Brands wie Pivot, Rocky Mountain, Transition und Co. Konkurrenz machen, als Marken wie Cube oder Canyon das Wasser abzugraben.
Genauso brandneu sind auf diese beiden Bikes von Forestal:
Auf den ersten Blick ist die Sache klar: Das Topmodell hat mit 120/120 Millimetern Hub genauso viel Federweg wie ein modernes Specialized Epic, das neue Cannondale Scalpel oder ein Scott Spark. Klassisches Cross-Country-Territorium also. Allerdings: Mit Staufach im Rahmen und wenig Rücksicht auf Leichtbau bei der Konstruktion des Hinterbaus ist das Cygnus eher trailig gezeichnet. Passend dazu bietet Forestal das Bike auch mit 130er Trailgabel an. Keine Rekorde bricht das Bike beim Gewicht: Das Topmodell mit Race-Fahrwerk, einteiligem Carbon-Cockpit und 120 Millimetern wiegt in Größe L 12,7 Kilogramm.
Erstaunlich konventionell, fast konservativ bleibt Forestal bei der Geometrie des Cygnus. Während mittlerweile die meisten Race- und erst recht Trailbikes dem Länger-und-flacher-Trend folgen und auch bei echten Rennmaschinen Lenkwinkel unter 66 Grad immer üblicher werden, setzt Forestal auf moderate 67 Grad Lenkwinkel und 76 Grad Sitzwinkel. Das macht das Handling tendenziell handlich, neutral und berechenbar. Im steilen Gelände und bei hohen Geschwindigkeiten können dann aber Reserven fehlen. Mit 445 Millimetern Reach fällt auch der kleinste Rahmen relativ groß aus.
Schon das “günstigste” Modell des Cygnus schlägt mit hohem Einstiegspreis zu Buche. Der Grund: Forestal verbaut mit Fox-Parts aus der Performance Elite Serie auch hier schon ein Fahrwerk auf Top-Niveau. Im Unterschied zum Topmodell liefert die Gabel hier 130 Millimeter Federweg. Beiden Modellen gemeinsam sind die für die Klasse ungewöhnlich stabilen XM 1700 Spline Laufräder von DT Swiss und die Formula-Bremse.
Das günstige Bike “Halo” schaltet mit einer mechanischen GX, das Topmodell “Diode” wechselt mit einer X0 Transmission die Gänge. Beim Topmodell verbaut Forestal außerdem die hauseigene Lenker-Vorbau-Einheit und ein Rockshox-Ultimate-Fahrwerk. Ungewöhnlich: Obwohl der Rahmen dafür vorbereitet ist, kommen beide Modelle ab Werk ohne Remote-Lockout für das Fahrwerk. Wer es wirklich auf Racing abgesehen hat, könnte das vermissen.
“Cygnus” heißt Schwan auf Latein. Angesichts der Optik des Topmodells leuchtet das durchaus ein. Also aufsitzen wie Nils Holgerson auf Martin, dem Hausgänserich? Oder muss man eher aufpassen, dass einem das launische Federvieh nicht in den Finger beißt? Im Gegenteil: Mit den moderaten Winkeln sitzt es sich angenehm und leicht sportlich auf dem Cygnus. Auch für lange Touren mit viel Strecke dürfte das gut passen. Der tiefe Lenker bringt Druck auf die Front. Der wenig aggressive Sitzwinkel hilft hier aber aus und entschärft die Sitzposition insgesamt wieder.
Weniger gelungen: Ohne Plattform wippt der Hinterbau auch im Sitzen ein wenig. Der Effizienzverlust dürfte nur minimal sein, XC-Fans könnten sich aber dran stören. Zumal man für die Plattform tatsächlich zum Dämpfer greifen muss. Einen Remote-Lockout gibt’s ab Werk nicht, er könnte aber nachgerüstet werden.
Auch der Antritt ist bedingt durch die 12,7 Kilogramm Lebendgewicht wenig spektakulär. Dafür ist die Traktion des Forestal Hinterbaus auch in anspruchsvollem Gelände exzellent, das Ansprechverhalten auch bergauf extrem sensibel. Und obwohl das Heck im Sitzen leicht wippt, knautscht im Wiegetritt der Hinterbau nur mäßig. Dazu kommen die tiefe Front und die nicht extrem kurzen Kettenstreben. In technisch anspruchsvollen Uphills ist das Forestal daher voll in seinem Element.
Und wie steht’s bergab? Hier macht das Forestal Cygnus seine Sache ebenfalls sehr gut. Pluspunkte gibt es besonders für den sensiblen, schluckfreudigen und doch im Feedback immer transparenten Hinterbau. Die Reifen liefern für die Bike-Klasse ein gutes Maß an Grip und mit Supertrail-Karkasse hinten auch einen ordentlichen Pannenschutz. Die Bremse hat auch mit nur zwei Kolben immer ausreichend Leistung. So kann man das Gas mit dem Forestal auch auf anspruchsvollen Trails ordentlich stehen lassen. Gerade in steilem Gelände werden allerdings die tiefe Front, die Gabel und der verhältnismäßig steile Lenkwinkel zum limitierenden Faktor. Die günstige Variante mit potenterer Gabel ist für Trailfans wohl die bessere Wahl.
Nicht ultimativ leicht, kein Remote-Lockout, dafür Stauchfach im Rahmen: Das Forestal Cygnus ist mehr Trail- als Race-Bike und macht als solches seine Sache gut. Anständiger Vortrieb, gute Klettereigenschaften, bergab spaßig zu fahren. Kurz: starkes Rad für schnelle Trail-Runden. Der hohe Einstiegspreis ist allerdings eine Ansage, die Ausstattung lässt teils Potenzial für (Gewichts-)Tuning. Auch ein etwas flacherer Lenkwinkel würde der DNA des Bikes sicher besser gerecht werden.