Focus Jam² SL 8.7 im TestSchlanker Abfahrer mit Wechsel-Akku

Florentin Vesenbeckh

 · 25.08.2024

Mit dem Jam² SL 8.7 stellt Focus ein wandlungsfähiges Trail-Bike mit Top-Reichweite auf die Reifen. Die Ausstattung fällt gemessen am Preis aber nur durchschnittlich aus.
Foto: Max Fuchs
Das Focus Jam² SL will ein Tausendsassa fürs Gelände sein: schlanker Rahmen, kräftiger Fazua Ride 60, trailorientierte Ausrichtung. Wie schlägt sich das Light-E-Bike in seiner günstigsten Variante für 6299 Euro?

Das Focus Jam² SL war eines der ersten E‑MTBs mit dem neuen Fazua Ride 60. Und noch immer ist es eines der wenigen Bikes, bei denen der reichweitenstarke 430er-Akku schnell und einfach aus dem Unterrohr herausgenommen werden kann. Trotzdem leidet das Focus dank edlem Vollcarbonrahmen nicht an Übergewicht. Gut 20 Kilo gehen in Anbetracht der günstigen und dennoch abfahrtsorientierten Ausstattung in Ordnung.

Focus Jam² SL 8.7 // Fazua Ride 60 // 430 Wh, entnehmbar // 160/150 mm // 29 Zoll // 20,3 kg // 6299 EuroFoto: Max FuchsFocus Jam² SL 8.7 // Fazua Ride 60 // 430 Wh, entnehmbar // 160/150 mm // 29 Zoll // 20,3 kg // 6299 Euro

Das Bike an sich ist als klassischer Trail-Allrounder ausgelegt, der Abfahrtsspaß steht hier im Fokus. Mit 160/150 Millimetern Federweg steht ordentlich Hub auch für grobes Gelände zur Verfügung. Leider hat die Ausstattung des Focus Jam² SL 8.7 einige Makel, die die Funktion des Bikes im Gelände deutlich schwächen. Für 6300 Euro ist das kein Highlight. Ambitionierte Piloten sollten zum 700 Euro teureren SL 8.8 greifen – oder zumindest Geld für ein Update von Reifen und Bremsen einplanen.

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Die Fakten zum Focus Jam² SL 8.7

  • Motor: Fazua Ride 60, 60 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 430 Wh (entnehmbar)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 160/150 mm
  • Laufradgröße: 29 Zoll
  • Rahmengrößen: S, M, L, XL
  • Preis: 6299 Euro >> z. B. hier reduziert erhältlich
  • Gewicht: 20,26 kg (Testbike in Größe L, EMTB-Messung)
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 135 kg (Herstellerangabe)
Die Züge laufen am eigens konstruierten Vorbau entlang über den Steuersatz ins Innere des Rahmens.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie Züge laufen am eigens konstruierten Vorbau entlang über den Steuersatz ins Innere des Rahmens.

Der E-Bike-Antrieb

Der Fazua-Antrieb Ride 60 ist so kompakt, dass das Focus Jam² SL eine richtig schlanke Silhouette aufbieten kann. Das gelingt E-Bikes mit dem Konkurrenzmotor Bosch Performance Line SX so nicht. Dennoch gehört der Fazua Ride 60 zu den kräftigeren Light-Antrieben. Nominell bietet er 60 Newtonmeter maximales Drehmoment, die man im Gelände auch deutlich spürt. Bei niedriger Trittfrequenz ist kein anderer Motor dieser Gewichtsklasse so kräftig.

Obendrein ist der Fazua sehr standfest. Der Ride 60 kann seine Power also auch an längeren Anstiegen gut halten, während andere Light-Motoren schon merklich in die Knie gehen. Die geringe Geräuschkulisse ist angenehm – wenngleich der Ride 60 immer klar hörbar bleibt und der Unterschied zu den Aggregaten von Specialized und Giant nicht riesig ist. Im Vergleich mit einem Bosch Performance SX fehlt dem Ride 60 aber etwas die Dynamik. Der Schub ist eher gleichförmig und wenig spritzig.

So kompakt, dass man ihn von außen kaum sieht: Der Fazua Ride 60 im Focus Jam² Sl 8.7.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberSo kompakt, dass man ihn von außen kaum sieht: Der Fazua Ride 60 im Focus Jam² Sl 8.7.

Als eines der wenigen Fazua-Bikes bietet Focus einen leicht entnehmbaren Akku. Dafür gibt´s keine Ladebuchse. Die Batterie muss zum Laden also zwingend aus dem Bike entnommen werden. Der schlank integrierte Motor bietet einen kräftigen Schub und richtig starke Reichweite - deutlich mehr, als der Durchschnitt in diesem Segment. Kritik gibt’s für die schlichte, aber wenig wertige und etwas undefinierte Bedieneinheit Ringcontrol.

Der reichweitenstarke 430-Wh-Akku kann schnell und einfach aus dem Unterrohr entnommen werden. Eine Seltenheit bei Light-E‑MTBs. Dafür verzichtet Focus auf eine Ladebuchse im Rahmen. Zum Aufladen muss die Batterie also zwingend entnommen werden.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDer reichweitenstarke 430-Wh-Akku kann schnell und einfach aus dem Unterrohr entnommen werden. Eine Seltenheit bei Light-E‑MTBs. Dafür verzichtet Focus auf eine Ladebuchse im Rahmen. Zum Aufladen muss die Batterie also zwingend entnommen werden.Die Ringcontrol von Fazua bietet kein klares Feedback. So bleibt man häufig im Unklaren, ob man den Befehl zum Wechsel der U-Stufe nun gegeben hat, oder nicht.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie Ringcontrol von Fazua bietet kein klares Feedback. So bleibt man häufig im Unklaren, ob man den Befehl zum Wechsel der U-Stufe nun gegeben hat, oder nicht.

Die Geometrie des Focus Jam² SL

Das Focus Jam² SL ist ein Wandlungskünstler. Verstellbarer Lenkwinkel, verstellbarer Hinterbau – so variiert der Radstand um eineinhalb Zentimeter, was auf dem Trail einen deutlichen Unterschied macht. So kann man das Jam² SL entweder als wendigen Trailräuber mit neutralem Handling fahren (steiler Lenkwinkel, kurzes Heck), oder aber als Grenzgänger zum Enduro-Segment (flacher Lenkwinkel, langes Heck). Auch Zwischenlösungen sind möglich. Gerade bei den Flip-Chips im Hinterbau ist aber etwas Vorsicht geboten. Eine eindeutige Beschriftung fehlt, alle vier müssen gleichzeitig gedreht werden. Sonst ergibt sich eine ungünstige Geometrie und Kinematik. Hier lohnt ein genauer Blick ins Handbuch. In Summe: Langer Reach, kurzes Heck, steiler Sitzwinkel: das sind moderne Trail-Maße!

Der sehr breite Lenker mit ordentlich Rise bringt das Cockpit auf eine stattliche Höhe.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDer sehr breite Lenker mit ordentlich Rise bringt das Cockpit auf eine stattliche Höhe.

EMTB-Messwerte im Überblick (Rahmengröße L)

  • Sitzrohrlänge: 430 mm
  • Radstand: 1258 - 1272 mm
  • Reach: 485 mm
  • Stack: 640 mm
  • Lenkwinkel: 64,5 - 65,5 Grad
  • Sitzwinkel: 77 Grad
  • Kettenstrebenlänge: 439 - 446 mm
  • Tretlagerhöhe: 345 mm
Die Kettenstrebenlänge kann über zwei separate Flipchips um 7 mm angepasst werden. Leider fehlt eine eindeutige Beschriftung, was den Umbau verwirrend gestaltet. Hier zu sehen: Die korrekte, lange Einstellung. Auch der Lenkwinkel kann über die Lagerschalen angepasst werden. In Summe ergeben sich deutliche Unterschiede im Fahrverhalten. Top!Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie Kettenstrebenlänge kann über zwei separate Flipchips um 7 mm angepasst werden. Leider fehlt eine eindeutige Beschriftung, was den Umbau verwirrend gestaltet. Hier zu sehen: Die korrekte, lange Einstellung. Auch der Lenkwinkel kann über die Lagerschalen angepasst werden. In Summe ergeben sich deutliche Unterschiede im Fahrverhalten. Top!

Die Ausstattung des Focus Jam² SL 8.7

  • Gabel / Dämpfer: DVO Diamond E3 / Deluxe Select+
  • Schaltung: Sram SX/NX Eagle, 12-fach, 32; 11–50 Zähne
  • Bremsen: Sram Guide T, 200/200 mm
  • Laufräder: Novatec-Naben, Raceface AR30-Felgen
  • Reifen: Maxxis Minion DHF Exo, 29 x 2,5''
  • Besonderheiten: Länge der Kettenstreben anpassbar, drehbare Lagerschalen im Steuersatz (Lenkwinkel +1 °)
Die günstigen und veralteten Guide‑T-Bremsen von Sram sind auffallend schwach und bremsen auf langen Abfahrten den Fahrspaß stärker als das Bike. Schade!Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie günstigen und veralteten Guide‑T-Bremsen von Sram sind auffallend schwach und bremsen auf langen Abfahrten den Fahrspaß stärker als das Bike. Schade!Das 32er Kettenblatt ermöglicht stromsparendes Klettern auch in langen Anstiegen. Der lange Kettenstrebenschutz ist ebenfalls vorbildlich.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDas 32er Kettenblatt ermöglicht stromsparendes Klettern auch in langen Anstiegen. Der lange Kettenstrebenschutz ist ebenfalls vorbildlich.Spaßbremse, Teil 2:  Die Maxxis-DHF-Reifen stammen aus der günstigen Produktreihe und können weder bei Grip und Traktion noch beim Pannenschutz mit den Abfahrtsqualitäten des Jam² SL mithalten. Schade, hier verschenkt Focus Potenzial.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberSpaßbremse, Teil 2: Die Maxxis-DHF-Reifen stammen aus der günstigen Produktreihe und können weder bei Grip und Traktion noch beim Pannenschutz mit den Abfahrtsqualitäten des Jam² SL mithalten. Schade, hier verschenkt Focus Potenzial.Die Sram SX/NX-Schaltung ist kein Ausstattungs-Highlight. Bei korrekter Einstellung funktioniert sie im Gelände aber ganz passabel.Foto: Skyshot GmbH / Markus GreberDie Sram SX/NX-Schaltung ist kein Ausstattungs-Highlight. Bei korrekter Einstellung funktioniert sie im Gelände aber ganz passabel.

Praxistest: So fährt sich das Focus Trailbike

Hohes, breites Cockpit, sportlicher Reach und üppiger Federweg: Gerade in der langen Einstellung versprüht das Focus Trailbike den Duft eines abfahrtsorientierten Enduros. Trotzdem bleibt es leichtfüßig und agil. Die Handling-Vorteile eines Light-E‑MTBs bleiben auch so klar spürbar. Wer noch mehr Agilität will, kann das Focus mit der Geo-Verstellung deutlich in Richtung Trailbike trimmen.

Bergab ist das Focus Jam² SL in seinem Element. Fahrspaß und Fahrsicherheit vereint das Bike sehr ausgewogen.Foto: Max FuchsBergab ist das Focus Jam² SL in seinem Element. Fahrspaß und Fahrsicherheit vereint das Bike sehr ausgewogen.

Bergab gibt aber vor allem der laufruhige und solide Charakter die Richtung vor. Wenn es ruppig zur Sache geht, wäre das Bike voll in seinem Element. Allerdings arbeitet das Fahrwerk nicht so traktionsstark, wie man es sich von einem Mini-Enduro wünschen würde. Die DVO-Gabel kommt dafür bei derben Schlägen richtig in Schwung und zeigt sich schluckfreudig auf ruppigen Geraden. Das verführt dazu, im harten Geläuf Gas zu geben. Die schwachbrüstigen Reifen und günstigen, schwachen Guide-T-Bremsen limitieren die Abfahrtsstärke aber deutlich.

Bergauf fährt das Jam² SL unkompliziert, doch das hohe und breite Cockpit erschwert in technischen Passagen etwas die Kontrolle.Foto: Max FuchsBergauf fährt das Jam² SL unkompliziert, doch das hohe und breite Cockpit erschwert in technischen Passagen etwas die Kontrolle.

Auch bergauf gibt es Licht und Schatten. In der langen Kettenstreben-Einstellung klettert das Bike sehr gut. Dank steilem Sitzwinkel und zentraler Position steigt das Vorderrad erst spät. Mit der Boost-Funktion des kräftigen Ride 60 ist man für steilste Stiche gewappnet. Aber auch im Uphill könnte das Heck traktionsstärker arbeiten, und die hohe Front erschwert die Kontrolle in besonders steilen Stichen oder sehr engen Kurven.

EMTB-Bewertung des Focus Jam² SL 8.7

Stärken

  • Massig Nehmerqualitäten für schwere Abfahrten
  • Deutliche Anpassung der Geometrie möglich
  • Leiser Antrieb
  • Akku leicht wechselbar

Schwächen

  • Bremsen und Reifen beschneiden Abfahrtsstärke
  • Fahrwerk etwas wenig sensibel
  • Schwere Laufräder
  • Akku muss zum Laden entnommen werden
Ausgewogen stark in allen Facetten: Das Jam² SL bietet top Allround-Qualitäten. Dank reichweitenstarkem Wechsel-Akku ein heißer Tipp für ausgedehnte Touren.Foto: EMTB MagazinAusgewogen stark in allen Facetten: Das Jam² SL bietet top Allround-Qualitäten. Dank reichweitenstarkem Wechsel-Akku ein heißer Tipp für ausgedehnte Touren.

Das EMTB Fazit

Abfahrtsstarkes Light-E‑Bike mit kräftigem Fazua-Motor und Wechsel-Akku, aber überwiegend günstiger Ausstattung. Ein Bike mit Nehmerqualitäten, aber etwas sprödem Fahrwerk. Dafür sehr vielseitig. Tipp: Für mehr Abfahrtsleistung zum teureren Modell greifen! - Josh Welz, Chefredakteur BIKE und EMTB
Josh Welz ist Chefredakteur bei BIKE und EMTB.Foto: Georg GrieshaberJosh Welz ist Chefredakteur bei BIKE und EMTB.

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